AssCompact suche
Home
Finanzen
11. März 2016
EZB läutet Nullzins ein: „Todesstoß für das bisherige Finanz- und Währungssystem“

EZB läutet Nullzins ein: „Todesstoß für das bisherige Finanz- und Währungssystem“

Mario Draghi hat die Märkte mal wieder durcheinander gewirbelt. Der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) hat den Leitzins im Euroraum überraschend auf 0,0% gesenkt. An den Aktienmärkten sorgte das für eine Achterbahnfahrt. Von Finanz- und Investmentexperten hagelt es fast durch die Bank massive Kritik.

Die EZB hat in ihrer jüngsten Sitzung entschieden, ihren Leitzins zum ersten Mal auf 0,0% zu senken. Dieser Schritt kam völlig überraschend. Experten hatten im Vorfeld nicht damit gerechnet, dass die Notenbanker den Zinssatz antasten würden. Ihr Blick richtete sich vor allem auf das Anleihe-Kaufprogramm. Dieses will EZB-Präsident Mario Draghi weiter ausweiten – von monatlich 60 auf 80 Mrd. Euro. Zudem kündigte er an, dass die Zinsen für längere Zeit auf dem aktuellen oder sogar auf niedrigerem Niveau bleiben werden.

Nur ein Strohfeuer

An den Aktienmärkten sorgte das Maßnahmenpaket zunächst für Freudensprünge. Der Dax nahm nach der Bekanntgabe in wenigen Minuten wieder Kurs auf 10.000 Punkte. Doch der Begeisterung über das noch billigere Geld folgte noch am Nachmittag der große Kater. Am Ende ging der Dax bei unter 9.500 Punkten aus dem Tageshandel. Kein Wunder angesichts der drastischen Kommentare und Reaktionen von Investment- und Finanzexperten.

„End Game“

Die prominenteste Reaktion auf die EZB-Politik kam aus den USA. Der umstrittene Präsidentschaftskandidat Donald Trump warnte nach Zinssenkung vor einem Währungskrieg. Doch auch viele Investment- und Finanzexperten kritisieren die Notenbank scharf – so wie etwa FERI. Indem die europäischen Währungshüter weiter an ihrem Motto „Viel hilft viel“ festhalten, zeigen sie FERI zufolge wenig Selbstreflektion. Die EZB ebne mit ihrer Politik den Weg für ein monetäres „End Game“ – die faktische Übernahme von Staatsschulden durch die Zentralbanken. Ein solches Szenario wäre mit Sicherheit gefährlich für die Rentenmärkte und viele Währungen – und damit letztlich ein Todesstoß für das bisherige Finanz- und Währungssystem.

Keine Frage der Dosis

FERI ist mit dieser harschen Kritik nicht allein. „Doktor Draghi hat die Dosis deutlich erhöht. Aber die Medizin wird nicht wirken, auch wenn man die Dosis erhöht“, mahnt etwa Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. Michael Kemmer sieht in der weiteren Lockerung der Geldpolitik ebenfalls die falsche Medizin. „Es ist vollkommen unnötig, dass die EZB den Geldhahn heute noch weiter aufgedreht hat. Die Notenbank überzeichnet die Deflationsrisiken“, so der Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes.

Geldpolitik reicht nicht aus

Stephen Yeats, EMEA Head of Fixed Income Beta von State Street Global Advisors, zieht ebenfalls ein ernüchterndes Fazit. „Die Änderungen im Quantitative-Easening-Programm und die neuen geldpolitischen Aktivitäten der EZB zeigen, dass eine stärkere Ausschöpfung existierender geldpolitischer Hebel nicht ausreicht, um etwas in der wirtschaftlichen Realität der Euro-Zone zu bewirken.“

Risiken und Nebenwirkungen

Auch die Versicherungswirtschaft reagiert enttäuscht. „Die Notenbank läuft zunehmend Gefahr, von den Risiken und Nebenwirkungen ihres Tuns eingeholt zu werden“, kommentiert Alexander Erdland. Der Präsident des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) appelliert daher an Mario Draghio, die geldpolitische Strategie im Euro-Währungsgebiet im Interesse von Wirtschaft und Haushalten neu zu denken. Anton Börner, Präsident des Außenhandelsverbandes BGA, warnt derweil gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters vor allem vor den Folgen für die deutschen Sparer. „Für die deutsche Bevölkerung ist das katastrophal, die Sparer werden enteignet. Das ist eine gigantische Umverteilung von Norden nach Süden.“ (mh)

 

Leserkommentare

Comments

Gespeichert von Jan Lanc am 11. März 2016 - 19:50

Ich hoffe ja sehr das wir hier nicht japanische Verhältnisse bekommen und für eine lange Zeit mit solchen Zinsen leben müssen. Das wird nicht gut gehen