AssCompact suche
Home
01/2015
22. Januar 2015
„Beim § 34 GewO sind die Buchstaben j bis z ja noch frei“

„Beim § 34 GewO sind die Buchstaben j bis z ja noch frei“

Interview mit Peter Przybilla, Geschäftsführer der HENGSTENBERG & PARTNER GmbH.

Das Maklerbüro Hengstenberg & Partner in München setzt in der Vorsorgeberatung seit Langem auf Alternativen zu den deutschen Versicherungsprodukten. Gerade jetzt sieht es sich in seinem Konzept bestätigt. Sorge bereitet dem Büro die anhaltende Regulierung, aber auch das Verhalten der Branche selbst.

Herr Przybilla, Ihr Kollege Andrik Kurschewitz schreibt in seinem Blog auf Ihrer Website, dass sich Sparen mit Versicherungen weiter lohne. In dem Text kommen britische Anbieter wesentlich besser weg als deutsche. Entspricht dies allgemein Ihrer Beratungsphilosophie?

Schon 1996 haben wir darauf gedrängt, dass deutsche Gesellschaften flexiblere Produkte ohne die starren Garantien anbieten sollten. Unseren Ideen wurde damals kaum Beachtung geschenkt und die Antwort, die wir oft zu hören bekamen, war: „Aber Herr Przybilla, das alles brauchen wir in Deutschland doch gar nicht!“. Stattdessen wurden überteuerte Investmentpolicen auf den Markt geworfen. Wenn Kunden sich die Nettorendite mancher Fondspolice heute genauer anschauen, ist der Schock teilweise groß. Und das trotz eines Dax-Standes von 10.000.

Seit Mitte der neunziger Jahre, als durch britische Anbieter frischer Wind auf den Markt kam, haben wir die ­konventionellen Garantiezinsprodukte kaum noch verkauft und unsere Kunden danken es uns heute. Die Hochrechnungen der With-Profits-Policen der Briten dagegen treffen überwiegend ein. Unsere Empfehlungen gehen auch heute unverändert in diese Richtung. Die Bedeutung der britischen Gesellschaften ist zudem deutlich gestiegen. Das hat auch eine Allianz bemerkt, sodass es auch dort zu einem Umdenken kam.

Sie berichten davon, dass aktuell einige Ihrer Kunden auch Enttäuschungen hinnehmen mussten, was die Ablaufleistung in der Lebensversicherung betrifft. Liegt es auch an zu hohen Erwartungen der Kunden?

Dazu ein Beispiel eines eigentlich guten Versicherers: Ein Kunde hat 1998 50.000 Euro in eine klassische, konventionelle Rentenpolice investiert. Die Garantie betrug 80.000 Euro zum Ablauf oder eine Garantierente von 430 Euro. Die Hochrechnung belief sich damals auf eine Rente von 740 Euro. Heute, im Alter von 63 Jahren ist die Hochrechnung auf 440 Euro eingebrochen, also nur 10 Euro mehr als die ausgesprochene Garantie! Damals gab es noch hohe Zinsen bei den Anleihen, die sich aber in den Kosten verloren haben. Dem Kunden fehlen jetzt immerhin 300 Euro Rente, mit denen er gerechnet hatte.

Wie wird sich 2015 die Vorsorgeberatung in Ihrem Haus gestalten?

Aufgrund der nicht zuletzt von Versicherern und Vertrieben hausgemachten Probleme und der daraus resultierenden negativen Presse kümmern sich immer weniger Menschen um ihre Vorsorge. Mal sehen, ob die Branche es schafft, das erforderliche Vertrauen zurückzugewinnen. Wir werden jedenfalls unverändert ordentliche Vorsorgeberatungen durchführen und dem Kunden zeigen, wie viel im Alter fehlen wird. Der durch die niedrigen Zinsen gestiegene Vorsorgebedarf wird derzeit noch verkannt oder ignoriert. Daneben werden wir beispielsweise auch unser Pflegekautionskonto als Lösung für ein weiteres großes Zukunftsproblem noch stärker in den Fokus rücken – eine Pflegerentenversicherung, die immer zahlt, selbst wenn der Pflegefall nicht eintritt.

Bei der Umsetzung des LVRG bewegt uns, dass wir beim Vergleich von Produktberechnungen vorher/nachher keine Vorteile für den Kunden aus der Courtagereduzierung feststellen können. Es scheint wohl so zu sein, dass man beim Vertrieb sparen will, interne Sparmaßnahmen aber nicht umgesetzt werden. Ich bin gespannt, ob da einige Gesellschaften nicht mit dem Feuer spielen und Kunden und Vertrieb sich das gefallen lassen.

Wie haben Sie Ihr Unternehmen auf die regulierte Welt ein- bzw. umgestellt?

Wir haben alle gesetzlichen Vorgaben voll umgesetzt. Wir gehen aber davon aus, dass es, ähnlich wie in Großbritannien, noch zu einer regelrechten Regulierungswut kommen wird. Beim § 34 GewO sind die Buchstaben j bis z ja noch frei. Man darf gespannt sein, was da noch auf uns zukommt, auch hinsichtlich Provisions- und Courtageverbot. In Großbritannien scheint man aber gerade zurückzurudern und wieder über die Abschaffung des Courtageverbotes nachzudenken. Den Beratungsauftrag gegenüber der Bevölkerung nur durch Honorarberatung zu erfüllen, scheint wohl nicht zu funktionieren.

Das Maklerbüro Hengstenberg & Partner agiert seit 30 Jahren am Markt. Gibt es viele „Altlasten“ bzw. wie bringen Sie Unternehmens- und Bestandsstruktur auf den aktuellen Stand?

Wirkliche Altlasten gibt es keine, höchstens vielleicht noch einige Kunden, die aufgrund eines abgerissenen Kontaktes nicht mehr regelmäßig betreut werden. Diese gilt es nach und nach zu kontaktieren, das Maklermandat zu erneuern und ein Bestandsupdate durchzuführen. Dabei werden wir uns von vielen Altkunden trennen müssen, die diesen Weg nicht mit uns gehen wollen.

Wie weit sind Sie in Ihrem Haus mit der digitalen Umstellung? Und welche Veränderungen erwarten Sie?

Digitalisierung bedeutet ja nicht nur weg vom Papier und hin zum digitalen Aktenschrank, sondern die Einbindung digitaler Möglichkeiten zwischen Kunde, Versicherer und Makler. Kurzfristig ist hier nicht viel zu erwarten, da die Branche in sich noch nicht einig ist. Mittelfristig sehe ich aber schon große Möglichkeiten zur Verbesserung der Workflows und bei Apps für Kunden zur Einsicht ihrer Verträge. An dieser Stelle baue ich auch massiv auf die ­VEMA, die uns schon jetzt eine Vielzahl von Möglichkeiten bietet. Unsere Kunden wollen aber auf die so wichtige persönliche Beratung nicht verzichten und möchten einen „Kümmerer“, weswegen ich im Internetvertrieb nur begrenztes Wachstum sehe.

Sie stellen sich Ratings der Assekurata und wollen sich zertifizieren lassen. Was ist Ihnen daran besonders wichtig?

Unser Folgerating durch Assekurata steht jetzt an. Wir wollen damit nach außen zeigen, dass wir alles dafür tun, unseren Kunden professionelle Beratung, bestmöglichen Service und eine nachhaltige Betreuung zu gewährleisten. Das ist uns bisher gut gelungen und die bisher erreichten vier Sterne können sich auf jeden Fall sehen lassen.

Ihr Büro ist in München, in der Innenstadt, Sie haben ­ 4 Mitarbeiter, einen umfassenden Bestand und eine gut verdienende Zielgruppe. Dennoch sind Sie nicht frei von Sorge für die Zukunft. Wird es auch für etablierte Maklerunternehmen schwerer?

Mit Sicherheit. Die Kosten in den Büros bleiben, Service benötigt Manpower. Auch wenn man einen noch so guten Workflow hat und die Prozesse beherrscht, wird es mindestens beschwerlicher. Ich mache mir aber eher Sorgen um die jungen Kollegen, die ohne Bestand anfangen und von der Abschlusscourtage leben müssen.

Und was stimmt Sie optimistisch?

Wir haben unseren Bestand, geringe Kosten, ein super Team und ein vernünftiges Marketing. Darauf kann man bauen und auch in Zukunft Erfolg haben. Wir haben keine Großkunden, die uns in Abhängigkeiten bringen könnten, sondern viele Firmen und Privatpersonen, die unsere Beratung zu schätzen wissen.

Das Interview lesen Sie auch in AssCompact 01/2015, S. 94f.

 
Ein Artikel von
Peter Przybilla, Geschäftsführer der HENGSTENBERG & PARTNER GmbH