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14. Juni 2018
„Blockchain hat das Potenzial, uns Vermittler überflüssig zu machen“

„Blockchain hat das Potenzial, uns Vermittler überflüssig zu machen“

Die JDC Group will in diesem Jahr ein sogenanntes Initial Coin Offering starten. Die Auflage der Kryptowährung ist Teil einer Technologieoffensive. Mit ihrer Hilfe sollen angebundene Vermittler zu den Gewinnern der rasanten technischen Entwicklung rund um Blockchain, Kryptowährungen und Smart Contracts werden, statt durch sie abgeschafft zu werden. Interview mit Stefan Bachmann, Digital-Vorstand der JDC Group.

Herr Bachmann, JDC plant als eines der ersten deutschen Unternehmen ein Initial Coin Offering, kurz ICO. Warum?

Die Auflage der eigenen Kryptowährung Blocx ist Teil unseres Ziels, ein eigenes Blockchain-Netzwerk mit dazugehöriger Community aufzubauen.

Inwieweit haben der Kursrutsch von und das sinkende Vertrauen in Bitcoin und Co. Ihre Pläne beinflusst?

Im Hype Anfang des Jahres wurden Blockchain und Kryptowährungen wie Bitcoin oft unter einen Hut gesteckt. Der Bitcoin-Hype ist in der Tat wieder abgeflacht, die Überzeugung, dass sich die neue Technologie durchsetzen wird, dagegen nicht. Wir haben uns bewusst von Anfang an auf die Blockchain-­Technologie und nicht auf eine einzelne Währung fokussiert.

Droht eine solche Technologie am Ende den Vermittler überflüssig zu machen?

Grundsätzlich hat sie das Potenzial dazu, Intermediäre und damit auch Vermittler überflüssig zu machen. Dem Finanz- und Versicherungsvertrieb droht ein ähnliches Schicksal wie dem Zahlungsverkehr nach Einführung von PayPal. Dies kann aber nur dann geschehen, wenn wir Vermittler dies mit uns geschehen lassen, weil wir die Entwicklung verschlafen. Statt wie ein Kaninchen vor der Schlange zu sitzen, wollen wir uns frühzeitig mit der Technologie und ihren Möglichkeiten beschäftigen, um die immensen Chancen der neuen Technologie zu nutzen und Vermittlern sowie Beratern als Ersten die Möglichkeit zu geben, Leistungen den Kunden gegenüber zu skalieren. Als JDC werden wir frühzeitig Modelle entwickeln, die uns angebundene Vermittler zu den Gewinnern der rasanten technischen Entwicklung machen.

Wo steht die Technologie aktuell?

Blockchain ist derzeit vergleichbar mit dem Internet vor etwa 30 Jahren. Die Technologie ist bereits da, ist aber für die allermeisten Menschen noch nicht greifbar. Vor 30 Jahren war es theoretisch auch schon möglich, E-Mails zu schreiben. Allerdings war die Anwendung für die meisten Nutzer noch viel zu kompliziert. Damals musste man auch noch mit MS-DOS-Befehlszeilen arbeiten. Erst mit den neuen Betriebssystemen Windows 95 und 98 hat es der PC und damit das E-Mail in die breite Masse geschafft. Das Aufkommen der Internetbrowser war dann die nächste Evolutionsstufe. Heute kann sich kaum noch jemand ein Leben ohne Internet und Smartphones vorstellen.

Im Gegensatz zum Internet ist Blockchain für viele noch ein Mysterium. Was genau muss man sich darunter vorstellen?

Die Blockchain ist für Transaktionen das, was die E-Mail für den Datenaustausch über das Internet ist: Über die Blockchain können Transaktionen direkt von einer Partei zu einer anderen ohne Einschaltung von Intermediären effizient und rechtssicher abgewickelt werden. Auch der Staat wird in weniger Fällen gebraucht, da der Sicherheitsstandard in der Blockchain so hoch ist: Dank der dezentralen Speicherung auf einer Vielzahl von Rechnern sind Transaktionen nahezu manipulations- und fälschungssicher. Leistungsaustausch und Verträge können sekundenschnell weltweit organisiert und transparent und sicher dokumentiert werden.

Wie dürfte das konkret den Finanz- und Versicherungsvertrieb verändern?

Aus Big Data wird derzeit bereits Smart Data. Daten werden nicht mehr nur gesammelt, sondern intelligent ausgewertet, um den Kunden effizient und kostengünstig anzusprechen. Blockchain ermöglicht es, so viele dezentral gespeicherte Daten wie möglich abzurufen, auf die jeweils nur für den relevanten Moment zugegriffen wird. Damit werden anlass- und nutzerindividuelle Lösungen möglich. Nun geht es im nächsten Schritt darum, mit unseren Beratern, Kunden und Produktpartnern unser Blocx Blockchain-Netzwerk zu bauen und mithilfe der dezentralen Datentechnologien, Smart Contracts zu entwickeln.

Was bedeutet das?

Smart Contracts sind Zusatzprotokolle zum „Betriebssystem“ der Blockchain-Technologie. Damit können über Algorithmen Produkte für den Kunden formuliert werden. Der Schutz greift beispielsweise immer nur dann, wenn es für den Kunden auch wirklich relevant ist. Im Ergebnis kann das dazu führen, dass sich ein Kunde keine Gedanken mehr über seine Finanzen und seine Absicherung machen muss, weil sich seine Vorsorge- und Absicherungs­lösung dynamisch an die jeweilige Lebenssituation anpasst. Wie eine „zweite Haut“ sozusagen.

Was heißt das in der Praxis?

Die Produkte werden künftig in Echtzeit immer an die jeweilige Situation des Kunden angepasst werden. Fährt er zum Beispiel über die Grenze, erhält er automatisch eine Auslandskrankenversicherung. Befindet er sich über 1.000 Höhenmeter, kann zudem automatisch eine Skiversicherung abgeschlossen werden. Oder beim Autokauf wird direkt die Versicherung mit angepasst. Genauso könnten bei einem Umzug sämtliche notwendigen Anpassungen im Finanz- und Versicherungsbereich automatisch vorgenommen werden. All das ist möglich, wenn die Blockchain-Technologie eingesetzt wird und mit den Smart Contracts echte Mehrwerte für den Kunden geschaffen werden. Mit diesen können unsere Vermittler dann bei ihren Kunden punkten. Das ist umso wichtiger, da der Wettbewerb heute nur noch einen Klick entfernt ist. Der Kunde geht immer zu dem Anbieter und Vermittler, der ihm die einfachste, sicherste und transparenteste Lösung bietet.

Der Schlüssel dazu ist, die Daten zu bekommen. Was ist wiederum der Schlüssel zu den Kundendaten?

Der Schlüssel ist das Vertrauen. Gerade die Deutschen sind in Bezug auf Daten sehr zurückhaltend. Umso wichtiger sind vertrauenswürdige Vermittler. Sie sind der persönliche Kontakt zum Kunden und haben dadurch einen großen Anteil an der individuellen Absicherungslösung für den Bedarf des einzelnen Kunden. Zudem hilft uns, dass wir schon seit Jahrzehnten am Markt sind und über viele Jahre hinweg ein Vertrauen aufgebaut haben – bei den Gesellschaften wie auch bei Vermittlern und Endkunden. Das ist das, was vielen FinTechs und InsurTechs fehlt: Viele Start-ups müssen sich ihre Kunden teuer einkaufen und scheitern deshalb daran, die kritische Masse zu erreichen. Die JDC Group hat hingegen bereits einen breiten Kundenstamm in Form von 16.000 angebundenen Vermittlern und deren über 1,3 Millionen Kunden.

Kunden, Berater und Vermittler der JDC Group sollen für jedes vermittelte Geschäft mit Blocx honoriert werden. Wie kommt das bei Beratern und Vermittlern an?

Die Honorierung in Blocx ist eine Zusatzleistung und soll nicht die klassische Vergütung ersetzen. Sie ist ein Dank für Loyalität und die Beteiligung an unserem Netzwerk, mit der sie zum Beispiel bestimmte Serviceleistungen der JDC Group beziehen können. Das Feedback ist daher sehr gut. Auch die Kunden erhalten für ihre Daten im Gegensatz zu Google und Co. für ihre Beteiligung nicht nur bessere Produkte, sondern eine direkte Vergütung in Form von Blocx, den sie zum Beispiel für einen Teil ihrer Prämie oder beim Kauf eines Fonds einlösen können. Wir drehen das Modell von Google um. Wenn man uns Daten anvertraut, gibt es nicht nur einen tollen Service in einer App, sondern wir geben auch etwas dafür zurück.

Wie verändert Blockchain das Geschäft der Produktanbieter?

Die Produktanbieter werden den Kunden und Vermittlern durch eine anbieterübergreifende Datenplattform im Endeffekt bessere Produkte und Auswahlmöglichkeiten bereitstellen können. Hierfür braucht es Informationen auf Basis von Kundenverträgen. Und wer bringt uns diese Verträge? Die Vermittler und Berater. Google und Facebook bringen vielleicht Daten zu bestimmten Details des Kundenverhaltens, aber nicht die Kundendaten und Kundenbeziehung an sich. Auch deshalb wird es die gewinnende Strategie sein, den Berater durch die Technologie nicht zu verdrängen, sondern mit ihm zusammen die Kunden von morgen zu gewinnen.

Das Interview lesen Sie auch in AssCompact 06/2018, Seite 64 f.

 
Ein Artikel von
Stefan Bachmann