AssCompact suche
Home
Sonderthema Freie Berufe und Freiberufler
18. Dezember 2015
„Das Haftungsrisiko für Architekten ist in den letzten Jahren gestiegen“

„Das Haftungsrisiko für Architekten ist in den letzten Jahren gestiegen“

Auch wenn sich immer mehr Versicherer von dieser Branche verabschieden, gibt es immer noch eine Reihe von Unternehmen, die guten Versicherungsschutz für Architekten und Bauingenieure anbieten. Dabei steigen die Haftungsrisiken in der Baubranche immer weiter an – nicht zuletzt durch geänderte baurechtliche Verordnungen in diesem Bereich.
Interview mit Dr. Florian Krause-Allenstein, Scholtissek : Krause-Allenstein, Kanzlei für Bau- und Architektenrecht

In vielen Branchen wird es schwieriger, Versicherungsschutz zu bekommen. Sehen Sie aus Ihrer Sicht eine ähnliche Entwicklung bei Architekten?

In der Sparte der Berufshaftpflichtversicherung der Architekten und Bauingenieure dünnt sich die Reihe der Versicherer zunehmend aus. Zuletzt hat sich die Zurich Versicherung im Jahr 2012 komplett aus dem Markt verabschiedet. Gleichwohl gibt es nach wie vor eine ausreichende Auswahl an Anbietern, die zu angemessener Prämie teilweise hervorragenden Versicherungsschutz zur Verfügung stellen. Enger wird es für die Planer allerdings dann, wenn sich der erste Schadenfall gezeigt hat. Oftmals schnellen dann die Prämien der Versicherer derart in die Höhe, dass man den Eindruck erhält, es handele sich um „Abwehrangebote“.

Sind denn in den vergangenen Jahren die Risiken für Architekten gestiegen?

Das Haftungsrisiko für Architekten ist in der Tat aus einer Reihe von Gründen in den letzten Jahren gestiegen. In erster Linie hat sich die Rechtsprechung des für dieses Rechtsgebiet zuständigen VII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs kontinuierlich zulasten der Architekten verschärft. Die Planer haften hiernach nicht nur für (eigene) Planungsfehler, sondern auch für die Baumängel der ausführenden Bau- und Handwerksunternehmen. Der Architekt kann sich von dieser Inanspruchnahme zwar theoretisch damit entlasten, er habe den Ausführenden ausreichend überwacht; in der Praxis gelingt dieser Nachweis aber so gut wie nie, da nach ständiger Rechtsprechung der Baumangel den Fehler des Architekten bereits indiziert.

Darüber hinaus hat sich das Risiko für die Architekten vor allem auch dadurch erhöht, dass nach den Landesbauordnungen für eine Vielzahl von Bauvorhaben kein Baugenehmigungsverfahren vor den Bauämtern mehr vorgeschrieben ist. Für solche Bauvorhaben, die dann nur noch gegenüber der Behörde angezeigt werden müssen, fehlt damit die bisher vorhandene Prüfinstanz durch die Genehmigungsbehörden. Wird später ein bauplanungs- oder bauordnungsrechtlicher Fehler festgestellt, haftet der Architekt alleine. Schließlich trägt zur verschärften Haftung der Planer auch die „Flut der DIN-Normen“ bei. Neben den deutschen Normen werden wir nun auch aus der EU mit technischen Regelwerken „überschwemmt“. Es ist für Architekten und Ingenieure schlicht unmöglich, Kenntnis über alle Inhalte dieser Normen zu haben.

Mit welchen Haftungsfragen werden Sie am häufigsten konfrontiert?

Am häufigsten werden Architekten und Ingenieure wegen aufgetretener Baumängel, die auch auf Planungs- und/oder Bauüberwachungsfehler zurückzuführen sind, in Anspruch genommen. Erstaunlicherweise haben hier vor allem Feuchtigkeitsschäden, zum Beispiel aufgrund mangelhafter Kellerabdichtungen, undichter Fassaden oder Wärmebrücken, immer noch einen hohen Stellenwert. An der Tagesordnung sind auch Inanspruchnahmen wegen Koordinierungsfehlern und Verzögerungsschäden, die allerdings meistens vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sind. Haftungsfälle wegen Beratungsfehlern, zum Beispiel im Zusammenhang mit Fördermitteln oder Beratungen bezüglich Vertragsgestaltungen, sind eher nachrangig.

Worauf gilt es, beim Versicherungsschutz aus Ihrer Sicht besonders zu achten? Gibt es Lücken im Versicherungsschutz, die immer wieder einmal auftauchen?

Große Lücken im Versicherungsschutz treten nach wie vor beim Wechsel des Versicherers auf. Durch die standardmäßig vereinbarte fünfjährige Nachhaftung verliert der Versicherungsnehmer oftmals den Versicherungsschutz, obwohl er durch den Geschädigten noch erfolgreich in Anspruch genommen werden kann. Hier empfiehlt sich dringend die Vereinbarung einer verlängerten Nachhaftung, die teilweise sogar zeitlich unbegrenzt angeboten wird, und die Rückwärtsversicherung beim neuen Versicherer. Die Gefahr einer erheblichen Reduzierung des Versicherungsschutzes der Höhe nach kann sich durch den vereinbarten Selbstbehalt ergeben. Dieser beträgt zwar in der Regel nur 2.500 Euro; wenn aber ein großer Bauschaden auf 100 Einzelplanungsfehler zurückzuführen ist, dann kommt hier schnell eine Selbstbehaltsumme zusammen, die existenzgefährdend werden kann.

Die Versicherungswirtschaft bietet hierfür eine Selbstbehalt-Maximierung pro Bauvorhaben an. Schließlich sind die Ausschlusstatbestände der bewussten Pflichtwidrigkeit und der Zeitüberschreitungsklausel häufig einschlägig, sodass die Planer auf keinen Versicherungsschutz zurückgreifen können.

Wie beurteilen Sie die Schadenregulierung durch die Versicherer?

Die Schadenregulierung durch die Versicherer findet mit unterschiedlicher Qualität statt. Ein Großteil der Versicherer bearbeitet die Schäden tadellos und einwandfrei. Es gibt aber einige, bei denen man den Eindruck bekommt, dass der Sachbearbeiter völlig überlastet und überhaupt nicht „im Thema“ ist.

Wie wichtig ist Ihrer Meinung nach ein Honorarrechtsschutz?

Der Honorarrechtsschutz ist für die Architekten und Ingenieure sehr wichtig. Wenngleich bei Haftungsfragen die Prozesskosten in der Regel (teilweise) durch den Haftpflichtversicherer mit übernommen werden, gibt es auch eine Vielzahl von Fällen, in denen der Streit mit dem Auftraggeber nur über die Honorarhöhe geführt wird. Aufgrund der Komplexität des Honorarrechts der HOAI führt dies oftmals zu langjährigen sowie zeit- und kostenaufwendigen Verfahren. Hier entstehen die Kosten insbesondere auch aufgrund der Notwendigkeit, teure Sachverständigengutachten über die Honorarhöhe einholen zu müssen. Nachdem ich viele Jahre ein großer Befürworter von Honorarrechtsschutzversicherungen war und diese auf meinen Seminaren und Vorträgen für Architekten und Ingenieure wärmstens empfohlen habe, wurde ich zwischenzeitlich leider von zwei Anbietern in laufenden Verfahren sehr enttäuscht, sodass ich zwischenzeitlich eine differenzierte Meinung zu dieser Versicherungssparte habe.

Das Interview lesen Sie auch in AssCompact 12/2015, Seite 50f.

 
Ein Artikel von
Dr. Florian Krause-Allenstein