AssCompact suche
Home
Investment
21. Dezember 2017
„Das Investmentsteuergesetz ist eine gute Chance für den Vertrieb“

„Das Investmentsteuergesetz ist eine gute Chance für den Vertrieb“

Der Vertrieb von Investmentprodukten wird sich zum Jahreswechsel massiv verändern. Welche Chancen und Herausforderungen bieten bAV-Reform, IDD, Investmentsteuergesetz & Co. für Makler und Finanzberater? Das hat AssCompact mit ausgewählten Vertretern der Finanz- und Versicherungswirtschaft im Rahmen des 2. AssCompact Roundtables zur Zukunft des Investmentvertriebs diskutiert.

Herr Holzki, sind die neuen regulatorischen Rahmenbedingungen in Form von IDD, Investmentsteuergesetz, Betriebsrentenstärkungsgesetz etc. für den Vertrieb von Investmentprodukten eher Chance oder Risiko?

Carsten Holzki Zurzeit eher ein Risiko. Jeder beschäftigt sich mit den neuen Anforderungen. Deswegen gibt es kaum Vertrieb. Wenn aber mal alles umgesetzt ist, kann gerade das Betriebsrentenstärkungsgesetz zur großen Chance werden, weil Investmentprodukte durch den Wegfall der Garantiepflicht in der bAV zum ersten Mal eine realistische Chance haben. Auch das Investmentsteuergesetz ist eine gute Chance. Steuer ist schließlich immer ein schönes Vertriebsthema – und Vertrieb fehlt eben momentan.

Dr. Frank Ulbricht Ich würde insgesamt auch mehr Chancen als Risiken sehen. Die regulatorischen Herausforderungen sollten bis Ende des ersten Quartals 2018 erledigt sein, sodass für das Gesamtjahr die Vertriebschancen überwiegen. Wenn man zum Beispiel die Zielmarkteignung, die ein zentraler Punkt der MiFID II ist, richtig angeht, wird es sicherlich einige Umschichtungen und Neuanlagen geben.

Inwieweit verändern die neuen Regulatoriken nicht nur die Arbeit von Finanzberatern mit einer Zulassung nach dem §34f GewO, sondern auch den Arbeitsalltag von Versicherungsmaklern?

Karsten Schnapp Auch der klassische Versicherungsmakler muss die Geeignetheit jedes Jahr überprüfen – und das, obwohl viele nicht gerade ein großes Faible für Fondsprodukte haben. Diese Prüfung regelmäßig vorzunehmen, ist gerade vor diesem Hintergrund eine große Herausforderung.

Dr. Frank Ulbricht Genau deshalb sind vermögensverwaltende Lösungen der richtige Ansatz. Hinzu kommt das Thema Risikotoleranz. Welche Risiken der Kunde bereit ist, für welche Performance einzugehen, wird in der Beratung zukünftig eine deutlich größere Rolle spielen. Wenn die tatsächliche Risikotoleranz von der vorgegebenen Toleranz abweicht, ist der Kunde zudem zu informieren und der Vorgang auch zu protokollieren. Automatismen in Form von standardisierten Modellportfolios oder auch vermögensverwaltenden Lösungen auf Fondsbasis werden daher ohne Frage an Bedeutung gewinnen.

Carsten Holzki Ich sehe das ein bisschen anders. Die gemischten Portfolios werden zulegen, aber sie werden weiter eine Nebenrolle spielen. Im IFA-Markt werden die guten Berater, die überlebt und einen 34f haben, sich das Heft des Handelns nicht aus der Hand nehmen lassen wollen. Alle verstehen auch die Vorteile eines gemanagten Portfolios. Aber wie viele werden tatsächlich umgesetzt? Das wird sich in Zukunft vielleicht ein bisschen ändern, aber es wird nicht der Hauptmarkt sein.

Sabine Härtl Dieser Meinung bin ich auch. Der Vermittler wird das immer auf irgendeine Weise auch selber machen. Aber die Bereitschaft, für einen gewissen Kundenkreis gemischte Portfolios aufzunehmen, wird steigen. Der Vermittler muss schließlich zunehmen Zusatzleistungen erfüllen. Da ist es nachvollziehbar, dass man sich auf die wichtigsten Kunden konzentriert und den Rest mit gemanagten Varianten bedient.

Rainer Kenner Wir reden hier aber von dem Vermittler, der sein Geschäft versteht und der sich darauf eingestellt hat, dass sich die Regulatorik jedes Jahr verschärft. Er wird die Herausforderungen managen. Die große Masse der Vermittler kommt durch die IDD nun aber in einen Bereich hinein, mit dem sie bisher noch nie etwas zu tun hatte. Welcher Vermittler, der eine fondsgebundene Police verkauft hat, hat bisher wirklich wissen müssen, was da drin ist? Diese Vermittler müssen ihren Kunden nun erst mal erklären, warum sie plötzlich so komische Sachen fragen.

Karsten Schnapp Wir müssen definitiv unterscheiden zwischen dem Versicherungsmakler und dem 34f-Vermittler. Der klassische Versicherungsmakler wird sich entscheiden müssen, ob er Berater oder Asset-Manager sein will. Seine Kompetenz liegt dabei ganz klar im Ersteren. Er sollte Portfolios aus verschiedenen vermögensverwaltenden Produkten anbieten, die unterschiedliche Risikoprofile des Kunden bedienen. Dann kann der Makler sich voll darauf konzentrieren, das Risikoprofil des Kunden herausfinden. Wenn die Kosten für diese Lösung auch noch niedrig sind oder gar vom Versicherer übernommen werden, hätte der Makler alle Fliegen mit einer Klappe geschlagen.

Kosten sind angesichts der Niedrigzinsen und der damit verbundenen geringeren Renditeaussichten ein wichtiger Punkt. Klappt so viel Service tatsächlich zu niedrigen Kosten?

Philipp Marquardt Das häufige Umschichten, wie es viele vermögensverwaltende Ansätze betreiben, ist mit Kosten verbunden. Die Frage ist, ob sich dieser viele Aufwand wirklich lohnt. Unser Ansatz ist daher ein anderer. Wir schichten nicht ständig nach Risiken um, sondern nehmen nur unser fixes Rebalancing der Asset-Klassen vor. Dadurch sind die Kosten sehr günstig. Die Frage ist, wie viele der vermögensverwaltenden Fonds sich angesichts der sinkenden Margen halten können. Der Aufwand wird im Gegensatz zu den Kosten schließlich nicht geringer. Das werden nicht alle überleben können.

Rainer Kenner Durch den Fokus auf die Kosten wird auch eine ganz andere Diskussion bekräftigt. Versicherer gehen vermehrt mit eigenen Kapitalverwaltungsgesellschaften in den Markt, weil sie auch innerhalb der Fondspolicen kostenattraktive Fondslösungen bieten müssen. Versicherer, die eine eigene KVG haben, werden im Markt in Zukunft einen Vorteil haben, weil sie dieses Geschäft kostengünstig darstellen können.

Wie wichtig sind digitale Helfer oder Dienstleister wie zum Beispiel Maklerpools bei der dauerhaften Beobachtung der Portfolioeignung?

Dr. Frank Ulbricht Sehr wichtig. Bei der BCA wollen wir alles rein technisch lösen. Papierberge wird es nicht mehr geben. Alles andere wäre zu umfangreich und auch schwer zu tracken. Letzten Endes wird bei aller Technik aber immer der Berater eingreifen und auf den Kunden zugehen müssen, wenn Handlungsbedarf besteht.

Rainer Kenner Wenn man den Kunden zu Geldanlage oder Altersvorsorge fragt, stellt er immer eine Forderung: Es muss zu jeder Zeit absolut sicher sein. Wenn man dem Kunden aufgezeigt hat, dass genügend Sicherheit vorhanden ist, kann man sehr wohl mit ihm über Chancen reden. Das wird nicht in einem Produkt lösbar sein, sondern muss in mehreren Etappen angegangen werden. Das wird dazu führen, dass Versicherungen und Investments immer stärker parallel verkauft werden und setzt voraus, dass die Vertriebe dahingehend geschult werden, dass sich beide Welten nicht mehr länger ausschließen, sondern ergänzen.

Philipp Marquardt Man sollte den Kunden von Anfang an über die Volatilitäten und Risiken aufklären. Der Ottonormalkunde kann damit ja zunächst wenig anfangen und hat in der Regel eine völlig falsche Vorstellung davon. Wenn sie sich der Risiken nicht vorher bewusst sind, besteht die Gefahr, dass sie zu früh aussteigen – und zwar gerade dann, wenn die Märkte im Keller sind.

Rainer Kenner Die meisten Policen werden allerdings nicht gekündigt, weil die Volatilität zu hoch ist, sondern weil den Kunden die Liquidität fehlt, um die langfristige Altersvorsorge durchzuhalten. Das ist auch eine Aufgabe, die wir lösen müssen. Wir müssen dafür sorgen, dass der Kunde den Rücken frei hat, um seine langfristigen Sparziele durchzuhalten. Wir müssen ihn von Anfang an auf die Bedeutung einer ausreichenden Liquidität hinweisen, denn nur wenn sie vorhanden ist, kann er langfristig in die chancenreichen Märkte investieren.

Wie lässt sich das erreichen?

Karsten Schnapp Eine solche Lösung zu finden, ist Aufgabe des Vermittlers. Das geht nicht über einen einfachen Schieberegler im Internet.

Sollten Berater die neuen digitalen Angebote nicht fürchten?

Rainer Kenner Papierbasierte Prozesse sind tot. Alle Prozesse in der Beratung werden digitalisiert. Das sollte dem Berater keine Angst machen. Digitale Helfer unterstützen ihn letztlich dabei, keine Beratungsfehler zu machen. Sie schränken die Auswahl automatisch auf Produkte ein, die zur Zielmarktbestimmung passen, und helfen ihm, wenn es Handlungsbedarf in Sachen Risikoanpassung gibt.

Carsten Holzki Wir können uns gegen die Digitalisierung ohnehin nicht wehren. Wir werden in der nächsten Generation hauptsächlich digitalisierte Beratungsprozesse sehen. Der Berater kann sie für sich nutzen. Wenn der traditionelle Makler so weiter berät wie in den letzten 25 Jahren, wird er vom Markt verschwinden. Die junge Generation wächst mit digitalen Angeboten und Services auf. Das Handy ist vielfach bereits das Lebenselixier. Wenn wir das ignorieren, verlieren wir diese Zielgruppe komplett. (mh)

Dies ist ein Auszug des 2. AssCompact Roundtables zur Zukunft des Investmentvertriebs. Den vollständigen Roundtable lesen Sie in AssCompact 12/17 auf Seite 66ff.

 

Leserkommentare

Comments

Gespeichert von Wilfried Strassnig am 21. Dezember 2017 - 09:27

Alle Fonds-und Versicherungsgesellschaften, Verbände etc. sollten in den Medien die Vorteile der Beratung deutlich machen. Ein langjährig erfahrener Berater, der den gesamten Markt ständig beobachtet und sich auch mit Kollegen aus dem Bundesgebiet über die Vor-und Nachteile informiert, verfügt über einen großen Erfahrungsschatz, der definitiv mit Beispielen aus der Vergangenheit mit ähnlichen Verlaufssituationen ergibt, dem Kunden ein für Ihn vorstellbares Szenarium für die besten Produkte darzustellen. Zu wenig oder zu viel Risiko, zu hoher oder niedrigerer Beitrag, Festlegung auf nur ein Produkt und v. m. sind sehr wichtige Informationen die dem Kunden für seine Entscheidungen meist wichtiger sind als die Auswahl eines Produktes Ratz-Fatz aus dem Netz. Der heutige Kunde der meist keine Lust hat sich vielleicht stundenlang mit einer Ihm relativ unbekannten Materie beschäftigen, muss über die Medien über die Vorteile dieser Beratung, um evtl. große Verluste zu vermeiden, überzeugt werden. Tausend Protokolle die extrem viel Zeitaufwand bedeuten treiben die Kunden geradezu ins Netz. Hier bewegen sich die Beamten, der Verbraucherschutz, Politiker und die Medien in einer Scheinwelt die mit der Realität des Tagesgeschäftsnichts gemein hat.
Allein die Erläuterungen eines Beratungsprotokolls mit allen Für und Wider, vor allem mit der Darstellung was alles im schlechtesten Fall passieren könnte, treibt den Kunden, der ja schon wenn er vor die Türe geht, von einem Meteoriten getroffen werden könnte dazu, im Netz mit a. o. a. Nachteilen tätig zu werden. Alle diese Regeln sind anachronistisch, mit solchen Regeln wären wir noch bei der Lochkarte. Als Anlage bliebe dann nur mehr eine Staatsanleihe über, die selbst von den schlechtesten Fonds in der Regel übertroffen wird.