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14. März 2016
„Die IT-Investitionen jedes Vermittlerbüros müssen sich verdoppeln oder verdreifachen“

„Die IT-Investitionen jedes Vermittlerbüros müssen sich verdoppeln oder verdreifachen“

Die Versicherungsbranche hat sich die Verbesserung der Arbeitsprozesse zwischen Versicherern und Maklerbüros auf die Fahne geschrieben. Es herrscht digitale Aufbruchstimmung. Funktionieren wird dies aber nur, wenn auch Maklerbüros mehr Geld in die IT investieren. Unterdessen eilen jedoch Start-ups mit neuen Ideen davon.

Die Ankündigungspolitik sei vorbei, sagte Andreas Vollmer, Vizepräsident des BVK, auf der Know-how-Börse der vfm-Gruppe, die in den vergangenen Tagen in Würzburg stattgefunden hat. Die Branche befinde sich in einer Digitalisierungsoffensive. Hinter den Kulissen wurden in den vergangenen Jahren die technischen Standards geschaffen, um die Arbeitsprozesse zwischen Versicherer und Vermittler zu verbessern. Nun ginge es darum, diese auch auf die Straße zu bringen. Das sei aber nur möglich, wenn die Maklerbüros die Veränderungen mittragen würden. Was in letzter Konsequenz laut Vollmer heißt: „Die IT-Investitionen jedes Vermittlerbüros müssen sich zumindest verdoppeln oder sogar verdreifachen im Vergleich zu den eher zaghaften Ausgaben der Vergangenheit.“ Gleiches gelte auch für die Versichererseite.

Und dort wurde in den vergangenen Jahren schon deutlich investiert. So erklärte Frank Kettnaker, Vorstand Vertrieb/Marketing im ALTE LEIPZIGER – HALLESCHE Konzern, in Würzburg, dass sein Unternehmen dort investiere, wo es um die Abwicklung des Beratungsgeschäfts gehe. Darüber hinaus auch in Tools, die die Zusammenarbeit mit Vermittlern erleichtern. Als Beispiel führte er an, dass man gerade die Videoberatung einführe. Diese nutzt die ERGO ebenfalls und Stephan Schinnenburg, Vertriebsvorstand im ERGO-Konzern, berichtete aus der Praxis, dass die Videoberatung zu steigenden Umsätzen bei den Vermittlern führt.

Maklerpost kommt nicht an

In einer gemeinsamen Podiumsdiskussion unter der Leitung von AssCompact Chefredakteurin Brigitte Horn bekam die „Alte Welt“ auch Anerkennung von dem Start-up-Gründer und Geschäftsführer der massUp GmbH Dominik Groenen. Er stelle fest, dass sehr viel passiere und die Unternehmen auf Hochtouren liefen. Zudem erkenne er auch viel Bereitschaft, mit Start-ups zusammenzuarbeiten. Stefan Liebig, Geschäftsführer der vfm-Gruppe und Gastgeber der Veranstaltung, zu der 400 Vermittler angereist waren, verwies dagegen darauf, dass in der Kommunikation mit Versicherern eben doch noch nicht alles rundlaufe. Noch immer käme Post nicht beim Vermittler an, was ihn oft gegenüber dem Kunden schlecht aussehen ließe. Sein Credo: „Wir brauchen alle Wege, um schneller in Interaktion mit dem Kunden zu kommen – auch, um schneller Geschäft machen zu können. Wir müssen betriebswirtschaftlich schlanker werden“.

Schinnenburg hielt dem entgegen, dass sich mit dem BiPRO-Standard die Umsetzung von Prozessen deutlich verbessert habe, mehr Schnittstellen geschaffen wurden und nun auch immer mehr Teilnehmer mitmachen würden. Kettnaker verwies auch auf das enorme Pensum, das die Versicherer in der Vergangenheit zu leisten hatten. Stetig neue rechtliche Anforderungen strapazierten die IT-Abteilungen. Da kann Groenen mit seinen Start-ups leichter agieren: Start-ups entstehen auf der grünen Wiese, ohne Altlasten, ohne Zulassungen. So konnte sein Unternehmen innerhalb kurzer Zeit eine Kooperation mit MLP samt BaFin-Prüfung in die Tat umsetzen. Auf deren Website werden nun Annexproduktversicherungen von massUp angeboten. Er glaubt, dass sich strategische Partnerschaften auch mit Versicherern leicht umsetzen lassen. Es gebe dafür offene Webservices und APIs (Application Programming Interfaces), also Schnittstellen – nur hätten Versicherer davon oft noch nichts gehört.

Start-ups mogeln sich in die Hosentasche der Kunden

Als Vertreter der Vermittler warnte Vollmer davor, dass sich Start-ups über die Smartphones in die Hosentaschen der Kunden mogeln würden. Allerdings zeigte er sich auch überzeugt davon, dass sie deshalb noch lange nicht das Vertrauen der Kunden hätten. Er sieht aber, dass von den Start-ups interessante Impulse ausgehen, wie man Prozesse verbessern kann – und diese auch intelligenter in Richtung Kunden einsetzen kann. Das sieht auch Liebig so. Er glaubt, dass der Kunde seine Versicherungen künftig online verwalten will und auch an Apps wie die zahlreicher Start-ups Gefallen finden wird. Allerdings frage er sich auch, wo hier die Regulierung bleibe, die jeder Vermittler erfüllen muss.

Situative Versicherungen vs. existenzielle Absicherung

Auch über die Veränderung von Produkten und der Beratung wurde in der Runde lebhaft diskutiert. So ist Groenen der Meinung, dass die Kunden situative Versicherungslösungen wollen. Ebenso eine Absicherung für neue Geschäftsmodelle wie Airbnb und Carsharing. Und künftig wäre es nun mal der Kunde, der entscheide, wann und wo er eine Versicherung benötige. Und die mobilen Geräte mit GPS und Ortungsdiensten würden es möglich machen, auch kurzfristig eine Versicherung – etwa beim Skifahren -abzuschließen. Skeptisch ist Vertriebsvorstand Kettnaker. Natürlich müsse man auch vom Kunden her denken, allerdings macht er sich auch Sorgen um das Kollektiv. Denn wer situativ abschließt, stellt ein größeres Risiko dar, der Schadenfall liegt näher wie bei einem Kunden, der langfristig seinen Bedarf über den Vermittler abdecke.

Liebig wünscht sich zwar flexiblere Lösungen, argumentiert aber, dass Kunden zuerst existenzielle Absicherungen haben müssten. Und Vollmer warnt: „Zum Schluss hat der Kunden seine Brille und sein iPad versichert wie auch sonstigen Kleinkram, aber er hat keine vernünftige Absicherung für sein Gebäude oder seine Arbeitskraft“. Das sei eine völlige Fehlleitung von Mitteln. Trotzdem könne man vielleicht einen Vorteil aus dieser Art Versicherungen ziehen, so Schinnenburg. Kaufen solle auch Spaß machen und wenn Kunden Gefallen an den situativen Versicherungsprodukten fänden, dann könnte dies auch eine positive Assoziation zu Versicherungen im Allgemeinen herstellen.

Abschließend waren sich die Diskutanten jedenfalls darin einig, dass die Digitalisierung 90% Chance und nur 10% Risiko sei. Ziel müsse es zuerst sein, die eigenen Routinen prozessual in den Griff zu bekommen und dann mit neuen Wegen in Richtung Kunden zu gehen – strategische Partnerschaften mit Start-ups durchaus eingeschlossen. (bh)