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13. Mai 2016
„Dividendenkürzungen können auch positiv sein“

„Dividendenkürzungen können auch positiv sein“

Jedes Jahr im April und Mai läuft in Dax & Co. die Hochsaison der Dividenden. Gerade wegen der Niedrigzinsen gewinnen die Ausschüttungen für Anleger vermehrt an Bedeutung. Doch wie wichtig ist eine hohe Dividendenrendite? Und welche Rolle spielt eine stabile Dividendenhistorie. Nachgefragt bei Karl Huber, Senior Portfolio Manager von Pioneer Investments.

Herr Huber, die Dividendensaison hat auch in diesem Jahr wieder viele Rekordausschüttungen und teils hohe Dividendenrenditen hervorgebracht. Wie wichtig ist die Dividende für Anleger?

Die Dividendenrendite ist für Anleger und speziell für einen Manager eines Dividendenfonds ein wichtiges Thema. Angesichts der gestiegenen Kurse war es im vergangenen Jahr zeitweise schwierig, gute Dividendenrenditen zu finden, insbesondere im zweiten Halbjahr. Da war das Universum teilweise deutlich geschrumpft – zumal Dividendentitel mit Qualität im Allgemeinen schon oft relativ teuer sind. Wenn der Markt an sich dann teuer wird, wird es umso schwerer qualitativ gute und dennoch attraktiv bewertete Dividendentitel zu finden.

Die Korrekturen in diesem Jahr kamen uns daher nicht ungelegen, weil man sich wieder günstiger in gute Dividendenrenditen einkaufen konnte. In den letzten Wochen haben wir wieder deutlich mehr Möglichkeiten für attraktive Dividendenrenditen in der Kombination mit Performancepotenzial gesehen. Die Anzahl der Titel mit attraktiven Dividendenrenditen hat sich in Europa durch die Kurskorrekturen gerade zu Jahresbeginn deutlich erhöht. Das Universum für „Dividendenjäger“ ist dadurch größer geworden. Bei einigen Schweizer Weltkonzernen gab es zum Beispiel plötzlich Dividendenrenditen von 3,8 statt 3,2%. So etwas kann spannend sein. Zudem sehen wir nach wie vor Dividendenwachstum. Leichtes Wachstum, aber Wachstum. Die Dividendensumme lag im letzten Jahr allein im Stoxx 600 bei über 300 Mrd. Euro.

Gibt es Branchen, die für Dividendeninvestoren besonders attraktiv sind?

Wir fokussieren uns nicht auf Sektoren. Die Sektoraufteilung geschieht Top-Down über Stock-Picking. Wichtig ist eine Balance zwischen Dividendenrendite und Kurschance. Hohe Dividendenrenditen nutzen bei stark fallenden Kursen schließlich wenig.

Trotz Einzelanalyse gibt es aber bestimmt Bereiche, in denen Sie überdurchschnittlich oft fündig werden …

Ja, aktuell zum Beispiel bei großen Pharmaunternehmen. Spannend ist aber auch der Finanzbereich. Einige Versicherungs-Aktien haben zum Beispiel korrigiert und sind interessant geworden. Gleiches gilt für die eine oder andere Bank. Die EZB hat schließlich einiges dafür getan, die Banken zu stabilisieren. Selbst im Industriebereich werden wir mittlerweile fündig, wo es für einen Dividendenfonds traditionell eher schwierig ist, Investments zu finden, die auch eine ordentliche Dividende zahlen. Natürlich gibt es da auch Risiken, aber die Kurse sind teilweise so stark unter Druck gekommen, dass teilweise sehr attraktive Dividendenrenditen zu finden sind. Wenn das mit guten Kursaussichten verbunden ist, sollte man sich in diese Dividendenrenditen einkaufen.

Wie wichtig ist die Dividendenrendite bei der Auswahl der Einzeltitel?

Für den Pioneer Funds – European Equity Target Income haben wir für 2016 einen Zielertrag von aktuell 6,75%. Dieses Ziel wollen wir unbedingt einhalten. Das muss zu einem guten Teil natürlich durch die Dividendenrendite geschehen. Sie ist damit für uns sehr wichtig.

Und wie wichtig ist die Dividendenhistorie?

Die konkrete Bedeutung einzelner Faktoren ist schwer und vor allem nicht allgemein festzulegen. Eine fundamentale Analyse ist immer das Zusammenspiel mehrerer Faktoren. Die Dividendenhistorie ist ein wichtiger Faktor, weil sie eine Aussage über die Stabilität gibt. Aber sie ist eben nur ein Faktor. E.on und RWE hatten bis vor einigen Jahren auch eine stabile Dividendenhistorie. Dann hat sich das Umfeld aber drastisch geändert. Mit hohen Dividenden ist zudem natürlich auch immer das Risiko verbunden, dass das Unternehmen die Dividende kürzen könnte. Dividendenkürzungen muss man aber auf zwei Ebenen betrachten: der Ertragsebene und der Performanceebene.

Auf der Ertragsebene kündigt das Unternehmen die Kürzung an. Bis zur Ausschüttung bleibt dabei immer noch Zeit. Geht es nur um den Ertrag, hat man noch Zeit zu reagieren, da die gekürzte Ausschüttung erst nach der nächsten Hauptversammlung erfolgt. Aus Ertragssicht sind Investoren somit in einer relativ komfortablen Situation.

Und wie sieht es bezüglich der Performance aus?

Für den Aktienkurs haben Ankündigungen von sinkenden Dividenden in der Regel stark negative Auswirkungen. Ein aktives Risikomanagement ist daher eminent wichtig – nicht nur für Dividendeninvestoren, sondern für alle Anleger.

Wie gehen Sie mit Dividendenkürzungen um?

Wenn man wie im Pioneer Funds – European Equity Target Income viele Titel mit hohen Dividendenrenditen im Portfolio hat, muss man die Gefahr einer Dividendenkürzung immer im Blick haben. In Europa lagen die Dividendenrückgänge nach der Lehman-Krise im Schnitt bei ca. 20%, während diese ansonsten in vorangegangenen Rezessionen im Schnitt bei ca. 6% lagen. Man kommt leider nicht darum herum, sich die Situation im Einzelnen sehr genau anzuschauen. Dividendenkürzungen können schließlich auch positiv sein. Wenn ein Unternehmen vielversprechend investieren kann und trotz Kürzung noch eine ordentliche Dividendenrendite von zum Beispiel über 3% hat, muss man nicht unbedingt aussteigen. Investitionen können sich langfristig mehr auszahlen, als eine Ausschüttung. Man muss also analysieren, ob die Kürzung positiv für das Unternehmen ist, oder nicht. Bei den Versorgern E.on und RWE hat man gesehen, dass es nicht immer sinnvoll ist, wenn Unternehmen eine Dividendenrendite zwanghaft hoch halten.

Wie wichtig ist vor diesem Hintergrund eine stabile Dividendenhistorie?

Wie viele andere Faktoren auch ist die Dividendenhistorie ein Hilfsmittel, das nützlich sein kann. Man darf einem Element aber keine zu große Bedeutung zukommen lassen, sondern muss immer ein ganzes Instrumentarium im Blick haben. Wichtig ist zum Beispiel auch, ob die Dividende durch die Gewinne des laufenden Geschäfts gedeckt ist, oder ob sie aus der Substanz gezahlt wird.

Hilfreich ist zudem zu analysieren, wie viele Dividendenkürzungen es bisher gegeben hat und welche Auswirkungen sie hatten. Trotz Einzelfallanalyse sollte zudem immer auf ein Portfolio von Dividenden-Aktien gestreut werden.

Sind Dividenden der bessere Zins oder gar die bessere Miete, wie sie mittlerweile regelmäßig bezeichnet werden?

Bei der Auflage des Pioneer Funds – European Equity Target Income dachten wir ja bereits, dass die Zinsen kaum noch sinken können und wollten mit dem Fonds eine Ertrags-Alternative für Anleger bieten. Wenn man sich die Entwicklung von Zinsen und Dividenden seither anschaut, hat sich der Unterschied weiter zugunsten der Dividenden entwickelt. Allerdings darf man die mit Aktien verbundenen Risiken nie vergessen. Nur Dividenden-Aktien zu kaufen wäre genauso falsch, wie alles auf Sparbüchern zu horten. Als Beimischung ist ein Portfolio an ausgewählten Dividenden-Aktien aber mit Sicherheit sinnvoll. (mh)