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Management & Vertrieb
15. August 2017
„Ein großer Hebel liegt bei der Digitalisierung der Bestandsprozesse“

„Ein großer Hebel liegt bei der Digitalisierung der Bestandsprozesse“

Allein den Vertriebsprozess zu digitalisieren, ist zu wenig, um die Haftungs- und Kostensituation im Maklerunternehmen zu verbessern. Die zeitsprung GmbH & Co. KG bietet zu diesem Zweck eine Maklerplattform an, die aufbauend auf den Erfahrungen des eigenen Maklerbetriebs entstanden ist, berichtet Geschäftsführer Marcel Hanselmann im AssCompact Interview.

Herr Hanselmann, wie weit sind die Versicherungsmaklerbüros in Sachen Digitalisierung?

Je nach Geschäftsmodell wird dies unterschiedlich schnell angegangen, wobei Vertriebsprozesse in einigen Bereichen tendenziell am weitesten fortgeschritten sind. Unsere Branche hat insbesondere Nachholbedarf in der Digitalisierung von Bestandsführungsprozessen.

Demnach halten sich Versicherungsmakler manchmal zu sehr mit den falschen Themen auf?

In Teilen schon. Die Situation ist doch, dass Mitarbeiter in Maklerhäusern viel zu oft mit nicht-wertschöpfenden, administrativen Aufgaben beschäftigt sind. Die Ursache ist oft, dass Bestandsprozesse wenig digitalisiert sind. Hinzu kommt, dass in margenschwachen Bereichen wie bei Komposit-Versicherungen für Privat- oder auch Kleingewerbekunden Makler ihre Bestände veralten lassen, da die laufenden Provisionen den hohen Aufwand für die notwendige Vertragspflege nicht rechtfertigen. Hieraus entstehen Haftungsrisiken. Im Markt besteht ein starker Fokus auf der Digitalisierung von Neugeschäftsprozessen. Dabei liegt gerade in den Bestandsprozessen ein großer Hebel zur Verbesserung der Kosten- und Haftungssituation.

Für Ihren hauseigenen Maklerbetrieb haben Sie aus diesen Erkenntnissen gelernt und eigene IT-Systeme entwickelt. Was waren oder sind hier die Schwerpunkte und wie hat das Unternehmen davon profitiert?

Unser Ziel war, in den vorhandenen Beständen durch Standardisierung und Digitalisierung von Arbeitsabläufen dauerhaft Kosten und Haftungsrisiken zu reduzieren. Es standen dabei aber nicht die Kundenschnittstelle, sondern die Abläufe im Backoffice im Vordergrund. Im privat- und kleingewerblichen Geschäft wurden viele Teile der Wertschöpfungskette automatisiert. Dadurch verwaltet sich ein Großteil der Verträge weitgehend von selbst, mit viel weniger Eingriffen eines Mitarbeiters. Durch die klar strukturierten und besser skalierbaren Prozesse konnten unsere Mitarbeiter bei höheren Bestandsvolumina bessere Servicedienstleistungen erbringen.

Seit einigen Jahren bieten Sie nun mit Gründung der zeitsprung GmbH & Co. KG Ihre IT-Lösungen Vertriebs- und Maklerkollegen an. Was beinhaltet das Angebot an dieser Stelle?

Wir betreiben eine Maklerplattform, die auf einer zentralen Datenbank mit den notwendigen Risiko-, Vertrags-, Schaden- und Produktinformationen basiert. Darauf bauen alle unsere Prozesse auf. Vollständig integriert sind Vergleichsrechner namhafter Anbieter für die Privat- und Gewerbesparten. Über den Dokumentenservice werden von über 50 Versicherern Dokumente digital bereitgestellt. Weiterhin können durch den GDV- und Extranet-Datenabruf regelmäßig plausible Bestandsdaten eingespielt werden. Unser Workflow-Modul bietet die Möglichkeit, auch fortlaufend die Vertragsanpassungen digital vorzunehmen.

Wie grenzt sich das Angebot von Maklerverwaltungsprogrammen, Vergleichsprogrammen oder anderen Softwarelösungen ab?

In unsere Software und Dienstleistungen lassen wir unser Know-how, das wir in unserem Schwesterunternehmen als Versicherungsmakler täglich aufs Neue überprüfen und erweitern, einfließen. Um eine weitgehende Automatisierung der Bestandsführung zu erreichen, setzen wir auf die Digitalisierung möglichst vieler zusammenhängender Teile der Wertschöpfungskette und nicht nur isolierter Elemente wie beispielsweise den Vertriebsprozess. Durch die Nutzung unserer Plattform erreicht der Makler, dass auch in den margenschwachen Bereichen seine Verträge, Risiko- und Bestandsinformationen mit überschaubarem Aufwand dauerhaft aktuell gehalten werden. Dies ist möglich, indem wir moderne webbasierte Technologien einsetzen und konsequent BiPRO-Standards zugrunde legen. Durch APIs können Makler auf Wunsch auch nur einzelne Services in ihrer vorhandenen Umgebung nutzen.

Gerne können Sie uns ein paar Beispiele nennen: Welche Lösungen haben Sie bereits in die Praxis umgesetzt?

Zum Beispiel haben wir Makler beim Kauf von Beständen begleitet. Der erworbene Bestand hatte so gut wie keine aktuellen Vertrags- und Risikoinformationen. Durch den Einsatz unserer Plattform konnte dieser digitalisiert und mit aktuellen Risikoinformationen bei wenigen Versicherern konsolidiert werden. Außerdem haben wir beispielsweise einem großen Finanzdienstleister geholfen, sein auf Berater fokussiertes und wenig automatisiertes Kfz-Geschäft in ein hauseigenes Servicecenter zu verlagern. Über unsere Softwarelösungen können heute die Kunden weitgehend automatisiert administriert werden. Aus dem ungeliebten Thema Kfz ist zwischenzeitlich ein echter Service-Mehrwert für die Kunden geworden. Des Weiteren nutzen Makler, Pools und andere Softwareanbieter unseren Dokumenten-Service, um die tägliche Eingangspost weitgehend zu digitalisieren.

Generell gilt für Sie: so offen wie möglich. Partnerschaften sind für Sie wichtig. Ist das ein Effekt, den Sie oder die Branche von den InsurTechs, die von außen in die Branche kommen, erst lernen mussten?

Unser Ansatzpunkt war schon immer, nicht alles selbst zu entwickeln, sondern gute Anbieter möglichst vollumfänglich in unsere Software zu integrieren, um dort die Prozesse zu verbessern. Wir bauen nur selbst, was es so am Markt noch nicht gibt. Sicherlich kann jeder von innovativen Anbietern lernen. Ansätze zur Kooperation gab es aber auch schon immer. Die Notwendigkeit zur Kooperation steigt jedoch kontinuierlich, da die Geschäftsmodelle zu vielfältig und die Herausforderungen, die die Digitalisierung mit sich bringt, zu groß sind. Wir sehen nicht, dass es ein Anbieter alleine richten kann.

Wie sieht es mit den Versicherern aus? Geht die Digitalisierung der Prozesse in der Zusammenarbeit mit Maklern – trotz Fortschritten – nicht noch zu langsam voran?

Als Softwareunternehmen wünschen wir uns natürlich schnelle Fortschritte. Wir merken aber auch, dass die Digitalisierung in letzter Zeit deutlich an Fahrt aufgenommen hat – auch durch BiPRO. Dennoch wurde eben lange Jahre zu wenig getan, weshalb viele Versicherer, die durchaus gewillt sind, Veränderungen herbeizuführen, erst alte IT-Strukturen modernisieren müssen. Dies nimmt Zeit in Anspruch.

In diesem Sinne bieten Sie Ihr Know-how auch Versicherern an. Inwiefern?

Schlecht gepflegte Bestände finden sich auch bei Versicherern. Sie haben oftmals eine Fülle von Tarifgenerationen in den einzelnen Sparten angesammelt. Zudem verfügen sie in der Regel über sehr wenige und nicht immer aktuelle Informationen über ihre Kunden. Versicherer nutzen uns für die Unterstützung bei der Umstellung eigener Bestände in den Ausschließlichkeitsorganisationen oder teilweise auch, um Maklerpartnern unsere Dienstleistungen anzubieten. Außerdem beraten wir in Fragen der BiPRO-Facharchitektur.

Gibt es für Sie denn auch Grenzen der Digitalisierung rund um die Versicherungsvermittlung?

Sicherlich kann heute noch nicht die gesamte Wertschöpfungskette vollständig digitalisiert werden. Aber letzten Endes ist Digitalisierung nichts anderes als die Automatisierung von standardisierbaren Prozessen mit dem Ziel, Qualität zu verbessern und Kosten zu senken. In der Zukunft wird sich mit Sicherheit auch das Kommunikationsverhalten ändern. Digitale Medien werden zunehmend, auch an der heute vielfach noch analogen Kundenschnittstelle, eingesetzt. Trotz dieser Entwicklung wird der persönliche Kontakt zum Kunden immer eine wichtige Rolle spielen, denn letzten Endes soll die Technik den Verkäufern und Mitarbeitern dienen, sich stärker auf die Beziehung zum Kunden konzentrieren zu können und nicht, um sie vollständig zu ersetzen.

Das Interview lesen Sie auch in AssCompact 08/2017, Seite 90 f.

 
Ein Artikel von
Marcel Hanselmann