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8. August 2014
„Ein Investmentführerschein würde die Beratung erleichtern“

„Ein Investmentführerschein würde die Beratung erleichtern“

Andreas Grünewald hat im April 2014 den Vorstandsvorsitz des Verbands unabhängiger Vermögensverwalter (VUV) übernommen. Im Gespräch mit AssCompact kritisiert er die zunehmende Regulierung der Finanzberatung als teilweise kontraproduktiv für den Verbraucherschutz. Statt für mehr Dokumentationspflichten setzt er sich unter anderem für die Einführung eines Investmentführerscheins ein.

Herr Grünewald, Sie sind seit einigen Monaten Vorstandsvorsitzender des VUV. Wie ist die aktuelle Lage und Stimmung unter den Verbandsmitgliedern?

So unterschiedlich wie unsere Mitglieder. Letztendlich ist die Lage aber geprägt von ständig zunehmenden aufsichtsrechtlichen Vorgaben. Es vergeht ja kaum ein Monat ohne, dass neue Regulierungsvorhaben diskutiert werden oder in Kraft treten. Das ist eine immense Herausforderung und mit einem enormen Arbeitsaufwand verbunden, denn viele der unabhängigen Vermögensverwalter haben lediglich 5 bis 20 Mitarbeiter. Wenn diese sich jeden Monat mit neuen Regulierungen auseinandersetzen müssen, haben Sie für andere Aufgaben naturgemäß weniger Zeit. Ein Ende der neuen Regulierungen ist zudem nicht in Sicht. Vor allem MiFID 2 wirft ja bereits seine Schatten voraus.

Hat sich der Verbraucherschutz durch die Regulierungen wie etwa die Dokumentationspflichten verbessert?

Leider nur in Teilbereichen, einzelne Maßnahmen sind sogar kontraproduktiv. Wir begrüßen ausdrücklich den Anlegerschutz und setzen uns dafür ein, dass – in Analogie zur Medizin nicht die Symptome immer zeit- und kostenintensiver bekämpft werden, sondern im Sinne aller Beteiligten vor allem eine bessere Vorsorge stattfindet. Der Zeitrahmen für die eigentlichen Aufgaben der Vermögensverwalter – die Erfassung der Kundenwünsche und das Erstellen eines passenden Portfolios – wird durch die stetig steigenden Regulierungsanforderungen immer kleiner. Dabei sind beide wesentliche Elemente des Verbraucherschutzes. Am Ende wirft man uns dann im Zweifel auch noch vor, dass wir uns durch die Dokumentationsblätter gegen Schadensansprüche absichern wollen. Das passt nicht zusammen. Einerseits sollen wir dokumentieren, andererseits würde die Dokumentation ohnehin nur uns nützen.

Allerdings ist das Finanzwissen der Deutschen bescheiden. In einer aktuellen Studie konnte rund die Hälfte nicht einmal drei ganz simple Finanzfragen beantworten. Ist Aufklärung da nicht zwingend notwendig?

Hier sind wird genau beim Thema Vorsorge. Aufklärung ist auf jeden Fall notwendig, aber nicht in jeder einzelnen Finanzberatung. Beim Autokauf wollen Sie auch nicht jedes Mal aufs Neue erklärt bekommen, wo Gas, Kupplung und Bremse sind und was Sie bei einer roten Ampel tun müssen. Vielmehr wollen Sie vom Autoverkäufer erfahren, welches Auto zu Ihnen passt und welche Unterschiede es zu den Autos anderer Hersteller gibt. Und genauso sollten Finanzberater und Vermögensverwalter nicht erst erklären müssen, was Aktien, Anleihen oder Fonds überhaupt sind und welche Chancen und Risiken damit grundsätzlich verbunden sind. Dies muss auch im Rahmen der immer wichtigeren privaten Altersvorsorge zum Grundwissen gehören.

Wie könnte man die finanzielle Bildung verbessern?

Die mangelhafte ökonomische Bildung zu beheben wäre unter anderem Aufgabe des Staates. Ein Schulfach Finanzwissen oder zumindest regelmäßige Schulstunden zu diesem Thema würden Verbraucher deutlich besser schützen, als Dokumentationspflichten, die viele Verbraucher am Ende sogar abschrecken. Leider ist bei allen Reformbemühungen des deutschen Schulsystems von einer Verbesserung des Finanzwissens allerdings keine Rede. Einige unserer Verbandsmitglieder und der VuV selbst haben aber bereits Eigeninitiative ergriffen und bieten den Schulen entsprechende Vorträge an.

Letztlich wäre es natürlich auch wichtig, dass Eltern das Finanzwissen vermitteln. Oft heißt es hierzulande leider noch: Über Geld spricht man nicht. Hier muss ein anderes Bewusstsein geschaffen werden. Über Geld muss man sprechen, denn es wird immer wieder schwarze Schafe geben, die Unwissenheit ausnutzen. Und das wird dann in der Regel teuer.

So fordern ja sogar einen Investmentführerschein: Ist das umsetzbar und nicht einfach nur noch mehr Bürokratie?

Das wäre auf jeden Fall umsetzbar und würde keinesfalls nur für noch mehr Bürokratie sorgen. Mit einem vorhandenen Investmentführerschein müsste man in der Beratung nicht jedes Mal wieder beim absoluten Basiswissen anfangen. Das erleichtert somit die Beratung und senkt entsprechend im Sinne des Anlegers die Mindestanlagesumme und schafft wieder mehr Zeit für die eigentliche Vermögensverwaltung. (mh)