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8. September 2016
„Ein Volk, das keine Kinder haben will, will auch keine Aktien“

„Ein Volk, das keine Kinder haben will, will auch keine Aktien“

Aktien haben sich auch in diesem Jahr wieder sehr schwankungsanfällig präsentiert. Scharfen Korrekturen folgten stets wieder Kurserholungen. Die Deutschen schreckt das offenbar weiter ab. Dr. Christoph Bruns, Vorstand und Fondsmanager der Loys AG, versteht im AssCompact-Interview die Gründe für den Aktienpessimismus der Bundesbürger. Die Fakten sprächen aber mehr denn je für Aktien.

Herr Dr. Bruns, Sie gelten traditionell als großer Freund der Aktie. Haben Sie die Kurserholungen der letzten Wochen in Ihrer „Aktienliebe“ bestätigt?

Nun ja, zunächst einmal sollte man mit dem Begriff Liebe bei Aktien vorsichtig sein. Die Aktie braucht keine Freundschaft oder gar Liebe. Sie ist schließlich keine Herzensangelegenheit, sondern eine Geistesangelegenheit. Wenn das Ziel langfristig Vermögensaufbau lautet, gibt es keinen klügeren Weg, als sich an der Wirtschaft zu beteiligen. Und das Instrument, das uns hierfür gegeben wurde, ist die Aktie. Das hat nichts mit Liebe und Freundschaft zu tun, sondern mit Überzeugung. Und Letztere ist leicht zu belegen.

Wodurch?

Ich werde nächstes Jahr 50. Vergleichen Sie mal, was das Klügste war, was man in diesem Zeitraum hätte machen können. Weder Staatsanleihen – die sich ganz exzellent entwickelt haben – noch Währungen oder Rohstoffe konnten mit der Beteiligung an der Wirtschaft in Form von Aktien mithalten. Meine Überzeugung basiert daher auf Fakten und nicht auf Gefühlen.

Haben sich die Zeiten aber nicht geändert?

Die Zeiten haben sich natürlich geändert. In den letzten 50 Jahren hatte die Aktienanlage noch einen sehr starken und maßgeblichen Wettbewerber: die Anleihe. Dieser Wett­bewerber bringt aber heute nichts mehr. Bei Anleihen kann es nur noch Ärger geben, da es im sicheren Bereich keinen Kupon mehr gibt. Mit Blick auf die nächsten 50 Jahre sind die Aussichten für die Aktienanlage daher unverändert. Beim Hauptwettbewerber sieht es hingegen viel schlechter aus als früher.

Haben sich nicht auch bei Aktien die Bedingungen geändert?

Unternehmen werden auch in Zukunft wachsen und Geld verdienen wollen. Es gibt auf der Welt hinreichend Drang, neue Dinge zu erfinden, weil man damit richtig reich werden kann. Ich sehe keinen Grund, warum sich die Wirtschaft diesmal nicht fangen und etwas Neues entwickeln wird.

Bei Ölkonzernen prognostizieren einige Experten das Ende des Geschäftsmodells. Im Loys Global ist BP hingegen die Top-Position. Warum ist die Skepsis gegenüber Ölkonzernen übertrieben?

Öl ist seit jeher zyklisch. Das ist nicht dramatisch, sondern ergibt immer wieder Kaufchancen – und die muss man annehmen. Die globale Energienachfrage steigt nach wie vor. Natürlich ändert sich der Energiemix. Erdgas hat davon aber zum Beispiel sogar profitiert. Die Nachfrage ist um 7% gestiegen. Und Erdgas ist bekanntlich auch fossil. Zudem wird die Mobilität auch in den nächsten 30 bis 50 Jahren nicht ohne Öl auskommen. Zur Massenversorgung taugt die Elektromobilität noch lange nicht.

Zuletzt haben Öl-Aktien daher auch wieder zugelegt. Wie lief das Jahr insgesamt für den Loys Global?

Im Grunde ist es bisher ein gutes Jahr gewesen. Es könnte noch besser laufen, wenn der Dollar schwächeln würde. Wir haben uns zwar viel zu früh in Öl-Aktien positioniert, das hat sich im Laufe des Jahres aber zum Vorteil entwickelt. Im August stand so schon ein Plus von rund 4%. Der kleine Bruder Loys Global MH ist sogar über 11% im Plus. Und das Jahr ist ja auch noch lange nicht zu Ende und wir blicken optimistisch auf den Rest des Jahres.

Die Deutschen teilen Ihren Optimismus für Aktien angesichts der anhaltend niedrigen Aktienquoten nicht. Wie erklären Sie die deutsche Aktienskepsis?

Der Grundpessimismus ist historisch erklärbar. Hans Magnus Enzensberger hat in diesem Zusammenhang vom Ritualvolk gesprochen, das ständig mit Bedauern nach hinten schaut und daraus auf eine schlechte Zukunft schließt. Die Kenntnis der und das Bewusstsein für die Vergangenheit ist zwar gut. Wir müssen das Leben aber doch nach vorne und nicht nach hinten gestalten. Der Grundpessimismus hat nicht nur Folgen für die Bevölkerung im Allgemeinen, sondern auch für ihre Finanzen. Ein Volk, das keine Kinder haben will, will auch keine Aktien besitzen – denn für beides braucht man Optimismus.

Viele Anleger sind aber wegen der zahlreichen Krisen und Anschläge der vergangenen Monate verunsichert …

Der Eindruck, dass gerade alles dem Ende zugeht, ist eine völlige Täuschung. Durch die Entwicklung der Medien entfaltet sich nur jede negative Nachricht sofort global. Die Geschichtsbücher sind voll von Kriegen, Seuchen, Ruinen und Überfällen. Gerade in Deutschland haben sich doch in den vergangenen Jahren aber auch viele Dinge dramatisch verbessert. Deutschland ist eines der reichsten Länder der Welt. Natürlich gibt es auch hier Probleme. Die Deutschen sind aber zu sehr in ihrem Pessimismus gefangen. Wer nicht die Kraft hat, in Aktien zu sparen, der sollte sein Geld ausgeben, denn die einzige Alternative zur Aktienanlage ist heute der Konsum.

Wie viel Aktienanteil braucht man als Anleger heute? Gilt die alte Faustformel 100 minus Alter noch?

Auch hier hat sich die Welt geändert. Die Menschen werden in einem Land wie Deutschland heute im Schnitt 85, Tendenz steigend. Man kann deshalb mit 60 noch anfangen zu investieren. Es gibt zudem, wie gesagt, keinen Zins mehr. Man braucht also heute null Zins­anlagen. Die Aktienquoten müssten deshalb heute noch größer sein als bei dieser heuristischen Formel. Wichtig ist dabei aber, das Aktienvermögen breit und konservativ zu streuen.

2016 war dennoch wieder sehr volatil. Ist das die neue Normalität an den Finanzmärkten?

2016 gleicht einem Fußballspiel. Wir lagen gleich nach Anpfiff weit zurück. Zur Halbzeit hin wurde es deutlich besser. Ende der Halbzeit kam dann der Brexit-Rückschlag. Kommentatoren haben versucht, daraus einen harten Zweikampf zu machen. Tatsächlich hatte der Markt aber nur zwei, drei Tage schlechte Laune angenommen, weil man über die Entscheidung der Briten verwirrt war. Ich finde sie auch nicht besonders klug, aber so ist das eben, wenn man Völker abstimmen lässt. Das Volk irrt manchmal.

Könnte es bei den US-Wahlen im Herbst einen ähnlichen Irrtum geben?

Alles ist möglich. Wenn das Volk erst einmal in Laune gerät, muss nicht zwingend eine rationale Entscheidung herauskommen. Da können Dinge wie Stolz und Nationalgefühl die Oberhand gewinnen. Wir Deutsche haben auch schon mal für den totalen Krieg gestimmt. Das große Anlagethema sind aber nicht politische Entwicklungen wie in der Türkei oder die Flüchtlingskrise. Auch nicht die Terroranschläge in Belgien, Frankreich oder Deutschland. Das sind alles wichtige und tragische Einzelthemen. Sie ändern aber nichts daran, dass die Anleger umschichten müssen. Anleger müssen raus aus Zinsanleihen, denn diese werden bald Strafzinsen tragen. Das geht nicht mehr anders. Letztendlich wird das den Markt treiben.

Die Masse bleibt aber skeptisch. Kann diese Masse irren?

An der Börse liegt die Masse selten richtig. Wenn alle wüssten, dass es nach oben geht, hätten wir den Kursanstieg schon längst hinter uns. Der große Vorteil des Pessimismus ist, dass die meisten Menschen noch nicht ausreichend investiert sind – egal ob Privatanleger, Pensionsfonds, Lebensversicherungen oder auch Stiftungen. Sollte sich ein Teil des Geldes in Bewegung setzen, kann es im Grunde nur in Richtung Aktie gehen, denn der Zinsmarkt funktioniert nicht mehr. Der Aktienmarkt hingegen funktioniert nach wie vor. Bei schlechten Nachrichten geht es wie seit jeher auch mal kräftig runter. Letztlich strebt er aber nach oben, weil Unternehmen wertvoller werden wollen.

Für Sie als Value-Investor sind solche Überreaktionen ohnehin der Nährboden für Outperformance ...

Das ist richtig. Es gibt aber auch noch einen zweiten Nährboden: den Trend zu Indexfonds. In diese ist viel Geld geflossen. Aber dieses Geld arbeitet nicht ökonomisch, denn es kauft rein nach Indexzugehörigkeit und Größe. Aktive Investoren investieren hingegen nach Attraktivität. Viele attraktive Titel findet man in der zweiten Reihe. Es kommt nicht von ungefähr, dass der MDax heute fast doppelt so hoch notiert wie der Dax. Die Aufmerksamkeit bekommt der Dax, die Rendite bringt der MDax. Wer auch mal gezielt in der zweiten und dritten Reihe sucht, hat viel bessere Möglichkeiten. Dieser Grundsatz hat sich durch die große Indexfondswelle zusätzlich verstärkt und spielt aktiven Fondsmanagern in die Karten.

 
Ein Artikel von
Dr. Christoph Bruns

Leserkommentare

Comments

Gespeichert von Wilfried Strassnig am 08. September 2016 - 09:30

Guter Artikel,
Kunden erreicht man allerdings nicht mit Finanzsprech "Kupon" .
Verstanden wird es nur über Berechnungsbeispiele.
Geht zwar nur im Backtest, aber ist mit Sicherheit ziehlführend.
Beispiel: Anlage monatlich € 500.- (nach Steuern,Basis € 350.-)
Staatsanleihe, Sparbuch , DAX, MSI World.
Zusätzlich die heutige Situation 0,5% "sichere Anlage" 6% evtl.
Aktie-immer mit Berechnungsbeispiel-der Kunde rechnet nicht selbst!!!
Schon gar nicht liest er ellenlange Fachberichte!
Damit erreicht man nur Verkäufer.