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23. Oktober 2018
„Es muss gewährleistet sein, dass Berater von ihrer Tätigkeit leben können“

„Es muss gewährleistet sein, dass Berater von ihrer Tätigkeit leben können“

Digitalisierung, Regulierung und Kostendruck verändern die Spielregeln der Finanzberatung. Berater und Vertriebe von Investmentfonds müssen in diesem Umfeld eine neue Mischung aus Mensch und Maschine finden. Gelingt das, werden Berater ein fester Bestandteil des Finanzvertriebs bleiben – meint Rudolf Geyer, Sprecher der Geschäftsführung von ebase.

Herr Geyer, ebase analysiert regelmäßig das Verhalten der deutschen Fondsanleger. Gab es diesbezüglich im ersten halben Jahr auffällige Trends?

Der Fondsvertrieb ist ein permanenter Prozess. Je nach Marktsituation werden einzelne Fondskategorien wie Aktien- oder Rentenfonds mal mehr, mal weniger nachgefragt. Auch die Berater beschäftigen sich laufend mit den jeweils aktuellen Marktthemen. Diesbezüglich gab es im ersten halben Jahr keine besonderen Auffälligkeiten. Man muss sich darüber hinaus jedoch grundsätzlich die Frage stellen, ob wir uns in einem Käufer- oder in einem Verkäufermarkt befinden.

In welchem davon befinden wir uns aktuell?

Der Fondsmarkt ist historisch gesehen ein sehr starker Verkäufermarkt. Das heißt, dass der Berater aktiv auf den Kunden zugehen muss, nur die wenigsten Kunden kommen aktiv auf den Berater zu. Jedoch ist hier Bewegung im Markt, wir sehen mittlerweile immer mehr Direktvertriebspartner und Online-Vertriebslösungen. Dadurch findet ein gewisser Wandel hin zu einem Käufermarkt statt. Kunden haben heute 1.000 Möglichkeiten, um sich selbst zu informieren und anschließend Fonds direkt zu kaufen. Erkennbar ist dies beispielsweise auch daran, dass ETFs deutlich an Bedeutung gewinnen.

Also hält der Trend zu passiven Investments an?

Vor drei, vier Jahren konnten viele Privatanleger mit dem Begriff ETF noch nicht viel anfangen. Das hat sich definitiv geändert. Für den Trend zu passiven Anlagen und speziell ETFs spielen vor allem zwei Aspekte eine wichtige Rolle: Zum einen ist das die Glaubensfrage aktiv versus passiv, zum anderen die Preisdiskussion. Letztere ist insbesondere vor dem Hintergrund von MiFID II in den Fokus gerückt. Dadurch werden ETFs auch von Vertrieben stärker mitgenommen – sofern sie ein entsprechendes ergänzendes Ertragsmodell haben.

Wie kann so ein Modell aussehen?

Das kann zum Beispiel die Umstellung auf Servicegebühren sein. Durch eine solche Umstellung des Ertragsmodells werden die Vermittler in ihrer Produktauswahl freier. Speziell in den letzten zwei Jahren haben solche Modelle deutlich an Relevanz gewonnen. Das war vom Gesetzgeber auch so gewünscht, da so für die Anleger scheinbar mehr Transparenz bei den Kosten entsteht. Dabei müssen die Kosten auf Produktseite mittlerweile ohnehin ex ante und ex post ausgewiesen werden. Die eigentliche Frage ist, ob der Anleger mit diesen ganzen Zahlen etwas anfangen kann und inwiefern sie sein Kaufver­halten beeinflussen.

Inwieweit hat ebase die Regulierung in den letzten Monaten beschäftigt?

Der zu leistende Aufwand war enorm. Wir und unsere angeschlossenen Partner waren pünktlich am 03.01.2018 bereit für MiFID II. Der ein oder andere am Markt musste zu diesem Zeitpunkt dagegen vielleicht noch ein bisschen nacharbeiten. Die Anpassung der letzten Feinheiten steht allerdings für alle Marktteilnehmer noch an. MiFID II hat schließlich noch an manchen Stellen Interpretationsspielraum gelassen. Die Überarbeitung der Finanzanlagenvermittlungsverordnung steht darüber hinaus auch noch komplett aus.

Welche Rolle spielen digitale Lösungen bei den regulatorischen Vorgaben?

Viele Themen lassen sich in einem digitalen Umfeld leichter lösen. Das wird neben der Anlage- auch auf der Versicherungsseite sehr deutlich. Viele Versicherer installieren digitale Prozesse oder Teilprozesse, um rechtssichere Abläufe zu gewährleisten. Im klassischen analogen Vertrieb von Investmentfonds ist das nicht anders. Es wird immer schwieriger, alle Schritte rechtssicher zu leisten. Zudem geht der zeitliche Aufwand dafür von der eigentlichen Aufgabe eines Anlageberaters, der Beratung der Kunden, ab.

Die in Zeiten anhaltender Niedrigzinsen ohnehin schwer genug ist …

Das kommt natürlich stark auf den Anlagehorizont des Kunden an. Je kürzer dieser ist, umso schwieriger ist es heute, attraktive Anlagemöglichkeiten zu finden. Ist der Anlagehorizont dagegen nicht so kurz, ist eine vernünftige Kapitalanlage weiterhin möglich. Gleichwohl dürften standardisierte Produkte wie ETF-Vermögensverwaltungen oder Robo-Advisor an Bedeutung gewinnen. Denn der Vermittler muss grundsätzlich darauf achten, dass er sich in Sachen Haftung nicht zu weit aus dem Fenster lehnt. Die Bewährungsprobe kommt dabei immer dann, wenn der Markt nach unten geht. In den letzten Jahren konnte es nicht so viele Kunden geben, die sich wegen einer schlechten Performance beschweren konnten. Der Markt ging ja mehr oder weniger kontinuierlich nach oben. Wenn es aber an den Märkten kracht, sehen sich einige wieder versucht, eine angebliche Falschberatung anzumahnen.

Solche Risikophasen günstig zu managen, ist das Ziel vieler Robo-Advisor. ebase setzt mit fintego selbst auf dieses Pferd. Ist das wirklich die Lösung der Zukunft?

Wir sind mit fintego 2014 als einer der ersten Anbieter mit einem Robo an den Markt gegangen. Damals haben wir noch von regelbasierter Anlage gesprochen, die wir technisch unterstützen. Der Begriff Robo kam erst später auf. Darunter subsummierten sich zunächst verschiedene Geschäftsmodelle. Mittlerweile kristallisiert sich heraus, dass damit ein Vermögensverwaltungsprodukt gemeint ist. Der Kunde erteilt einem Vermögensverwalter ein Mandat, das mit technischer Unterstützung umgesetzt wird. Aus Kostengründen setzen die meisten Robos zudem auf passive Produkte wie ETFs. Insgesamt hat der rasche Bedeutungsgewinn der Robo-Advisor einen völlig neuen Mix von Mensch und Maschine zur Folge.

Droht der Faktor Mensch in der Finanzberatung also nicht komplett durch Maschinen ersetzt zu werden?

Das sehe ich überhaupt nicht. Die rund 30 Robo Advisor, die am deutschen Markt tätig sind, haben sich in der Regel recht schnell von ihrer Idee verabschiedet, nur online mit den Kunden in Kontakt zu treten. Der Faktor Mensch wird auch hier mittlerweile wieder stärker ins Spiel gebracht – was durchaus vernünftig ist. Auf diese Weise kommt man den Vorstellungen des durchschnittlichen deutschen Privatanlegers wieder ein Stückchen näher. Ein gut austarierter Mix zwischen Mensch und Maschine ist der goldene Mittelweg. Ein guter Anteil der Maschine ist notwendig, damit der Preis des Angebotes durch die Automatisierung stimmen kann. Aber wenn der Faktor Mensch an der richtigen Stelle eingesetzt wird, trägt dies insgesamt zum Erfolg dieser neuen Formen der Geldanlage bei.

Schaffen die günstigen Produkte am Ende den Spielraum für Gebühren für den Faktor Mensch in der Beratung?

Noch haben sich die meisten Vertriebe nicht auf ein finales Vergütungsmodell geeinigt. Aktuell befinden wir uns in einer Übergangsphase. Auch das Fehlen der neuen Finanzanlagenvermittlungsverordnung kommt hier zum Tragen. Je nachdem, wie sich die Inhalte der neuen Verordnung darstellen, werden sich die Vertriebe nach und nach darauf einstellen. Sie müssen eine Mitte zwischen dem, was sie regulatorisch leisten müssen, und dem, wie sie die Bedürfnisse ihrer Kunden am besten abdecken, finden. Dabei muss gewährleistet sein, dass auch die Berater von ihrer Tätigkeit leben können.

Wird sich bei einer schwierigen Phase auch bei den Robos die Spreu vom Weizen trennen?

Das dürfte sicherlich der Fall sein. Zunächst ist es aber notwendig, dass es verlässliche Reports über die Qualität der verschiedenen Robo-Advisor gibt. Es braucht einen gewissen Standard, um eine Vergleichbarkeit der verschiedenen Angebote und speziell auch deren Wertentwicklung herzustellen. Insbesondere bei der Erschließung neuer Kundengruppen ist das auch ein wichtiger Faktor. Denn die meisten Robos wurden ursprünglich für den normalen Retail-Kunden gebaut. Wir haben in letzter Zeit aber festgestellt, dass die Nachfrage auch seitens der Unternehmen zunimmt. Hier geht es sowohl um die Anlage von Betriebsvermögen als auch um die bAV. Beispielsweise haben wir erste Anfragen, ob ein Robo-Advisor als Rückdeckung in der betrieblichen Altersvorsorge eingesetzt werden kann.

Dieses Interview ist ursprünglich erschienen in AssCompact 10/2018. Das vollständige E-Paper der Ausgabe finden Sie hier.

 
Ein Artikel von
Rudolf Geyer