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Sonderthema Erschließung von Kundengruppen
11. Februar 2016
„Frauen benötigen keine Tupper-Partys, sondern anspruchsvolle Beratung“

„Frauen benötigen keine Tupper-Partys, sondern anspruchsvolle Beratung“

Finanzberatung für Frauen bedeutet ein klares Commitment. So konzentriert sich die FrauenFinanzBeratung Barbara Rojahn vollständig auf diese Zielgruppe. Dabei nimmt das Maklerunternehmen aber auch seine Kundinnen in die Pflicht.

Interview mit Barbara Rojahn, Geschäftsführerin der FrauenFinanzBeratung Barbara Rojahn GmbH & Co.KG

Frau Rojahn, für Sie ist die Beratung von Frauen alltäglich. Was würden Sie aber jemandem raten, der oder die sich die Kundengruppe „Frauen“ erschließen will?

Die Kundengruppe Frauen sollte sich nicht ein Mann erschließen, sondern eine Frau, weil die Beratung von „Frau zu Frau“ der Weg ist. Warum? Weil Frauen die Bedürfnisse und Lebensläufe von Frauen am besten verstehen und nachvollziehen können. Hinzu kommt, dass sich Frauen bei einer Beraterin eher trauen, Fragen zu stellen. Es ist so wichtig, dass die Kundin versteht, mit welchen Bausteinen ihre Versorgungslücken geschlossen werden können bzw. wie sie Vermögen aufbauen kann. Leider ist es immer noch so, dass sich Frauen mit dem Fachchinesisch von Männern überrollt fühlen. Folge ist: Entweder sie treffen keine Entscheidung oder sie entscheiden sich für Dinge, die sie nicht verstehen, später bereuen und dann rückgängig machen. Natürlich gilt diese Aussage nicht für alle Frauen, aber für sehr viele.

Wie starte ich nun eine Frauenfinanzberatung? Wichtig ist die Entscheidung für die Zielgruppe Frauen. Und bei dieser Entscheidung sollte die Beraterin auch bleiben. Der zweite wichtige Punkt ist ein Plan: Wie erschließe ich mir einen Kundinnenstamm? Wie möchte eine Frau beraten werden? Welche Bedürfnisse und Wünsche haben Frauen? Bin ich selbst ein Mensch, der zuhören kann? Über welche Frauennetzwerke kann ich potenzielle Kundinnen ansprechen? Kann ich mir bei den FinanzFachFrauen Unterstützung holen?

Welche Voraussetzungen struktureller Art muss ein Vermittlerbüro schaffen, das sich dieser Kundengruppe annimmt, und was muss es langfristig gewährleisten?

Wichtig ist, dass die Frauen ins Büro kommen und nicht zu Hause beraten werden, denn in den eigenen vier Wänden gibt es zu viel Ablenkung durch Kinder, Telefon usw. Ein zweiter wichtiger Punkt ist, dass detaillierte Unterlagen für eine gute Vorbereitung des Gespräches verschickt werden und vorher vonseiten der Beraterin kommuniziert wird, dass ein Gespräch nur effektiv und zielbringend ist, wenn die Frau zu Hause ihre Unterlagen zusammenstellt. Wir möchten im Gespräch keine Zeit verschwenden mit dem Aufschreiben von Telefonnummern, E-Mail-Adressen und Steuernummern, auch nicht mit dem Zusammensuchen von Unterlagen, sondern wir möchten die Zeit für die echte Beratung nützen. So sind etwa 95% unserer Kundinnen sehr gut auf die Gespräche vorbereitet.

Unsere Beratungen erfolgen in der Zeit von 09:00 Uhr bis 17:00 Uhr (letzter Termin), und zwar von Montag bis Freitag. Viele Frauen nehmen sich auch mal einen halben oder ganzen Tag Urlaub, weil ihnen die Beratung wichtig ist. Kinderbetreuung bieten wir nicht an. Frauen benötigen keine speziellen Frauenprodukte, sie benötigen genau wie Männer flexible Produkte. Langfristig muss gewährleistet sein, dass die Kundin vom Team der FrauenFinanzBeratung in jeder Lebensphase gut betreut wird. Das ist nur möglich, wenn im Büro qualifizierter junger Nachwuchs aufgebaut wird.

Wo sind die Knackpunkte in der Beratung von Frauen?

Ein Knackpunkt ist, dass die Beraterin definitiv bei dieser Zielgruppe bleibt und das nach außen auch kommuniziert. Natürlich gehört die Beratung der Familie oder des Lebenspartners dazu. Außerdem muss die Beraterin viel Geduld haben, denn die meisten Frauen entscheiden deutlich langsamer als Männer, bleiben aber lange der Beraterin verbunden und können sich auch bedanken. Da heißt es zum Beispiel schon mal: „Vielen Dank, Frau Rojahn, dass Sie 2015 so gut auf mein Geld aufgepasst haben.“ Frauen mögen es nicht, wenn sie unter Druck gesetzt und aus irgendwelchen fadenscheinigen Gründen zum Abschluss eines Vertrages gedrängt werden.

Wie schätzen Sie das Potenzial der Zielgruppe Frauen ein?

Das Potenzial der Zielgruppe Frauen ist sehr hoch. Wir merken das bei unserer jährlich steigenden Nachfrage nach Beratungen. Die Nachfrage wächst aber nur, wenn die Kundinnen mit der Beratung zufrieden sind, denn dann wird die Beraterin im Freundes-, Familien- und Kolleginnenkreis weiterempfohlen. Frauen reden über ihren Friseur, über ihren Gynäkologen und ihre Finanzberaterin, aber nur wenn sie mit diesen zufrieden sind.

Gibt es spezielle Marketingmaßnahmen, die hier besonders erfolgsversprechend sind?

Die beste „Marketingmaßnahme“ ist die Weiterempfehlung durch unsere Kundinnen, die bereits einen Beratungstermin hatten oder eine Kundenveranstaltung besucht haben. Ansonsten sind Maßnahmen im Social-Media-Bereich zu empfehlen, die auf die Bedürfnisse der Zielgruppe Frauen eingehen und Interesse wecken. Wichtig sind außerdem eine gute Website und Vorträge bei Frauennetzwerken sowie möglicherweise die Gründung von Aktienclubs für Frauen.

Wir haben das Gefühl, dass man vor fünf Jahren vermehrt auf die Kundengruppe gesehen hat. Ist sie heute wieder aus den Augen der Finanz- und Versicherungswirtschaft verschwunden? Oder gibt es sogar wieder einen gesellschaftlichen Wandel, der hier dahintersteckt?

Der Eindruck ist falsch. Ich glaube nicht, dass die Kundengruppe „Frauen“ verschwunden ist, weil die Zahlen deutlich dagegen sprechen. Was wir tatsächlich nicht brauchen, sind spezielle Produkte für Frauen aus der Finanz- und Versicherungswirtschaft. Wir benötigen auch keine „Tupper-Partys“ für Frauen, bei denen Finanzprodukte verkauft werden, sondern wir brauchen eine anspruchsvolle Beratung für diese Kundengruppe, bei der auf die individuelle Lebenssituation, auf die Wünsche und Ziele der Kundin eingegangen wird.

Meines Erachtens gibt es keinen gesellschaftlichen Wandel, denn unsere Beratung wird von Frauen jeden Alters nachgefragt. Wir bemerken sogar, dass immer mehr junge Frauen – auch unter 30 – zu uns kommen und sich beraten lassen. Das freut uns besonders, weil es heute wichtiger denn je ist, dass Frauen finanziell auf eigenen Beinen stehen.

Das Interview lesen Sie auch in AssCompact 02/2016, Seite 80f.

 
Ein Artikel von
Barbara Rojahn