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07/2015
21. Juli 2015
„Gesetzgeber hat für Versicherungsmakler so gut wie keine Rechte manifestiert“

„Gesetzgeber hat für Versicherungsmakler so gut wie keine Rechte manifestiert“

Die IGVM sorgt seit Gründung vor sieben Jahren immer dann für Aufsehen, wenn sie eine Benachteiligung oder Bevormundung von Versicherungsmaklern ausmacht. Dabei geht sie gleichermaßen mit Versicherern, Institutionen und wenn nötig auch mit dem eigenen Berufsstand hart ins Gericht.
Interview mit Wilfried E. Simon, 1. stellvertretender Vorsitzender der Interessengemeinschaft Deutscher Versicherungsmakler e.V. (IGVM)

Der Berufsstand Versicherungsmakler hat durch die Regulierung ein klares Profil erhalten. Sieht man sich die Praxis an, weicht das Profil doch häufig auf. Wie sieht Ihr Bild des Versicherungsmaklers aus?

Versicherungsmakler gehören nicht, wie häufig fälschlicherweise angenommen wird, zum Vertrieb der Versicherungswirtschaft. Nach der Legaldefinition des § 59 Abs. 3 VVG, stehen sie im Lager der Versicherungsnehmer und nehmen deren ­Interessen wahr. Es gibt einige Versicherer, die versuchen, Versicherungsmakler wie gebundene Versicherungsvertreter zu behandeln, und das geht nicht. Einige Versicherer müssen noch lernen, Versicherungsmakler so gegenüberzutreten, wie die es verdienen, nämlich als Geschäftspartner auf Augenhöhe.

Die IGVM wurde 2008 gegründet, weil die Mitgründer die Rechte der Versicherungsmakler nicht ausreichend vertreten sahen. Welche Rechte sehen die Mitglieder denn insbesondere in Gefahr?

Man muss ernüchternd feststellen, dass Versicherungsmakler weder durch Gesetze, noch durch Verordnungen so gut wie keine Rechte haben. Der Gesetzgeber und die Gerichte bürden diesem Berufsstand umfangreiche Pflichten auf, denen jedoch so gut wie keine Rechte gegenüberstehen. Ähnlich verfahren viele Versicherer, und dies beginnt bereits mit den Courtagevereinbarungen. Völlig einseitig versuchen Versicherer darin, eigene Pflichten auf Versicherungsmakler abzuwälzen, während per Vertrag Handelsbräuche und Gewohnheitsrechte ausgehebelt werden sollen. Dem tritt die IGVM entschieden entgegen, engagiert sich politisch in Brüssel und Berlin und sucht durch Gespräche mit den Versicherern einen ausgewogenen Konsens zu erreichen. Inzwischen kommen Versicherer im Vorfeld auf uns zu und holen unsere Expertenmeinungen ein, bevor sie aktiv werden. Das sollten sich viele Versicherer zum Vorbild nehmen.

Sie haben insbesondere in Bezug auf GDV-Kodex, LVRG und entsprechende Courtagenachträge scharf reagiert. Letztes Jahr haben Sie dann einen eigenen Kodex erstellt. Was ist darin anders und wird der Kodex von den Versicherern in der Breite akzeptiert?

Versicherungsmakler gehören nicht zur Versicherungswirtschaft. Deshalb kann dessen Berufsverband GDV in seinen Kodizes auch keine Verpflichtungen für unabhängige Versicherungsmakler vorsehen. In der täglichen Praxis erleben wir eklatante Verstöße der Versicherer ­gegen beide Kodizes der Versicherungswirtschaft. Weder können Wirtschaftsprüfer die Einhaltung der Selbstverpflichtungen überprüfen noch können bekannte Verstöße sanktioniert werden. Alles bleibt bei vielen Versicherern somit wie bisher, nach dem Motto: „Was stört mich mein Geschwätz von gestern.“

Dass Versicherungsmakler ihre gesetzlichen Pflichten kennen und beachten, setzen wir bei unseren Mitgliedern voraus. Anders als beim GDV gehen wir jedoch bei Kenntnis von Verstößen gegen diese Pflichten eingehenden Beschwerden nach und verhängen auch verbandsinterne Strafen bis hin zum möglichen Ausschluss aus dem Verband. Auch ­unsere Mitglieder verpflichten sich zur stetigen Fortbildung. Zweimal pro Jahr veranstaltet die IGVM Versicherungsmakler-Foren mit hochkarätigen Referenten zu Rechts- und Praxisfragen, und dies zu Selbstkosten. Die nächste Veranstaltung findet statt am 24. und 25.09.2015 in Kassel-Espenau. Der IGVM-Kodex wird anstelle des GDV- bzw. des Basiskodex inzwischen von den Versicherern akzeptiert.

Während die Bezüge der angestellten Mitarbeiter der Versicherer angehoben werden – was ihnen gegönnt sei –, ­werden LV-Courtagen teils über 40% gekürzt, bei Stornohaftzeiten von bis zu acht Jahren. Versicherungsmakler erhalten ihre Vergütung, für die sie gearbeitet haben, also über acht Jahre auf Kredit und sollen ihre Courtagen bei Fehlern der Versicherer auch noch vollständig verlieren – als Beispiel sei das Widerspruchsrecht wegen unzureichender Belehrungen genannt. Was denken sich verantwortliche Juristen dabei, wenn sie solche Bedingungen einseitig zum Nachteil der Versicherungsmakler in die Nachträge zu den Courtagevereinbarungen schreiben und die Vertriebsvorstände einen solchen Schwachsinn auch noch abnicken? Möglichst alle Risiken auf Versicherungsmakler abwälzen, auch das geht absolut nicht. Hiergegen müssten sich alle Vermittlerverbände eigentlich geschlossen zur Wehr setzen.

Sie versuchen auch – soweit wir das verstanden haben –, weitere Rechte mit Blick auf die Gewerbeordnung zu erwirken. Wollen Sie „Mehrfachregistrierungen“ erreichen, um ­Versicherungsmaklern verschiedene Vergütungsmöglichkeiten – Honorar, Servicegebühren und Courtage – zu eröffnen?

Bisher hat der Gesetzgeber für Versicherungsmakler ja so gut wie keine Rechte manifestiert. Wie zuvor bereits angesprochen, darf es nicht sein, dass Versicherungsmakler zeitintensiv umfassend beraten und den Markt analysieren (müssen), um bedarfs- und risikogerecht beraten zu können, dafür aber kein Entgelt berechnen dürfen, wenn Interessenten dann zum Beispiel gut beraten ihre Verträge im Internet abschließen. Die herrschende Meinung geht davon aus, dass gegenüber Verbrauchern kein Honorar in Rechnung gestellt werden darf. Bei der IGVM sind wir auch diesbezüglich anderer Meinung. Wir sehen dies als ungerechtfertigten Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit nach Art. 12 i. V. m. Art. 19 GG an. ­Jedem Versicherungsmakler steht das Grundrecht zu, die Vergütung für seine Arbeit selbst festzulegen, so auch das BVerfG in ständiger Rechtsprechung zu Art. 12 GG. Einige IHKn vertreten jedoch eine andere Auffassung und verweigern eine Doppelerlaubnis ohne rechtfertigende Gründe, worüber zurzeit das OVG Berlin-Brandenburg zu entscheiden hat. Die einschlägigen Bestimmungen in der GewO verstoßen   O nach unserer Rechtsauffassung sowohl gegen das Grundgesetz als auch gegen europäische Grundrechte.

Einige Marktteilnehmer haben überrascht reagiert, dass Sie für verpflichtende Nettotarife eintreten. Verwischt hier allmählich auch das Profil des Versicherungsmaklers?

Absolut nicht. Wir treten dafür ein, dass Nettopolicen neben dem bewährten Courtagemodell von allen Versicherern ­bereitgestellt werden (müssen), wenn Versicherungsmakler diese anfordern. Wir möchten das Courtagemodell nicht durch Nettopolicen ersetzen; dies haben einige Marktteilnehmer völlig falsch verstanden. Mit diesem „ersten Schritt“ bewegen wir uns in Richtung guter alter Zeiten zurück. Nach dem Allgemeinen Preußischen Landrecht waren Versicherungsmakler vereidigte Amtspersonen und handelten mit den Versicherungsnehmern ihre Vergütung frei aus. Bruttopolicen ermöglichen den Versicherern, den Vertrieb ihrer Produkte zu steuern, zum Beispiel durch die Höhe der Courtage, die bei höheren Umsätzen steigt. Hier streben wir gelebte Unabhängigkeit an, denn bei Nettopolicen braucht es keine für Versicherungsmakler meist nachteiligen Courtagevereinbarungen, und Versicherungsmakler können aufwands- und ertragsbezogen ihre Vergütung selbst frei bestimmen und mit ihren Mandanten vereinbaren. Mehr Transparenz geht nicht!

Bisher haben wir über die Rechte gesprochen. Was sind die höchsten Pflichten des Versicherungsmaklers?

Dass er seine Mandanten bedarfs- und risikogerecht berät, ihm die passenden Tarife vermittelt und ihn ständig betreut, auch im Schadenfall. Hier hat er dessen Rechte wahrzunehmen. Die kollidieren gelegentlich mit denen der Versicherer. Hier ist dann die seitens der IGVM angestrebte besondere Fachkunde der Versicherungsmakler unverzichtbar, die wir auch Tag für Tag in unserem IGVM-Forum leben. Versicherungsmakler, die mindestens den gleichen – besser noch einen höheren – Wissensstand haben als die Sachbearbeiter bei den Versicherern, können dazu beitragen, dass jahrelange Gerichtsprozesse möglichst vermieden werden und Versicherungsnehmer schnell zu ihrem guten Recht kommen, denn dafür zahlen die ja schließlich auch Prämien an die Versicherer.

Mit Wettbewerbern, die sich nicht an ihre Pflichten halten, geht Ihr Verband hart ins Gericht. Sie erwirken beispielsweise Abmahnungen. Sehen Sie das als pädagogischen Auftrag oder als Schutz einzelner IGVM-Mitglieder, die dadurch benachteiligt werden könnten?

Wer sich rechtstreu im Wettbewerb verhält, wie wir es ­eigentlich von allen Marktteilnehmern erwarten (dürfen), kann Nachteile denjenigen gegenüber erleiden, die sich über die gesetzlichen Normen hinwegsetzen. Einer Abmahnung gehen häufig Gespräche voraus. Erst wenn wir damit nichts Positives erreichen, beschreiten wir den Rechtsweg bis hin zur Unterlassungsklage. Wenn sich ein Versicherungsmakler zum Beispiel ganze Bestände übertragen lässt, den Versicherungsnehmern die Hälfte seiner Courtagen abgibt, weil er seine Kardinalpflichten als Versicherungsmakler durch AGB generell ausschließt – zum Beispiel den Ausschluss jeglicher Beratung –, hat er ­unseres Erachtens nichts im Markt zu suchen. Unsere Unterlassungsklagen helfen dabei nicht nur unseren Mitgliedsunternehmen, sondern allen Versicherungsmaklern gleichermaßen.

Akzeptieren zu viele Versicherungsmakler häufig einfach den Gegenwind, der ihnen entgegen bläst? Was erwarten Sie vielleicht diesbezüglich auch von Ihren Kollegen?

Leider ja. Viele Versicherungsmakler verhalten sich seit jeher so wie Tiere, die man zur Schlachtbank führt – ohne Gegenwehr. Es ist einer unserer Gründungsgrundsätze, hier anders zu sein als die etablierten Vermittlerverbände. Unser Fokus ist auf Versicherungsmakler gerichtet und die Interessenvertretung unserer Mitglieder erfolgt ehrenamtlich und praxisnah und ausschließlich durch selbst registrierte Versicherungsmakler. In der kurzen Zeit unseres Bestehens, so sagt man der IGVM gerne nach, ­habe dieser noch junge Verband schon mehr erreicht als andere Verbände, die seit Jahrzehnten bestehen. Die explosionsartigen Zuwächse an Mitgliedsunternehmen zeigen uns, dass wir wohl mit unserer Arbeit mehr zur Sensibilisierung der Versicherungsmakler beitragen konnten und dass wir auf dem richtigen Weg sind. Die IGVM ist eine starke Gemeinschaft, die weiter wächst.

Das Interview lesen Sie auch in AssCompact 07/2015, Seite 92ff.

 
Ein Artikel von
Wilfried E. Simon