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19. Juli 2016
„Haben Sie noch Lust auf die PKV?“

„Haben Sie noch Lust auf die PKV?“

In der Produkthitparade der unabhängigen Vermittler im zweiten Quartal 2016 ist die PKV als Flop zu identifizieren. Andererseits sind die aktuellen Leistungskürzungen in der GKV die perfekten Argumente für die PKV. Peter Przybilla, geschäftsführender Gesellschafter der Hengstenberg & Partner GmbH mit Spezialgebiet Kranken, BU und bAV, kommentiert, warum er in Sachen PKV hin- und hergerissen ist zwischen Enttäuschung und Hoffnung.

Sie haben keine Lust mehr auf die PKV? Gratuliere! Sie sind hier genau richtig. Es kann Ihnen niemand verdenken und Sie sind in bester Gesellschaft. Gerade ist die PKV in der aktuellen Produkthitparade der unabhängigen Vermittler im zweiten Quartal 2016 als Flop zu identifizieren. Zu viel ist in den letzten Jahren auf die PKV niedergeprasselt. Und aktuell kämpfen viele Gesellschaften und Vermittler mit den horrenden Anpassungen an den verringerten Zinssatz und deren Auswirkungen auf die Rückstellungen. Auf die hohen Neueinstiegsprämien oder das Unisex-Thema möchte ich an dieser Stelle nicht detaillierter eingehen.

Auch die bKV hat auf ganzer Linie enttäuscht. Bleiben also nur noch Zusatzversicherungen. Von denen kann man aber nicht leben.

Es kann nur eine Frage der Zeit sein, bis sich verschiedene Gesellschaften aus Kostengründen zusammenschließen werden. Jüngstes Beispiel ist der Versuch, zunächst ein gemeinsames Abrechnungscenter von verschiedenen Versicherern aufzubauen. Dann rufen Versicherte bei Problemen Mitarbeiter an, die sich in den verschiedenen Tarifen der unterschiedlichen Gesellschaften auskennen sollen. Herzlichen Glückwunsch! Das ist dann die Vorstufe zur Fusion, vielleicht sogar zur Abwicklung. Das Schicksal der Central kennen sie. Die Beschwerden werden wohl nicht abnehmen.

Was tut sich bei der GKV?

Schauen wir uns zunächst die derzeitige Lage der GKV an. Waren es 1970 noch 8,2% Beitrag bezogen auf die Bemessungsgrenze von 7.362 Euro jährlich, sind es jetzt 17,9% von 50.850 Euro. Die GKV ist finanziell mehr oder weniger ausgereizt, es gibt zu wenige Beitragszahler und zu viele Rentner. Die GKV steuert mit Leistungskürzungen – Pardon Reformen – dagegen. Jüngstes Beispiel: Im November 2015 wurde die OP bei Kniegelenkarthrose (Gonarthrose) aus dem Leistungskatalog der GKV gestrichen. Angeblich nutzlos, Ersparnis ca. 7 Mrd. Euro. Und das ist der Anfang zu weiteren Rationierungsmaßnahmen der GKV.

Gibt es trotzdem Hoffnung für die PKV?

Ja! Bei allem Unmut über die derzeitige Lage bin ich überzeugt, dass es die PKV auch noch weiter geben wird. Es müssen sich nur verschiedene Dinge ändern. Die Bestätigung zum Verbleib der PKV hat der BGH klar gegeben. Dazu kommt, dass das Thema Bürgerversicherung gar nicht akut ist, vielleicht so auch gar nicht umsetzbar wäre.

Die aktuellen Leistungskürzungen in der GKV sind die perfekten Argumente für die PKV. Es gibt volle Leistungsgarantie und die PKV hat Rückstellungen. Das wäre übrigens auch ein Einstieg für die bKV: weg von der Steuersparnummer hin zu echten Leistungen für die Mitarbeiter – ohne Gesundheitsprüfung!

Und was bringt die Zukunft?

Zunächst ein Blick auf die Digitalisierungsbemühungen: Wir müssen strikt unterscheiden, was ein sinnloser Gimmick ist, und was auf Dauer Nutzen bringt. Ein digitales Einreichen der Rechnungen wird nur geringes Sparpotenzial bringen. Viel interessanter sind die Gesundheits-Apps mit deren Datenerhebung. Die Frage dabei lautet: Können Kosten langfristig gesenkt werden und kann eine Gesellschaft tatsächlich dauerhaft Einfluss auf die Gesundheit der Kunden nehmen, quasi in einen „Human-Telematiktarif“ der PKV? Das wird spannend werden. Das Potenzial ist riesig. Adipositas oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen bedrohen unsere Gesellschaft nachhaltig. Da scheint mir ein solches Vorgehen mit dem Ziel der Beitragsbelohnung ein probates Mittel zu sein. Nicht zu vergessen die Unterstützung und Aufklärung. Hier kann die PKV die GKV überflügeln.

Die nachhaltige Kundenbindung: Nach langen Jahren des Kampfes gibt es endlich Produktteilnehmer, die von sich aus sinnvolle Umstellungsangebote für die Kunden anbieten. Damit können wir endlich die Provisionsjäger trocken legen, die nur schnelle Honorare produzieren wollen. Schon längst hat sich herauskristallisiert, dass es zum Teil sinnlos ist, in den nächstgünstigeren Tarif zu wechseln. Dieser kann ebenfalls schnell teuer werden. Da sind Fingerspitzengefühl und eine ruhige Hand gefragt. Und wenn die Gesellschaften dann noch erkennen, dass bei einem Gesellschaftswechsel nur noch wenig oder keine Courtage bezahlt werden sollte, könnte daraus eine runde Sache werden.

Neue Tarifvarianten: Seit Langem sind der PKV diejenigen Ärzte und Krankenhäuser ein Dorn im Auge, die nahezu unverschämt und unverblümt Höchstrechnungen stellen und Untersuchungen verkaufen, die nur den Geldbeutel der Ärzte füllen. Dagegen werden auf Dauer nur Tarife helfen, die unmittelbar Einfluss auf das Ärzteangebot nehmen. Dabei gilt es aber die Balance zu finden zwischen vernünftiger Auswirkung und einem brutalen Verhaltenszwang, wie er in den amerikanischen Krankenversicherungen zu finden ist. Erste Versuche gibt es bereits und ich bin mir sicher, dass es bald viele derartige Tarife geben wird. Diese Tarife sollten auch spürbar günstiger bleiben.

Das gesamte Thema Zusatzversicherungen soll an anderer Stelle erörtert werden.

Sie sehen an Hand dieser Beispiele, dass es noch Hoffnung gibt! Für uns als Vermittler bestimmt nicht mehr als reiner PKV-Spezialist. Das würde sich zu volatil gestalten und davon haben auch wir uns vor Jahren verabschiedet. Aber die PKV bleibt ein wichtiger Produktbestandteil im Rahmen eines „Full-Service-Maklers“.

Bei ihren Anstrengungen wünsche ich viel Glück und ein allzeit gutes Händchen.

Die Kurzversion des Kommentars lesen Sie auch in AssCompact 07/2016, Seite 44.