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14. Mai 2018
„Ich will gar nicht, dass die Regulierung des Fondsvertriebs ruht“

„Ich will gar nicht, dass die Regulierung des Fondsvertriebs ruht“

Der Fondsvertrieb muss wegen der vielen neuen Regulierungen massive Herausforderungen meistern. Lothar Behrens, Vorstandssprecher der Augsburger Aktienbank, schlägt vor, den Sinn der einzelnen Regulierungen auf den Kundennutzen hin zu überprüfen. Berater bekämen so wieder Zeit für ihre eigentliche Aufgabe.

Herr Behrens, was sind derzeit die wichtigsten Heraus­forderungen im Fondsvertrieb?

Der Fondsvertrieb in Deutschland steht in erster Linie vor Herausforderungen, die vom Gesetzgeber initiiert wurden. Wir befinden uns im ersten Jahr von MiFID II, was die Branche insgesamt ziemlich fordert. Viele Dinge sind noch gar nicht klar geregelt und die Umsetzungszeiträume waren sehr knapp bemessen. Ungeklärt ist etwa die Rechtslage für eine große Anzahl freier Finanzvermittler, die unter den Vorgaben der Gewerbeordnung agieren. Im Koalitionsvertrag wurde verankert, dass die §34f-Vermittler perspektivisch unter die Aufsicht der BaFin gestellt werden sollen, die Finanzanlagenvermittlungsverordnung wurde jedoch nicht finalisiert. So haben wir aktuell eine ungeklärte Situation, die so auch nicht europarechtskonform ist. Das bringt natürlich auch für ein Haus wie uns einige Probleme.

Inwiefern?

Für uns als Bank gilt die MiFID II. Für einen Teil unserer Kooperationspartner gilt aber die alte Finanzanlagenvermittlungsverordnung. Ein unbefriedigender Zustand für alle Beteiligten. Wenn so ein einschneidendes Gesetz verabschiedet wird, müssen sich außerdem die Prozesse zuerst einspielen. Es sind ja sehr viele Dinge neu hinzugekommen, beispielsweise die Zielmarktdefinition, die Verpflichtung zur Aufzeichnung von Telefonaten, die Kostentransparenz, das Provisionsverbot oder auch die erweiterte Geeignetheitserklärung. Da ist es normal, dass die Prozesse am Anfang nicht unbedingt reibungslos laufen. Diese Probleme muss die Branche nun aber in den Griff bekommen, um sich wieder auf ihren eigentlichen Auftrag zu konzentrieren. Es muss wieder mehr Energie darauf verwendet werden, dem Bürger zu erklären, warum es eine gute Idee ist, sich am Produktivvermögen der Volkswirtschaft zu beteiligen.

Was bedeutet das für die Vermittler?

Berater sollen anderen Menschen die Vorteile eines Investmentfonds erklären, das passende Produkt für den jeweiligen Kunden aussuchen und ihm helfen, seine private Altersvorsorge in den Griff zu bekommen. Stattdessen sind sie aktuell mit zu vielen administrativen Dingen beschäftigt. Es fehlt ihnen die Zeit für ihre eigentliche Aufgabe: die Kundenberatung. Viele sind verunsichert oder stellen sich sogar die Frage, ob sie mit dem Fondsvertrieb weitermachen sollen, insbesondere dann, wenn der Fondsvertrieb nur ein Randthema ist. Das wäre schade, denn der Bedarf an Anlageberatung ist groß. Wenn wir mit der Regulierung aber so wie bisher weitermachen, gibt es irgendwann niemanden mehr, der diese Dienstleistung erbringen möchte.

Welche Auswirkungen haben die neuen Bedingungen auf die Produktwelt?

Auf der Produktseite gibt es zwei starke Trends. Einer ist der Trend weg von Einzelfonds hin zu gemanagten Anlagen. Dieser Grundidee folgen auch wir mit unserem Angebot an Vermögensverwaltungslösungen. Im Vordergrund der Beratung durch den Vermittler steht die Ermittlung der Risikobereitschaft des Kunden, dann wird eine passende Vermögensverwaltung ausgewählt. Die Anlage wird unter Berücksichtigung der gewählten Risikobereitschaft professionell gemanagt und an die jeweilige Marktlage angepasst. Viele regulatorische Themen kann der Berater somit auf die Bank und den Vermögensverwalter verlagern.

Und der zweite Trend?

Auch den Trend zum Sparplan erkennen wir sehr stark. Sparpläne helfen bei einem strukturierten und kontinuierlichen Vermögensaufbau. Das hat viel mit der Zinssituation zu tun. Ein Sparplan ist meist unsere erste Empfehlung. Selbst wenn der Kunde eine Einmalanlage plant, raten wir gerne dazu, diese auf mehrere Termine zu verteilen. Generell sind die Rahmenbedingungen für das Wertpapiergeschäft derzeit ohnehin gut: Die Liquidität bei den Kunden ist vorhanden, die Wirtschaft läuft und klassische Geldanlagen sind unattraktiv. Beim Tagesgeld, Festgeld oder Sparbuch wird durch Inflation eher weniger denn mehr aus dem Ersparten.

Dennoch hat es das Girokonto jüngst zur beliebtesten „Anlageform“ der Deutschen geschafft ...

Das ist gut nachvollziehbar. Wer sich nicht an das Thema Wertpapiere traut, hat keine Alternativen und kann sein Geld auf dem Girokonto liegen lassen. Eine Umbuchung auf das Tagesgeld lohnt sich nicht, wenn man als Kunde bei 0,01% Zinsen für 10.000 Euro Anlage einen Euro Zinsertrag erhält.

Grundsätzlich ist das aber sicher keine sinnvolle Strategie …

Wenn Altersvorsorge oder Vermögensaufbau das Ziel ist, wird es auf dem Girokonto schon schwierig. Für die Mehrzahl der Deutschen wäre es eine kluge Überlegung, in Wertpapiere zu investieren. Ohne Risiko gibt es keinen Ertrag mehr. Ein gewisses Risiko müssen Kunden eingehen. Es ist doch komisch: Menschen vertrauen ihr Leben bei 200 km/h einem Auto einer bestimmten Marke an, das rund 50.000 Euro gekostet hat. Aber ein Aktieninvestment in Höhe von 10.000 Euro genau in diese Pkw-Marke scheuen sie. In der Beratung muss das Thema „Umgang mit Risiko“ im Vordergrund stehen, nicht die 80-seitige Dokumentation.

Haben Sie die Hoffnung, dass die Regulierung nun mal eine Zeit ruht?

Ich will gar nicht, dass sie ruht!

Sondern?

Ich würde mir wünschen, dass die Verantwortlichen einen Schritt zurücktreten und in Ruhe anschauen, was in den letzten zehn Jahren regulatorisch unternommen wurde. Eine Menge Sinnvolles wurde initiiert, aber nicht alles hat sich bewährt. Die Regulierung muss konsolidiert werden, um den anerkennenswerten Zielen des Verbraucherschutzes und der Transparenz gerecht zu werden. Vieles, was für den Verbraucher eingeführt wurde, hilft ihm am Ende doch gar nicht. Einiges hindert ihn sogar, sein Anlageverhalten realistisch zu bewerten. Tatsache ist, dass ein Vogel-Strauß-Verhalten, also nicht vorzusorgen, auch ein durchaus erhebliches Risiko für den Verbraucher birgt.

Das müssen Sie genauer erläutern ...

Eine Generation droht ihre Zukunft zu verkonsumieren. Die Deutschen sparen nach wie vor, aber nach wie vor falsch. Bei 0,01% Zins auf dem Tagesgeld wird es mit der Altersvorsorge schwierig. Die Menschen mögen kein Risiko, aber gerade wer langfristig Geld zurücklegt, sollte schon ein paar Risiken eingehen. Die Wahrscheinlichkeit ist sehr hoch, dass sich Rückschläge über die Zeit ausgleichen.

Inwieweit hemmen auch aktuelle Marktthemen wie der drohende Handelskrieg oder die Zinswende den Fondsvertrieb?

Der drohende Handelskrieg spielt natürlich eine Rolle. Er ist tatsächlich ein ernst zu nehmendes Bedrohungsszenario. Ein Handelskrieg produziert nur Verlierer. Die Frage ist daher, wie rational die politischen Akteure agieren. Da gibt es durchaus Zweifel. Am Ende dürfte das Thema aber nicht so heiß gegessen werden, wie es gekocht wird.

Und die Zinswende?

Die Zinswende ist ein spannendes Thema. Die Fed liefert momentan die Blaupause für die anderen großen Notenbanken. Die EZB bleibt aktuell noch bei der expansiven Geldpolitik. Momentan beobachten wir alle sehr genau, wie das in den USA funktioniert – und bisher funktioniert es tatsächlich ganz gut. Die Spannung liegt aber darin, dass die Notenbanken nicht im Gleichklang agieren. Die deutschen Sparer fragen sich, wann die Zinswende auch nach Deutschland kommt.

Wann wird das der Fall sein?

Wenn man Deutschland isoliert betrachtet, hat das aktuelle Zinsniveau überhaupt nichts mit der Wirtschaftskraft zu tun. Es ist viel zu niedrig. Die Wahrscheinlichkeit aber, dass der Sparer in absehbarer Zeit wieder eine nennenswerte Verzinsung auf sein Sparbuch erhält, ist sehr gering. Und wenn, dann nur nominal. Mit Inflation bleibt davon unterm Strich ein Minus. Dann ändert sich an der Ausgangssituation zwar optisch etwas, aber nicht in der Sache. Der risikoscheue Anleger wird mit Sparbuch und Tagesgeld schleichend enteignet. Kurz- und mittelfristig sehe ich keine Rückkehr zu einer positiven Realverzinsung. Dazu ist die Verschuldung in ganz Europa viel zu hoch. Eine Erhöhung des EZB-Leitzinses wird es in diesem Jahr wohl nicht geben. Wenn überhaupt im Jahr 2019 und dann nur sehr zögerlich, vermutlich erst in der zweiten Jahreshälfte.

Das Interview lesen Sie auch in AssCompact 05/2018, Seite 68 f.

 
Ein Artikel von
Lothar Behrens