AssCompact suche
Home
Management & Wissen
17. November 2016
„InsurTechs spielen hier mit der Existenz von Menschen“

„InsurTechs spielen hier mit der Existenz von Menschen“

Der GDV hat gerade Zahlen zur Annahme von BU-Anträgen veröffentlicht. Grund genug, nachzufragen, ob sich diese mit den Erfahrungen im Maklermarkt decken. Was Versicherungsmakler tun können, um böse Überraschungen im Antragsprozess zu vermeiden und welche Probleme elektronische Prüfungstools und automatisierte Beratungsprozesse aufwerfen, erklärt Versicherungsmakler Philip Wenzel im Interview mit AssCompact.

Der GDV hat seinen Datenbestand in Sachen Berufsunfähigkeitsversicherung durchforstet und kommt zu dem Ergebnis, dass drei von vier Anträgen in diesem Bereich von den Versicherern angenommen werden. Ob das nun viel oder wenig ist, kann man interpretieren. Aber deckt sich das mit Ihren Erfahrungen in der Praxis?

Anträge werden bei uns zu 100% angenommen. Als Makler arbeiten wir selbstverständlich mit Voranfragen, um vorläufig einen Eintrag in der HIS-Datei zu vermeiden und das beste Votum für den Kunden zu erreichen. Hier kommt es schon öfter vor, dass wir eine Ablehnung erhalten. Mal ganz abgesehen von Risikozuschlägen, Leistungsausschlüssen, Begrenzungen der Laufzeit oder der Dynamik oder Rückstellungen.

Hat sich das Annahmeverhalten der Versicherer in den letzten Jahren geändert? Bzw. hat sich gleichzeitig auch die – nennen wir es – Qualität bei der Analyse und Abfrage durch die Versicherungsmakler verändert?

Wir haben ein sehr umfangreiches System bei der Abfrage von risikorelevanten Daten beim Kunden entwickelt. Einen großen Teil der Risikoprüfung haben wir sozusagen vorverlagert, um das zeitintensive E-Mail-Ping-Pong zwischen dem Kunden, uns und dem Versicherer abzukürzen. Gibt der Kunde eine Vorerkrankung an, erstellt sich der betreffende Fragebogen dazu automatisch.

Da steckt einiges an Arbeit drin, verkürzt aber die Abarbeitung und verbessert auch das Ergebnis in dem einen oder anderen Fall.

Das Annahmeverhalten der Versicherer ändert sich nicht allgemein, sondern bei jedem Versicherer mal in die eine und mal in die andere Richtung.

Wenn der Kunde nun gar nicht in die BU kommt, welche Alternativen gehen Sie dann mit ihm durch?

Als erstes haben wir eine Reihe von Anbietern auf dem Schirm, die in manchen Bereichen der Risikoerfassung – sprich im Antrag – anders arbeiten als der Rest. Hier prüfen wir dann, ob nicht eine gute Annahme zu erreichen ist, ohne eine vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung zu begehen.

Dann kommt es darauf an, ob das Hindernis nicht doch aus finanziellen Gründen besteht. In diesem Fall erarbeiten wir mit dem Kunden ein umfassendes Risikoprofil und wägen ab, welcher Schutz in welchem Zeitraum in welcher Höhe wichtig ist. Dazu bedienen wir uns dann der gesamten Produktpalette am Markt. Am Ende weiß der Kunde immer eine ganze Menge über die verschiedenen Absicherungsmöglichkeiten der Arbeitskraft. Wichtig ist, dass ich als Vermittler immer zuerst auf die Nachteile der Produkte eingehe. Wenn der Kunde verstanden hat, dass auch die BU nicht in 100% der Fälle leistet, ist auch die Akzeptanz der Produkte größer, die in geringerem Umfang leisten würden.

Wenn wir uns die heutigen BU-Annahmeverfahren ansehen – der klassische Weg, die digitalen Risikoprüfungstools und nun vielleicht schon bald ein automatisierter Beratungsprozess mit schneller Annahme wie ihn etwa das InsurTech Knip anstrebt, was glauben Sie, was wird sich durchsetzen und was hat der Kunde davon?

Eine Automatisierung arbeitet immer mit Mustern. Will der Versicherer sauber arbeiten, muss er hier immer vorsichtig votieren, weshalb ich auf den klassischen Weg in vielen Fällen ein besseres Ergebnis erzielen werde. Eine Automatisierung des Beratungsprozesses sehe ich kritisch, nicht nur, weil es unser Geschäftsmodell angreift. Lassen Sie mich dazu einen Vergleich ziehen. Wenn ich einen Hausbau plane, dann sage ich den Fachleuten, was ich mir vorstelle und diese prüfen dann die Umsetzbarkeit und bauen das Haus. Nicht viele Menschen kämen auf die Idee, ein Haus online zu planen und sich dann den Bausatz schicken zu lassen.

Die Absicherung der Berufsunfähigkeit ist ähnlich kompliziert und kann den Kunden im Schadenfall auch ähnlich viel Geld kosten wie ein Haus. Trotzdem denken alle, es müsse hier noch einfacher werden und online ohne Beratung abzuschließen sein.

Das ist in meinen Augen sehr gefährlich. InsurTechs spielen hier mit der Existenz von Menschen, wenn suggeriert wird, es wäre einem Laien möglich, alle Aspekte von der Ausgestaltung der AVB bis hin zur nachhaltigen Finanzkraft des Versicherers, zu bewerten. Wobei ich hier offen lassen möchte, ob der Laie vor dem PC sitzt oder drin steckt. (kb)

 
Ein Artikel von
Philip Wenzel, freche versicherungsmakler GmbH & Co. KG