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16. November 2016
„Trump wird Anleger zwingen, eine ganze Reihe unangenehmer Risiken zu diskutieren“

„Trump wird Anleger zwingen, eine ganze Reihe unangenehmer Risiken zu diskutieren“

Ob US-Wahl oder Brexit – die Finanzmärkte präsentieren sich nach wie vor extrem volatil und verunsichern die Anleger. Wo lauern aktuell und langfristig die größten Gefahren? Und sind Aktieninvestments vor diesem Hintergrund tatsächlich zu riskant? Nachgefragt bei Lars Kreckel, globaler Aktienstratege bei Legal & General Investment Management (LGIM).

Herr Kreckel, Aktien gelten vielen Deutschen nach wie vor als zu riskant. Zu Recht?

Es ist gar nicht so einfach zu sagen, was ‚zu riskant‘ bedeutet. Aktien sind sicherlich eine der Anlageklassen bei denen es in einem Bärenmarkt zu den größten Kursverlusten kommen kann. Aber wie unsere Analyse zeigt, kommen Bärenmärkte (fast) nur im Zusammenhang mit Rezessionen vor. Und das Risiko einer Rezession in den kommenden zwölf Monaten schätzen unsere Volkswirte als kaum höher ein als in jedem anderen beliebigen Jahr. Ich habe Vertrauen in die Fähigkeiten unserer Volkswirte, aber selbstverständlich sind die Kollegen auch keine Hellseher.

Andererseits stellt sich auch die Frage nach Alternativen. Das Motto TINA (there is no alternative) geht wohl etwas zu weit. Aber wer Aktien vermeidet, muss sich bewusst sein, dass auch in anderen Anlageklassen Risiken bestehen. Und gerade bei festverzinslichen Anlagen sind diese überdurchschnittlich hoch. Bei extrem niedrigen Zinsen bleibt ein sehr geringer Puffer um gegen steigende Inflationsraten zu schützen. In einem solchen Szenario wären Aktien wohl die sicherere Wahl. Insgesamt sehen wir Aktien als wichtige Beimischung zu einem gesunden Anlagemix.

Wo stehen Dax & Co in den nächsten Jahren?

Wie unseren Volkswirten fehlen auch mir die Hellseherfähigkeiten um eine Punktprognose zu wagen. Aber meine Grundannahme ist, dass Aktien auf Sicht des nächsten Jahres weiter höher kriechen sollten. Nach den starken Kursgewinnen der letzten Jahre sind Aktien zwar nicht zu teuer, aber auch nicht mehr wirklich günstig. Aufwärtspotenzial sehe ich daher eher im Bereich des Gewinnwachstums der Unternehmen, und das lässt eher zu wünschen übrig. Hinzu kommt dann noch die Dividendenausschüttung, so dass eine Rendite im mittleren einstelligen Bereich realistisch scheint. Nicht gerade atemberaubend, aber mehr als viele andere Anlageklassen erwarten lassen. Für den sehr langfristigen Ausblick spielen Bewertungen eine wichtigere Rolle. Auf Zehnjahressicht gehen wir davon aus, dass sich die Kurs-Gewinn-Verhältnisse (KGVs) etc. wieder dem langjährigen Durchschnitt annähern, was von den aktuellen Niveaus auf den Renditen lasten sollte. Wir schätzen eine durchschnittliche Rendite von knapp 5% über die nächsten zehn Jahre.

Gibt es am Anleihemarkt noch attraktive Zinsen bzw. Renditen?

Hier lautet die Antwort sowohl ‚ja‘ als auch ‚nein‘. Absolut gesehen sind die Renditen von vielen Staatsanleihen natürlich extrem niedrig. Wenn man allerdings die ökonomischen und institutionellen Rahmenbedingungen in Betracht zieht, kommen wir zu dem Schluss, dass die Renditen nicht allzu weit von dem abweichen, was im aktuellen Umfeld gerechtfertigt ist. Langsames Wirtschaftswachstum, niedrige Rohstoffpreise, kaum Lohndruck und weiter steigende Nachfrage nach Anleihen durch zahlreiche Zentralbanken sind nur einige der Faktoren, die auch auf absehbare Sicht weiter auf Renditen lasten sollten. In dieser Phase des Konjunkturzyklusses bevorzugen wir Anlagen mit mittlerem Risiko, wie zum Beispiel Anleihen aus Schwellenländern oder auch High-Yield-Bonds, bei denen Renditen und Spreads noch besseres Kurspotenzial erlauben.

Wie gefährlich ist die Lage in China für die Finanzmärkte?

Auf längere Sicht ist China eines der größten Risiken, um das wir uns Sorgen machen. Die steigende steigende Abhängigkeit des Wachstums von Schulden hat nicht nur den Unternehmenssektor anfällig gemacht. Sorgen bereitet uns allerdings eher der rapide Anstieg der Verschuldungsquote. Zwar ist das Niveau der Schulden heute noch verkraftbar. Sollten diese allerdings im Tempo der vergangenen Jahre weiter wachsen, dann könnte das auf Sicht der nächsten Jahre nur schwer beherrschbare Konsequenzen haben. Kurzfristiger gesehen sind wir eher zuversichtlich, dass das aktuelle Konjunkturprogramm das Wachstum stabilisiert, auch wenn das zum Teil auf Kosten der längerfristigen Stabilität geschieht.

Was ist derzeit die größte Gefahr für die Finanzmärkte?

Auf Sicht der kommenden Wochen wird das Wahlergebnis in den USA die Märkte bestimmen. Donald Trump wird Anleger dazu zwingen, über eine ganze Reihe unangenehmer Risiken zu diskutieren; Dinge die vorher kaum auf dem Radar waren: Was wird seine angekündigte politische Prüfung des Fed-Mandats bedeuten? Wird er die Fed-Führung austauschen? Und was passiert mit den internationalen Handelsbeziehungen der USA? (mh)