AssCompact suche
Home
Assekuranz
6. Mai 2015
„Vernünftigen Versicherungsschutz wird es nicht zum Billigtarif geben können“

„Vernünftigen Versicherungsschutz wird es nicht zum Billigtarif geben können“

Die Risiken der modernen Welt werden immer komplexer und bei Schadenersatzzahlungen stehen schnell große Summen im Raum. Im Interview mit AssCompact spricht der Berliner Rechtsanwalt über das Thema Rechtsschutzversicherung und geht insbesondere über die Aspekte freie Anwaltswahl und besondere Haftungsrisiken für Makler ein.

Herr Cornelius-Winkler, aus Ihrer Praxis können Sie sicherlich viele gute Argumente für eine Rechtsschutzversicherung ableiten. Welche Kosten können auf Nicht-Versicherte zukommen?

Die Kosten einer rechtlichen Auseinandersetzung richten sich vor allem im Zivilrecht nach der Forderungshöhe bzw. dem Streitwert. Besonders teuer wird es, wenn eine Auseinandersetzung über mehrere Instanzen geführt werden muss und Sachverständigengutachten notwendig werden. Schon bei nur 10.000 Euro Forderungsbetrag und einem Klageverlust in der Berufung erreichen oder übersteigen die zu zahlenden Anwaltskosten, Gerichtsgebühren und Sachverständigenkosten dann den Forderungsbetrag. Besonders wichtig ist der Abschluss einer Rechtsschutzversicherung für Arbeitnehmer, weil in erster Instanz auch bei vollständigem Gewinn der Klage keinerlei Kosten durch den Gegner zu erstatten sind.

Aus den USA hört man oft von großen Schadenersatzsummen, die aus Gerichtsverfahren hervorgehen. Ist das in Deutschland auch vorstellbar?

In den USA und Großbritannien gilt das Prinzip der sogenannten „punishing damages“, d. h. neben dem auch bei uns üblichen „kompensatorischen“ Schmerzensgeld wird noch ein weiterer Betrag geschuldet, um den Gegner zukünftig zu rechtstreuem Verhalten zu veranlassen. Auch bei uns sind aber bei schweren Schäden Schmerzensgelder in Höhe von mehreren Hundertausend Euro denkbar und hinzu kommen sonstige Schadenersatzpositionen, die zum Beispiel bei Geburtsschäden über die Jahre zu Entschädigungsansprüchen in Millionenhöhe führen können.

Die Rechtsschutzversicherung wird oft als Baukastensystem angeboten. Welche Risiken lohnt es sich für Gewerbekunden mit ein zuschließen? Worauf müssen Privatkunden achten?

Für Gewerbekunden lässt sich die Frage nicht pauschal beantworten, weil es auf die Art des Geschäfts ankommt. Der Einschluss beispielsweise des Versicherungsvertragsrechtsschutzes oder für sogenannter Hilfsgeschäfte kann sinnvoll sein, wenn die Firma über teure technische Ausstattungen verfügt oder Ansprüche gegen eine Betriebsunterbrechungsversicherung in Betracht kommen.

Bei Privatkunden ist besonders zu prüfen, ob diese über (umfangreiche) Kapitalanlagen verfügen, weil solche Auseinandersetzungen nach neueren Bedingungswerken grundsätzlich ausgeschlossen sind beziehungsweise nur noch bei einzelnen Anbietern eingeschränkt und gegen Mehrprämie versichert werden.

Grundsätzlich halte ich es für legitim, wenn auch in der Rechtsschutzversicherung eine individuelle Risikoeinstufung erfolgt, wobei besonders die Vermögensverhältnisse des Versicherungsnehmers für die Schadenhöhe relevant sind. Besser man kann so auch teure Streitigkeiten gegen entsprechende Mehrprämie versichern anstatt dass Ausschlussklauseln solche Streitigkeiten generell ausschließen.

Ein ständiges Streitthema ist die freie Anwaltswahl. Der Versicherer will ein aktives Schadenmanagement, der Kunde will sich den Anwalt seines Vertrauens suchen. Wie nehmen Sie diesen Konflikt wahr?

In der Tat handelt es sich hier um ein sehr wichtiges Thema, weil die Rechtsschutzversicherer trotz entgegenstehender rechtlichen Regelungen langfristig vom Versicherer zum „Rechtsdienstleister“ werden wollen. Dies führt m. E. zwangsläufig zu Interessenkonflikten und einer Verschlechterung der Beratungsqualität, weil die Versicherungsprämie nicht mit der Leistung im Einzelfall korrespondiert und der Versicherer betriebswirtschaftlichen Überlegungen den Vorrang vor einer Interessenvertretung „notfalls auch über mehrere Instanzen“ geben könnte. Wie der Begriff „aktives Schadensmanagement“ ja schon sagt, geht es darum, eigentlich versicherte Anwalts- und Gerichtskosten möglichst nicht entstehen zu lassen oder durch Maßnahmen zu begrenzen, welche die Gefahr von Qualitätseinbußen in sich bergen. Hierunter verstehe ich, dass der Versicherungsnehmer möglicherweise nicht das erhält, was ein unabhängiger Rechtsanwalt – notfalls in einem Klageverfahren – für ihn „herausholen“ könnte. Die Gesetzeslage ist übrigens eindeutig: Sas Recht auf freie Anwaltswahl besteht in Deutschland nicht nur in Gerichtsverfahren, sondern auch schon für die außergerichtliche Beratung und Vertretung. Kein Versicherungsnehmer muss der Empfehlung seines Versicherers folgen, sondern kann von Anfang an einen Rechtsanwalt seines Vertrauens beauftragen.

Viele Rechtsschutzversicherer schließen zudem Mediation mit ein. Von den Versicherern wurde dies lange als großer Vorteil dargestellt, unterdessen gibt es auch viel Kritik daran. Was sind Ihre Erfahrungen mit diesem Verfahren?

Hier muss man sich zunächst einmal klarmachen, dass der Versicherungsnehmer auf sich allein gestellt und ohne anwaltlichen Rat und Interessenvertretung in die (oft auch nur telefonische „Shuttle“)-Mediation geht. Dem Mediator selbst ist jeder Rechtsrat und jede Vertretung des Versicherungsnehmers untersagt. Selbst bei einem durchschnittlichen Verkehrsunfall stellen sich aber zwangsläufig zahlreiche Rechtsfragen zum Beispiel nach der zutreffenden Haftungsquote und den zu ersetzenden Schadenpositionen. Die Präsidentin des BGH, Bettina Limperg, hat deshalb in einem Interview in der FAZ vor Kurzem zu Recht darauf hingewiesen, dass durch Mediation und Schiedsgerichtsbarkeiten faktisch ganze Bereiche der Rechtsprechung entzogen werden und die Gefahr besteht, dass die Gerichte keinen Einfluss mehr auf das Verbraucherschutzrecht nehmen können. Erwähnen muss man vielleicht noch, dass die Rechtsanwaltkammer Berlin derzeit gegen einen Rechtsschutzversicherer eine Unterlassungsklage führt, bei welcher es unter anderem um die Verwechslungsgefahr zwischen Mediation und Rechtswahrnehmung geht.

Was müssen Makler beachten, die Rechtsschutzversicherungen anbieten? Gibt es hier besondere Haftungsrisiken?

Ein besonderes Haftungsrisiko besteht bei dem Wechsel zu einem anderen Versicherer oder der Umstellung auf einen aktuellen Tarif, weil besonders im Bereich des Kapitalanlage- und Baurisikos, aber auch der zeitlichen Festlegung des Versicherungsfall ältere Verträge regelmäßig einen besseren Versicherungsschutz bieten als aktuelle Tarife. Dies liegt vor allem daran, dass der BGH viele Ausschlussklauseln für unwirksam erachtet hat und die Versicherer – aus ihrer Sicht natürlich verständlich – in einem ständigen „Hase und Igel“-Wettstreit daraufhin die Bedingungen ändern. Häufig bin ich in meiner anwaltlichen Praxis auch mit der Konstellation beschäftigt, dass sich bei einem Versichererwechsel trotz durchgehenden Versicherungsschutzes keiner der Versicherer für zuständig erklärt. Hier sollten Versicherungsmittler ihren Einfluss dahingehend geltend machen, dass ein Versichererwechsel nicht zu Schwierigkeiten bei der zeitlichen Deckung führt, andernfalls sie – wie Fälle aus der Rechtsprechung zeigen – selbst in die Haftung geraten.

Rechtsschutzversicherte müssen mit Prämienerhöhungen rechnen – aufgrund des Kostenmodernisierungsgesetzes, aber auch aufgrund höherer Schadenleistungen. Inwiefern müssen die Versicherten das hinnehmen und was bringt ein Wechsel?

Vernünftigen Versicherungsschutz wird es nicht zum „Billigtarif“ geben können und Prämienerhöhungen aufgrund höherer Schadenleistungen werden von einem unabhängigen Treuhänder überwacht. Wegen der mit einem Wechsel verbundenen Risken scheint es mir deshalb in der Rechtsschutzversicherung grundsätzlich eher sinnvoll zu sein, über eine höhere Selbstbeteiligung als über einen Versichererwechsel nachzudenken. Zu begrüßen wäre gleichzeitig, wenn auch in der Rechtsschutzversicherung ein echtes Schadenfreiheitssystem mit Auswirkung auf die Prämie eingeführt würde, auch wenn anders als in der Kraftfahrtversicherung nicht zwingend eine Übertragbarkeit der SF-Klasse gegeben sein müsste. Ein Wechsel ist aber sicher dann angezeigt, wenn der aktuelle Versicherer eine überdurchschnittlich schlechte Regulierungspraxis aufweist und zwar selbst dann, wenn dann die neue Prämie höher ausfällt und man mit der einen oder anderen neuen Ausschlussklausel leben muss. (sg)