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05/2015
2. Juni 2015
2020 – das digitalisierte Maklerunternehmen

2020 – das digitalisierte Maklerunternehmen

Die Digitalisierung im Maklerunternehmen kennt drei Facetten: die Anbindung zum Versicherer, die internen Prozesse und die Verbindung zum Kunden. Will das Vermittlerunternehmen langfristig erfolgreich bleiben, muss es sich mit allen drei Feldern beschäftigen.

Das Marktumfeld in der deutschen Assekuranz hat sich durch eine Vielzahl externer Faktoren deutlich verschlechtert. So wächst der Gesamtmarkt lediglich auf ­Inflationsniveau, weite Teile dieses Wachstums werden lediglich durch Prämienanpassungen (Kranken, Kfz, Wohngebäude) realisiert, einzelne Sparten (Leben) verzeichnen sogar erhebliche Neugeschäftseinbrüche. Eine spürbare Verbesserung ist auf absehbare Zeit nicht zu erwarten. Die Regulierung durch den Gesetzgeber nimmt – mit sich immer weiter verkürzenden Zyklen – von Jahr zu Jahr an Intensität zu. Hat dies in früheren Zeiten mittels Rentenreformen, Garantiezinssenkungen oder Unisex noch zur Stimulation des Neugeschäfts beigetragen, so wird Vermittlern mittlerweile das Neugeschäft zunehmend erschwert.

Die nach wie vor hohe Zahl an Vermittlern in Deutschland trägt trotz leichtem Rückgang auf rund 240.000 ihren Teil ­zur sich immer weiter verschärfenden Wettbewerbsintensität bei. Alleine im Maklermarkt sind dabei 24.000 ­Unternehmen zählbar.1

Die überwiegend negative Presse über die Branche und ihre Produkte verunsichert die Kunden zunehmend und lässt sie ­immer kritischer werden. In der Folge steigt die Wechselbereitschaft bei sinkender Abschlusswilligkeit. Dies führt in Summe bei der überwiegenden Anzahl der Maklerunternehmen zu stark rückläufigen Umsätzen. Unabhängig vom ­jeweiligen Geschäftsmodell erhöht sich der Margendruck deutlich und führt zu teilweise nur noch niedrigen einstelligen Umsatzrenditen. Einzig sehr stark spezialisierte Vermittler, welche in attraktiven Nischen tätig sind, können sich zum Teil noch deutlicher Wachstumsraten erfreuen. Andere Makler suchen ihr Glück in der Übernahme von frei werdenden Beständen oder ganzen Maklerunternehmen mit dann jedoch in der Folge häufig deutlich ansteigendem Verschuldungsgrad.

Die Steigerung der Umsatzrendite kann somit nur noch über ein striktes Kostenmanagement erfolgen. Da wie in allen Dienstleistungsunternehmen bei Maklerbetrieben die Personalkosten mit ca. 70 bis 80% dominieren, bieten diese den größten Hebel. Dieser kann jedoch nur genutzt werden, wenn mittels Automatisierung und Standardisierung die Prozesseffizienz deutlich gesteigert wird.

Der Begriff der „Digitalisierung“ kommt hierbei seit einiger Zeit immer häufiger ins Spiel. Dabei verengt sich der Blick in der Diskussion jedoch in der Regel auf das veränderte Kundenverhalten, die sozialen Medien bzw. Netzwerke und deren Nutzung im Vermittlungsprozess. Wird die Digitalisierung jedoch zu Recht weiter gefasst, so sind hiervon nahezu alle Kernprozesse und vor allem die Kostenseite der GuV eines Maklerbetriebs betroffen.

Mögliche Lösungsansätze

Um die Effizienzpotenziale im eigenen Unternehmen zu identifizieren, sollten Vermittler die folgenden drei Ansatzpunkte für eine Digitalisierung in ihre Überlegungen einbeziehen:

a) Schnittstellen zu Versicherern

b) Interne Prozesse im Maklerbetrieb

c) Schnittstellen zu Kunden

Auch wenn die Assekuranz in der Standardisierung ihrer Datenaustauschformate (zum Beispiel BiPRO) nur sehr schleppend vorankommt und damit in ihrem Entwicklungsstand deutlich hinter anderen Branchen zurückliegt, ist der hier einmal ein­geschlagene Weg unumkehrbar. Hierfür sorgt alleine schon der massive Kostendruck aufseiten der Versicherer, der unter anderem durch die sinkenden Kapitalanlageergebnisse und die ansteigenden Regulierungskosten verursacht wird. Somit werden sich die Versicherer mittel- bis langfristig mit den heute vielfach noch ungelösten Problemen des Datenaustauschs mit Maklern befassen und hier branchenweite Lösungen schaffen müssen.

Soweit Maklerunternehmen sich darauf vorbereiten, bietet sich hier das mit Abstand größte Digitalisierungspotenzial, da Antrags-, Bestands- und auch Schaden­daten nicht mehr manuell und mittels Medienbrüchen bewegt, sondern vollautomatisiert und in Echtzeit ausgetauscht werden. Dies vermeidet Doppelanlagen von sowohl kunden- als auch abrechnungsbezogenen Daten und wird auf beiden Seiten dazu beitragen, in hohem Maße Personalkosten einsparen zu können.

MVP und Beratungssoftware

Um den Maklerbetrieb darauf vorzubereiten, gilt es aus den über 60 im Markt vorhandenen Maklerverwaltungsprogrammen (MVP)2 das für den eigenen Betrieb passende auszuwählen.

Neben einem leistungsfähigen MVP sollte in der „IT-­Ziellandkarte“ eines Maklerbetriebs die erforderliche Beratungssoftware nicht fehlen. In Zeiten, in denen der rein ­„Euro-basierte“ Produktverkauf zunehmend durch den ganzheit­lichen Konzeptverkauf ersetzt wird, sollte die hierfür erforderliche umfassende Aufnahme der Kundendaten nicht mehr per manueller Checkliste, sondern ebenfalls digitalisiert erfolgen. Auch hier steht der Makler leider vor der Auswahl aus mehr als 30 Softwarelösungen unterschiedlichster Ausrichtung und Größenordnung.3

Derzeit ist dieser stark fragmentierte Anbietermarkt in beiden Systemwelten noch von vielen Kleinstanbietern geprägt. Diese verfügen häufig nicht über die erforderliche Finanzkraft, um den sich immer weiter verkürzenden Innovationszyklen standzuhalten. Somit ist davon auszugehen, dass aufgrund der anzunehmenden Marktkonsolidierung 2020 eine wesentlich geringere Anzahl (<5) an dann wiederum deutlich größeren Anbietern den Markt dominieren wird. Neben Auswahlfaktoren wie Anwenderfreundlichkeit der angebotenen ­Lösung und Zukunftssicherheit des jeweiligen Anbieters sollten Makler die Art und Anzahl der bereits realisierten oder zumindest in Realisierung befindlichen Schnittstellen zu Produktgebern viel stärker als bisher berücksichtigen. Nur so lässt sich das in der Zusammenarbeit mit den Versicherern schlummernde Effizienzpotenzial ausschöpfen. Gleiches gilt übrigens für die Auswahl des Produktgebers. Hier sollten Maklerfirmen neben der Leistungsfähigkeit der Produkte und Marktüblichkeit der Courtagen die Anzahl der Schnittstellen zum eigenen MVP als gleichwertiges Auswahlkriterium für ­eine Zusammenarbeit anwenden.

Soweit nicht bereits in die Beratungssoftware integriert, kommt dem Einsatz von Vergleichssoftware bereits seit längerer Zeit eine hohe Bedeutung für eine haftungssichere Beratung zu. Hier ist die Gesamtanzahl an Anbietern O ­ ­(spartenübergreifend ca. 20 Anbieter) schon deutlich überschaubarer. Makler nutzen an dieser Stelle jedoch erfahrungsgemäß häufig nicht die teilweise zwischen den Hersteller vorhandenen Schnittstellen zwischen Vergleichssoftware und MVP und ­erfassen somit in der Folge Stammdaten zu Kunden und Risiken nicht nur manuell, sondern auch doppelt. Damit werden weitere Effizienzpotenziale verschenkt.

Bei den Softwareanbietern dieser drei unterschiedlichen Systemwelten (MVP, Angebotssoftware und Vergleicher) sind bereits seit einiger Zeit Bestrebungen erkennbar, in das jeweils andere Modell „hineinzuwachsen“. Daher kann für 2020 angenommen werden, dass die dann dominierenden Anbieter den Maklerunternehmen auch ganzheitliche ­Lösungen zur Verfügung stellen. Die Makler, welche heute bei leistungsfähigen Poolern angeschlossen sind, haben diesen „erträumenswerten“ Zustand teilweise bereits erfahren, erkaufen ihn jedoch im Gegenzug mit der Abhängigkeit ihrer Datenhaltung von diesen Anbietern und unter Abgabe von Courtage-/Provisionsanteilen.

Eine ebenfalls sehr relevante Quelle für interne Effizienzsteigerungen bildet die konsequente Digitalisierung des Postverkehrs. Wenn die Eingangspost mittels des Einsatzes sog. Texterkennungssoftware (OCR) konsequent gescannt und indiziert wird, so erleichtert das nicht nur die Verteilung und Steuerung der täglichen Arbeitslast im Maklerunternehmen, sondern senkt auch Schritt für Schritt den Papieranteil in den häufig noch manuellen Kundenakten. Alleine auf diesem Weg können in mittelgroßen Vermittlerbetrieben (> 5 Mitarbeiter) erfahrungsgemäß bis zu 20% der Innendienstpersonalkosten eingespart bzw. nutzbringender in der Vertriebsunterstützung eingesetzt werden.

 

2020 – das digitalisierte Maklerunternehmen

Anbindung zum Kunden

Die Schnittstellen zum Kunden bilden den dritten und ebenfalls sehr relevanten Ansatzpunkt für Digitalisierung. Auf der Kostenseite gilt es die in den leistungsfähigen MVP-Lösungen vorhandenen Online-Kundenportale konsequent zu nutzen bzw. zu Anbietern zu wechseln, welche diese anbieten. Diese Kundenportale bieten dem dort registrierten Kunden die ­Möglichkeit Adressdaten selbstständig zu ändern, Schäden zu melden und rund um die Uhr Informationen zu seinen Verträgen sowie aktuellen Mitteilungen einzusehen. Die hier teilweise bereits vorhandenen Apps bieten dem Kunden weiterhin die Möglichkeit, dies auch mobil und ortsunabhängig (zum ­Beispiel im Schadenfall am Unfallort) zu tun. Insbesondere im Firmenkundengeschäft haben Maklerunternehmen bei Kunden mit Frequenzschäden (= hohe Anzahl eher kleinvolumiger Schäden) wie etwa im Kfz-Flottengeschäft oder bei Hausverwaltern erhebliche Kostensenkungs­potenziale in der eigenen Schadenabteilung, wenn die Kunden die Schaden­erstanlage online-basiert selbstständig vornehmen. Bei Zahlschäden kann dies zum Beispiel dazu führen, dass es sinnvoll sein kann, diese direkt an die ebenfalls an das Maklerverwaltungsprogramm angebundenen Versicherer durchzuleiten, statt wie bisher mittels der eigenen Schadenvollmacht kostenaufwendig zu regulieren (siehe Grafik unten).4

Damit Kunden diesen Teil der Arbeit selbst übernehmen, muss für sie neben der erforderlichen Anwenderfreundlichkeit der angebotenen Lösung der konkrete Nutzen jedoch klar erkennbar sein. Dieser sollte dann in den Zeit­gewinnen aufgrund der deutlich verkürzten Prozessdurchlaufzeiten liegen, kann jedoch auch darin zu finden sein, dass Makler Teile der ersparten Kosten an den Kunden zurückgeben (zum Beispiel über „Prämiengutschriften“ oder Sach-Gutscheine). Dies setzt natürlich eine leistungsfähige Kostenrechnung im Maklerbetrieb voraus, aus der sich die Kostenersparnis je Geschäftsvorfall-Typ ablesen und damit das „Rückgabe-­Potenzial“ genau ermitteln lässt. Auch hier ist jedoch heute bereits erkennbar, dass die MVP-Programme 2020 ­ihren Teil zum internen Umsatz- und Kosten-Controlling des Maklerunternehmens beitragen werden. Im Übrigen ist diese Prozess­kostentransparenz ein relevanter Baustein, um perspektivisch, im Falle eines Falles, eine professionelle Honorarberatung anbieten und abrechnen zu können.

Neben diesen effizienzorientierten Digitalisierungseffekten sollen natürlich auch die erheblichen Umsatzpotenziale nicht unerwähnt bleiben, welche die fortschreitende Verbreitung von Breitbandanschlüssen, schnellen Mobilfunkstandards (LTE) und mobilen Endgeräten bieten. Um dieses Umsatzpotenzial auszuschöpfen, sollten Vermittler über ­ihre eigene Homepage hinaus die folgenden sechs Themenbereiche in ihre Digitalisierungsstrategie einbeziehen:

  1. Online-Wahrnehmung (Online-Werbung und Suchmaschinenoptimierung)
  2. Online-Reputationsmanagement (Bewertungsportale, Stellungnahmen in Blogs)
  3. Online-Kampagnen (zum Beispiel E-Mail-Kampagnen mit Bedarfs-/ Produktvideos)
  4. Online-Leadgenerierung (eigen-­generiert vs. zugekauft)
  5. Online-Recruiting (Stellenbörsen und Arbeitgeber-­Bewertungsportale)
  6. Online-Beratung

Den größten Ansatzpunkt bietet hierbei sicherlich die Online-Beratung, mittels derer Kunden ortsunabhängig und auch ­zeitlich flexibel beraten werden können. INNOVALUE hat diesbezüglich Kunden nach ihrer Einschätzung der Qualität einer Online-Beratung gegenüber einer klassischen Offline-Beratung befragt. Demnach würden ca. 65% der Befragten diese für einfache Produkte und immerhin 46% für komplexe Produkte akzeptieren. Rund ein Fünftel der Befragten (23% bei einfachen Produkten und 18% bei komplexeren Produkten) halten die Online-Beratung der „klassischen“ persönlichen ­Beratung gegenüber sogar für überlegen (siehe nachfolgende Grafik).

Hier bieten sich erhebliche Chancen zur Bindung bestehender Kunden, aber auch zur bundesweiten Gewinnung neuer Kunden, unabhängig vom regionalen Sitz des Vermittlerbetriebs. Die organisatorischen und technischen Voraussetzungen sind vergleichsweise leicht bereitzustellen und ohne größere Investitionen umzusetzen.

 

2020 – das digitalisierte Maklerunternehmen

Resultate der Digitalisierung

Das digitalisierte Maklerunternehmen wird 2020 somit sowohl mit Kunden als auch Versicherern automatisiert und ohne Medienbrüche sowie nahezu papierfrei agieren. Hierfür stehen leistungsfähige Softwareangebote mit hohem Funktionsumfang zur Verfügung, die alle hierfür infrage kommenden Kernprozesse des Maklerunternehmens digitalisieren. Dies hat zu ­erheblichen Effizienzsteigerungen geführt, die wiederum den erforderlichen Personaleinsatz vor allem im ­Innendienst reduziert haben. Über diesen Weg wurden die aufgrund ­Regulierung und veränderten Kundenverhaltens entstandenen Umsatzeinbrüche auf der Kostenseite kompensiert. Darüber hinaus trägt die konsequente Ausnutzung der Möglichkeiten der digitalen Medien täglich dazu bei, zusätzliche Umsatzsteigerungen zu erzielen. Vermittlerbetriebe, welche bis zuletzt rein papierbasiert gearbeitet haben, sind aus dem Markt ausgeschieden und haben ihre Marktanteile an die digitalisierten Wett­bewerber abgegeben.

Ein online-basierter Quick-Check, der die Digitalisierungspotenziale des eigenen Maklerunternehmens aufzeigt, findet sich unter umfrage.innovalue.de/dr15.html

1 Quelle: INNOVALUE-Maklerdatenbank; abweichende Zählweise zum Vermittlerregister, da unter anderem Vermittler von Makler-Finanzvertrieben oder „Bestandsrentner“ nicht gezählt werden

2 Quelle: eigene Erhebung in INNOVALUE „MVP-Datenbank“

3 Quelle: eigene Erhebung in INNOVALUE „Anbieter-Datenbank ­Beratungssoftware“

4 Quelle: INNOVALUE-Projekterfahrungen in der Digitalisierung von ­Maklerunternehmen