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Steuern & Recht
21. Juli 2016
Altersvorsorgeaufwendungen keine vorweggenommenen Werbungskosten

Altersvorsorgeaufwendungen keine vorweggenommenen Werbungskosten

Das Bundesverfassungsgericht hat erneut eine Beschwerde gegen das Alterseinkünftegesetz nicht zur Entscheidung angenommen. Die Qualifizierung von Aufwendungen für die Altersvorsorge als Sonderausgaben und die vorgesehene höhenmäßige Beschränkung des Sonderausgabenabzugs seien verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

In beiden dem Beschluss zugrunde liegenden Fällen haben die Kläger Altersvorsorgeaufwendungen als vorweggenommene Werbungskosten steuermindernd geltend gemacht. Zum einen ging es um den Arbeitnehmeranteil zur gesetzlichen Rentenversicherung und zum anderen um die Beiträge an ein berufsständisches Versorgungswerk. Die Kläger sind der Ansicht, dass die steuerliche Behandlung der Altersvorsorgeaufwendungen im Geltungsbereich des Alterseinkünftegesetzes vom 05.07.2004 gegen die Verfassung verstoße.

Diese Ansicht haben die Verfassungsrichter nicht bestätigt und die Klage nicht zur Entscheidung angenommen. Der Bundesfinanzhof habe zu Recht darauf hingewiesen, dass die an die gesetzliche Rentenversicherung und berufsständische Versorgungseinrichtungen zu leistenden Beiträge ihrer materiellen Rechtsnatur nach nicht in vollem Umfang Werbungskosten darstellen. Denn neben ihrer Bestimmung zur Erzielung zukünftiger Einkünfte seien auch vermögensbildende oder versicherungsspezifische Komponenten enthalten.

Doppelte Besteuerung muss vermieden werden

Weiter haben die Verfassungsrichter darauf hingewiesen, dass lediglich die Besteuerung von Vorsorgeaufwendungen für die Alterssicherung und die Besteuerung von Bezügen aus dem Ergebnis der Vorsorgeaufwendungen so aufeinander abzustimmen seien, dass eine doppelte Besteuerung vermieden wird. Aus dem Verbot doppelter Besteuerung lasse sich aber kein Anspruch auf eine bestimmte Abzugsfähigkeit der Beiträge in der Aufbauphase ableiten. Zudem sei die vorgesehene höhenmäßige Beschränkung des Sonderausgabenabzugs für Altersvorsorgeaufwendungen auf jährlich bis zu 20.000 Euro bzw. 40.000 Euro (§ 10 Abs. 3 Sätze 1 und 2 EStG) verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

„Schleichender“ Systemwechsel verfassungsgemäß

Auch die Übergangsregelung des § 10 Abs. 3 Sätze 4 bis 6 EStG stehe mit verfassungsrechtlichen Anforderungen in Einklang. Sie sieht – beginnend ab dem Jahr 2005 – eine begrenzte und in den Folgejahren allmählich steigende prozentuale Berücksichtigung von Altersvorsorgeaufwendungen bis zu deren voller Abzugsfähigkeit ab dem Jahr 2025 vor. Das führe dazu, dass ein Arbeitnehmer vor dem Jahr 2025 nur einen Teil seiner Altersvorsorgeaufwendungen als Sonderausgaben steuermindernd geltend machen kann, auch wenn seine Rentenbezüge voraussichtlich zu 100% der Besteuerung unterliegen, weil er erst nach dem Jahr 2025 das derzeit geltende Renteneintrittsalter erreicht. Ungleichbehandlungen, die damit einhergehen, seien für die Übergangszeit – bis zur Grenze einer verbotenen Doppelbesteuerung – verfassungsrechtlich aber hinnehmbar.

Überprüfung des Doppelbesteuerungsverbots erst in den Veranlagungszeiträumen der Rentenbezugsphase

Zwar sei es nach Ansicht des BVerfG gerade für die Arbeitnehmerjahrgänge, die in den Jahren 2039 bis 2043 in die Rentenbezugsphase eintreten, nicht ausgeschlossen, dass es zu einer Doppelbesteuerung komme, weil ihre Aufwendungen in den ersten Jahren nach Inkrafttreten des Alterseinkünftegesetzes nur in verhältnismäßig geringem Umfang steuerlich entlastet worden seien. Ein Verstoß gegen das Verbot der Doppelbesteuerung könne jedoch erst in den Veranlagungszeiträumen der Rentenbesteuerung zum Gegenstand der verfassungsrechtlichen Prüfung gemacht werden. Die Überprüfung des Verbots der Doppelbesteuerung schon in der Aufbauphase wäre mit erheblichen Unsicherheiten behaftet. Es müssten die derzeit gültigen gesetzlichen Regelungen für die Besteuerung der Rückflussphase zum Gegenstand verfassungsrechtlicher Prüfung gemacht werden, obwohl sie bezogen auf den jeweiligen Steuerpflichtigen gegebenenfalls erst 30 oder sogar 40 Jahre später zur Anwendung kommen würden und möglicherweise in ihrer jetzigen Ausgestaltung dann gar nicht mehr gelten. Auch in tatsächlicher Hinsicht müsste mit zahlreichen Annahmen gearbeitet werden, von denen sich erst in der Rentenbezugsphase herausstellt, ob sie zutreffen. Eine Überprüfung des Doppelbesteuerungsverbots erst in den Veranlagungszeiträumen der Rentenbezugsphase vermeidet diese Unsicherheiten, so das Gericht.

Hintergrund

Das Alterseinkünftegesetz ist die Grundlage für den Systemwechsel hin zu einer nachgelagerten Besteuerung, sodass Renteneinkünfte aus der gesetzlichen Rentenversicherung und aus berufsständischen Versorgungen – zunächst mit einem Anteil von 50% und dann bis 2040 graduell auf 100% ansteigend – besteuert werden. (kb)

BVerfG, Beschlüsse vom 20.07.2016, Az.: 2 BvR 290/10 und 2 BvR 323/10

Siehe auch

BVerfG: Beschwerden gegen Alterseinkünftegesetz nicht zur Entscheidung angenommen