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25. Juli 2016
Anspruch auf finanzielle Entschädigung für nicht genommenen Urlaub verfällt nicht

Anspruch auf finanzielle Entschädigung für nicht genommenen Urlaub verfällt nicht

Beendet ein Arbeitnehmer von sich aus sein Arbeitsverhältnis, hat er Anspruch auf eine finanzielle Vergütung, wenn er seinen bezahlten Jahresurlaub ganz oder teilweise nicht verbrauchen konnte. Das hat der Europäische Gerichtshof in einem Urteil vom 20.07.2016 klargestellt.

Hans Maschek, ein Beamter der Stadt Wien, wurde auf seinen Antrag mit Wirkung zum 01.07.2012 in den Ruhestand versetzt. In der Zeit vom 15.11.2010 bis zum 30.06.2012 war er nicht zum Dienst erschienen. Vom 15.11. bis zum 31.12.2010 befand er sich in Krankheitsurlaub. Ab dem 01.01.2011 war er aufgrund einer Vereinbarung mit seinem Arbeitgeber verpflichtet, nicht zum Dienst zu erscheinen, wobei ihm sein Entgelt fortgezahlt wurde. Nach seinem Eintritt in den Ruhestand verlangte Maschek von seinem Arbeitgeber, ihm eine finanzielle Vergütung für nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub zu zahlen; er sei nämlich kurz vor dem Eintritt in den Ruhestand erneut erkrankt. Sein Arbeitgeber wies diese Forderung mit der Begründung zurück, nach der Besoldungsordnung der Stadt Wien habe ein Arbeitnehmer, der von sich aus das Arbeitsverhältnis beende – unter anderem indem er die Versetzung in den Ruhestand beantrage –, keinen Anspruch auf eine solche Vergütung.

Arbeitnehmer hat Anspruch auf vier Wochen bezahlten Mindestjahresurlaub

Das Verwaltungsgericht Wien, bei dem Maschek deshalb Klage erhoben hat, möchte vom Gerichtshof wissen, ob eine solche Regelung mit dem Unionsrecht und insbesondere mit der Richtlinie 2003/881 vereinbar ist. In seinem Urteil vom 20.07.2016 weist der Gerichtshof darauf hin, dass nach dieser Richtlinie jeder Arbeitnehmer Anspruch auf einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen hat und dass dieser Anspruch einen besonders bedeutsamen Grundsatz des Sozialrechts der Union darstellt. Er wird jedem Arbeitnehmer unabhängig von seinem Gesundheitszustand gewährt. Wenn das Arbeitsverhältnis beendet wurde und es deshalb nicht mehr möglich ist, bezahlten Jahresurlaub tatsächlich zu nehmen, hat der Arbeitnehmer nach der Richtlinie Anspruch auf eine finanzielle Vergütung, um zu verhindern, dass ihm wegen dieser fehlenden Möglichkeit jeder Genuss des Urlaubsanspruchs, selbst in finanzieller Form, vorenthalten wird.

Der Gerichtshof führt hierzu aus, dass der Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses keine Rolle spielt. Daher hat der Umstand, dass ein Arbeitnehmer sein Arbeitsverhältnis von sich aus beendet, keine Auswirkung darauf, dass er gegebenenfalls eine finanzielle Vergütung für den bezahlten Jahresurlaub beanspruchen kann, den er vor dem Ende seines Arbeitsverhältnisses nicht verbrauchen konnte. Der Gerichtshof schließt daraus, dass die Richtlinie nationalen Rechtsvorschriften wie der Besoldungsordnung der Stadt Wien entgegensteht, nach denen ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis infolge seines Antrags auf Versetzung in den Ruhestand beendet wurde und der nicht in der Lage war, seinen bezahlten Jahresurlaub vor dem Ende dieses Arbeitsverhältnisses zu verbrauchen, keinen Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für nicht genommenen Urlaub hat.

Der Gerichtshof weist ferner auf seine Rechtsprechung hin, wonach ein Arbeitnehmer beim Eintritt in den Ruhestand Anspruch auf eine finanzielle Vergütung hat, wenn er seinen bezahlten Jahresurlaub wegen einer Krankheit nicht verbrauchen konnte. Maschek hat folglich in Bezug auf den Zeitraum zwischen dem 15.11. und dem 31.12.2010, für den feststeht, dass er sich im Krankheitsurlaub befand und deshalb in diesem Zeitraum den ihm zustehenden bezahlten Jahresurlaub nicht verbrauchen konnte, Anspruch auf eine finanzielle Vergütung. Der Gerichtshof fügte hinzu, dass mit dem Anspruch auf Jahresurlaub ein doppelter Zweck verfolgt werde, der darin bestehe, es dem Arbeitnehmer zu ermöglichen, sich von der Ausübung der ihm nach seinem Arbeitsvertrag obliegenden Aufgaben zu erholen und über einen Zeitraum der Entspannung und Freizeit zu verfügen.

Grundsatzentscheidung des EUGH

Damit die praktische Wirksamkeit dieses Anspruchs auf Jahresurlaub gewährleistet wird, stellt der Gerichtshof folgenden Grundsatz auf: Ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis beendet wurde und der nach einer mit seinem Arbeitgeber getroffenen Vereinbarung während eines bestimmten Zeitraums vor seiner Versetzung in den Ruhestand weiterhin sein Entgelt bezog, aber verpflichtet war, nicht an seinem Arbeitsplatz zu erscheinen, hat keinen Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für den während dieses Zeitraums nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub, es sei denn, dass er den Urlaub wegen Krankheit nicht nehmen konnte.

Das vorlegende Gericht wird daher zu prüfen haben, ob dies bei Maschek in der Zeit vom 01.01.2011 bis zum 30.06.2012 der Fall war. Wenn ja, hat er keinen Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für den bezahlten Jahresurlaub, den er in dieser Zeit nicht verbrauchen konnte, es sei denn, dass er den Urlaub wegen Krankheit nicht nehmen konnte. (sg)