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11. März 2015
bAV: „Der tarifpolitische Ansatz ist verkehrt“

bAV: „Der tarifpolitische Ansatz ist verkehrt“

Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles will die Betriebsrente reformieren. Der Schlagabtausch rund um die Stärkung tariflicher Versorgungseinrichtungen und einer obligatorischen bAV hat begonnen. Die Versicherungswirtschaft ist gleich von zwei Seiten betroffen: einmal als bAV-Anbieter und einmal als Arbeitgeber. Nachgefragt bei Dr. Michael Niebler, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Arbeitgeberverbands der Versicherungsunternehmen in Deutschland (AGV) e.V.

Herr Dr. Niebler, dieser Tage fand im Bundesarbeitsministerium eine Anhörung zum neuen Betriebsrentengesetz statt. Lässt sich das Ministerium auf die Argumente der Kritiker ein?

Das kann ich nicht sagen, denn ich war bei der Anhörung nicht persönlich dabei. Was ich höre, wird das Ministerium nun die vorgebrachten Argumente abwägen und anschließend entscheiden, ob und wie es weitermacht. Ich rechne damit, dass die Diskussion um die Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung weitergehen wird.

Welche Probleme sehen Sie aus Sicht der Arbeitgeber?

Das Ministerium will mit Tariffonds, die von Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften paritätisch verwaltet werden, erklärtermaßen vor allem Betriebe mit weniger als 20 Mitarbeitern erreichen. Das halte ich für abwegig. Betriebe mit weniger als zehn Mitarbeitern, also zum Beispiel der Metzger um die Ecke, wollen mit Tarifverträgen, Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden in der Regel nichts zu tun haben, weil ihre Betriebsgröße dafür schlicht und einfach zu klein ist. Man nennt das negative Koalitionsfreiheit. Ich respektiere den Wunsch von Kleinstunternehmen, nicht in ein tarifvertragliches System eingegliedert zu werden. Der Gesetzgeber wäre gut beraten, hier stärker zu differenzieren. Salopp gesagt: Tarifverträge sind kein Instrument für den Metzger um die Ecke.

Und aus Sicht der Versicherer als Anbieter?

Als Versicherer wollen wir bei der Diskussion anerkannt wissen, dass sich 80% der kleineren und mittleren Unternehmen in Deutschland, die ihren Mitarbeitern betriebliche Altersversorgung anbieten, für die Direktversicherung als Durchführungsweg entscheiden. Wenn die Arbeitgeber im Bereich der betrieblichen Altersversorgung enthaftet werden sollen, dann bitte nicht nur bei Einrichtung von Tariffonds, sondern auch bei Nutzung der bewährten externen Durchführungswege.

Warum drängt die Regierung eigentlich so auf die Reform der bAV?

Weil in der Tat in kleineren und mittleren Unternehmen die betriebliche Altersversorgung noch stärker etabliert werden muss.

Die bAV funktioniert vor allem in Wirtschaftssegmenten mit guten Verdiensten. In der Versicherungs- und Finanzwirtschaft investieren Beschäftigte am meisten in die bAV. In anderen Segmenten sieht es anders aus – zum Beispiel in der Gastronomie und Hotellerie. Diese Betriebe sind vielleicht etwas größer als die von Ihnen angesprochene Metzgerei. Könnten hier die Nahles-Pläne nicht vielleicht doch wirken?

Nein, der tarifpolitische Ansatz ist verkehrt. Hier helfen nur steuerrechtliche und beitragsrechtliche Anreize. Die Versicherungswirtschaft hat Konzepte entwickelt, wie insbesondere auch Geringverdiener für die betriebliche Altersversorgung gewonnen werden können. Auf freiwillige Systeme zu setzen, ist immer besser, als ein neues Zwangssystem zu entwickeln.

Hinweis: Die betriebliche Altersversorgung ist Schwerpunktthema in der AssCompact 04/2015.