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16. Februar 2017
Beratung sicher dokumentieren – auch bei Umdeckung

Beratung sicher dokumentieren – auch bei Umdeckung

Der Arbeitskreis Beratungsprozesse macht Vermittler sicherer in der Beratungsdokumentation. Seine neuen Empfehlungen stellen die Dokumentation vom Kopf auf die Füße. Bei Umdeckung im Breitengeschäft raten die Experten des Arbeitskreises dazu, die Vor- und Nachteile zu saldieren.

Versicherungsvermittler müssen vor einem Abschluss die wesentlichen Inhalte ihrer Beratung, den sich daraus ergebenden Rat sowie die Entscheidung des Kunden dokumentieren. Der Aufwand hierfür soll in einem angemessenen Verhältnis zu den zu zahlenden Beiträgen stehen und die Komplexität des angebotenen Versicherungsschutzes berücksichtigen.

Diese – leicht vereinfacht zitierte – Vorgabe aus § 61 VVG klingt einleuchtend. In der Praxis bereitet die Beratungsdokumentation jedoch große Probleme, wie wir immer wieder feststellen. Der Gesetzgeber lässt Vermittler mit unbestimmten Rechtsbegriffen allein. Klarheit schafft, wenn überhaupt, nur die Rechtsprechung. Diese Situation lieferte schon 2004 den Auslöser für die Gründung des Arbeitskreises als „Arbeitskreis EU-Vermittlerrichtlinie Dokumentation“.

Dass auch mehr als zehn Jahre später die Beratungsdokumentation noch ein Schmerzthema für die Branche sein würde, war nicht zu erwarten. Produktiv ist die Dokumentation im Vermittleralltag nie angekommen. Grund genug für den Arbeitskreis, das Thema erneut aufzugreifen. Seit 2015 arbeitet eine Expertengruppe aus Juristen von Versicherungsunternehmen und Vermittlerverbänden sowie Praktikern an neuen Empfehlungen zur Dokumentationspraxis. Vermittler sollen in Zukunft mit geringem Aufwand eine systematische und belastbare Dokumentation erstellen können. Dafür muss diese mit dem Workflow der Beratung verzahnt werden und die im Markt breit akzeptierten Beratungsmaterialien des Arbeitskreises integrieren.

In der Expertengruppe herrschte schnell Konsens, dass von einer richtig verstandenen und praktizierten Dokumentation alle Beteiligten profitieren:

  • Der Kunde kann Lücken und Missverständnisse erkennen/nachbessern und erhält Klarheit über das Besprochene (auch Jahre später).
  • Dem Versicherer hilft eine saubere Dokumentation, den GDV-Kodex zu erfüllen. Sie schafft Konsistenz, Compliance und Revisionssicherheit.
  • Auch der Vermittler hat ein vitales Eigeninteresse, Lücken und Missverständnisse in der Beratung erkennen und nachbessern zu können sowie Klarheit über das Besprochene zu erlangen (Haftungsvermeidung). Nachvollziehbarkeit ist unerlässlich, falls weitere Mitarbeiter in den Prozess eingebunden werden (z. B. Spartenspezialisten). Und natürlich führt gute Dokumentation zu mehr Kundenbindung/-zufriedenheit, mehr Geschäft und weniger Storno.

Wer also könnte ernsthaft gegen eine gut gemachte, nutzenstiftende Dokumentation sein?

Sechs Thesen für eine gute Beratungsdokumentation

Sechs zentrale Thesen zur Beratungsdokumentation haben wir erstmals auf der DKM 2016 präsentiert:

  1. Gute Dokumentation ist kein Selbstzweck, sondern ein Arbeitsinstrument in der Beratung.
  2. Gute Dokumentation ist kein nachgelagerter Prozess, sondern begleitet den Beratungsvorgang. Sie erfordert keinen hohen Mehraufwand.
  3. Gute Dokumentation setzt einen systematischen Beratungsprozess voraus.
  4. Gute Dokumentation ist modular. Sie enthält eine prägnante Beschreibung der Beratung. Beratungsmaterialien zu Auftragsklärung und Risikoanalyse können Bestandteil der Dokumentation werden.
  5. Gute Dokumentation darf frühere Dokumentationen oder sonstige Dokumente einbeziehen.
  6. Gute Dokumentation ist in leicht verständlicher Kundensprache verfasst.

Rechtzeitig zum Jahresbeginn stehen die neuen Hilfen auf der Downloadseite des Arbeitskreises kostenlos bereit. Sie bestehen aus zwei Teilen: Eine Gliederung im Word-Format liefert eine schlüssige Struktur für die Dokumentation. Die „Erläuterungen zur Beratungsdokumentation“ dienen als Orientierung und Checkliste für die einzelnen Abschnitte. Vermittler aus der Ausschließlichkeit können das Material ebenso nutzen wie Makler.

Darf man als Makler die Vor- und Nachteile saldieren?

Gerade für Makler bergen Beratung und Dokumentation besondere Herausforderungen: Wenn Verträge „in die Jahre gekommen“ sind, der Risikosituation nicht mehr gerecht werden oder es schlicht bessere Produkte gibt, muss der Makler empfehlen, auf ein besseres Produkt umzustellen. Manchmal enthalten Tarifumstellungen oder Umdeckungen – insbesondere im Verbraucher-Kompositgeschäft – gegenüber dem Altvertrag aber auch Nachteile. Ältere Rechtsschutztarife zum Beispiel versichern noch Kapitalanlagestreitigkeiten. Gleiches gilt für die Wäsche auf der Leine in der Hausratversicherung, die in neueren Bedingungen nicht mehr eingeschlossen ist. Selbstverständlich muss der Kunde erfahren, dass er sich in diesen Punkten verschlechtert, wenn er zu einem Vertrag mit aktuellen Bedingungen wechselt.

Manchmal erschließen sich Vor- und Nachteile erst aus einer Bedingungsauslegung. So ist der Ausschluss von Überspannungsschäden in den VHB 84 von Gerichten kassiert worden. De facto genießt ein Kunde hier unbegrenzten Schutz, obwohl die Bedingungen dies explizit ausschließen.

Makler aus einem klassischen Dilemma befreien

Eine vollständige Gegenüberstellung von Vor- und Nachteilen (Synopse) bleibt Theorie. In der Praxis kann niemand für jede denkbare Schadenkonstellation abschätzen, ob eine alte Formulierung nicht doch von Nutzen sein könnte. Zudem sind nicht alle Bedingungswerke für Makler frei zugänglich. Der Aufwand, sie zu beschaffen und zu bewerten, sprengt schnell jeden vertretbaren Rahmen. Wie intensiv und mit welchem Zeitaufwand sollte ein Vermittler zur Umstellung einer Hausratversicherung mit 150 Euro Jahresbeitrag beraten? Es ist ein klassisches Dilemma: Der Makler muss eigentlich zur Umdeckung raten, kann das aber oft nicht mit vertretbarem Aufwand tun. Haftungsrisiken sind die Folge, egal, wie er sich entscheidet.

Pragmatische Lösungen gefordert

Diesen Konflikt löst der Arbeitskreis für das Breitengeschäft jetzt pragmatisch auf. Unsere Position: Bei einer Umdeckung dürfen Vor- und Nachteile saldiert werden, sofern sich der Kunde unter dem Strich deutlich besser steht. Wesentliche Nachteile müssen jedoch weiterhin Gegenstand der Beratung bleiben. Die nach dieser Abwägung und unter Berücksichtigung eines angemessenen Verhältnisses zwischen Beratungsaufwand und Prämie getroffene Empfehlung ist zu dokumentieren.

Arbeitsmittel für die Praxis

Unser Vorschlag einer plausiblen Saldierung mag noch nicht herrschende Meinung sein. Wir möchten aber ein Umdenken gerade für jene Beratungssituationen bewirken, an denen nur noch Juristen Gefallen finden können. Im Kompositgeschäft brauchen Vermittler und Verbraucher ebenso faire wie praktikable Lösungen. Dass es bei existenziell wichtigen und beratungsintensiven Themen wie Sicherung der Arbeitskraft und Krankenvollversicherung keinen pauschalen Saldo geben darf, versteht sich unter „echten“ Maklern ohnehin von selbst. Versicherungsmakler, die mitreden wollen, können die neuen Unterlagen unter www.beratungsprozesse.de/Downloads (Reiter „Dokumentation“) testen und beispielsweise in der Xing-Gruppe des Arbeitskreises mitdiskutieren.

Den Artikel lesen Sie auch in AssCompact 02/2017, Seite 72 f.

 
Ein Artikel von
Von Marco Habschick