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12/2014
4. Dezember 2014
Beratungsdokumentation auf dem Prüfstand

Beratungsdokumentation auf dem Prüfstand

Die Beratungsdokumentation im Banken- und ­Versicherungsbereich ist erneut ins Visier des Gesetzgebers geraten. Das Verbraucherschutzministerium hat die Praxis der Beratungsdokumentation in einer Studie ­evaluieren lassen und kürzlich Vertreter aus Wirtschaft, ­Politik und Wissenschaft zu dem ganztägigen Symposium „Defizite und Verbesserungsmöglichkeiten der Beratungsdokumentation bei Geldanlage und Versicherungen“ eingeladen, um die Ergebnisse der Studie vorzustellen und mit den eingeladenen Teilnehmern zu erörtern, wie die Dokumentationspraxis verbessert werden könnte.

Offenkundig ist das Thema im Moment politisch hoch aufgehängt. Zur Eröffnung des Symposiums erschienen der Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz Heiko Maas und für das mitveranstaltende Bundesministerium der Finanzen der Parlamentarische Staatssekretär Michael Meister. Nach der Vorstellung der Studie „Evaluierung der Beratungsdokumentation im Geldanlage- und Versicherungsbereich“ präsentierten Verbände und die BaFin ihre Einschätzung zur Beratungsdokumentation. Zwischendurch und am Ende der Veranstaltung hatten die zahlreich erschienenen Teilnehmer Gelegenheit, Fragen zu stellen und Kommentare abzugeben.

Ergebnisse der Studie

Nach der politischen Eröffnung des Symposiums gab der Verfasser der Studie einen Überblick über die wesentlichen Ergebnisse. Die Untersuchung basiert auf vier methodischen Ansätzen: Mystery-Shopping (119 Testkäufe bei vier ­Beratertypen zu sieben Produktgattungen), Verbraucherbefragung (Befragung von 1.003 Verbrauchern zu Beratungsdokumentationen), Analyse (Untersuchung der im Mystery-Shopping gewonnenen Beratungsdokumentationen) und ­Interviews (Befragung von zwölf Experten zu Beratungsdokumentation).

Die Ergebnisse der Studie erscheinen alarmierend: Beratungsdokumentationen werden häufig nicht erstellt und ausgehändigt. Bei Verbrauchern besteht Verwechselungsgefahr mit anderen ausgehändigten Informationen. Versicherungsvermittler ­übergeben kaum Dokumentationen. Bei einem großen Teil der Dokumentation wird eine Kundenunterschrift verlangt. ­Verzicht auf Dokumentation spielt im Versicherungsbereich kaum eine Rolle. Im Geldanlagebereich wünschen 20% der Verbraucher, insbesondere erfahrene Kunden, ein Verzichtsrecht. Ein erheblicher Teil der ausgehändigten Dokumentationen ist unvollständig. Insbesondere fehlen Angaben über die wesentlichen Produkteigenschaften und Begründungen für Empfehlungen. Bei besonders wichtigen Kriterien werden Textbausteine verwendet. Die Verständlichkeit der Dokumentationen ist insgesamt verbesserungsbedürftig.

Handlungsempfehlungen der Verfasser: Im Geldanlagebereich sollen insbesondere bei Empfehlungsbegründungen keine Textbausteine und bei Fragen nach Einkommen und Vermögen keine vorgegebenen Spannen verwendet werden ­dürfen. Die Zeitpunkte der Übermittlung der Dokumentationen im Geldanlage- und Versicherungsbereich sollen harmonisiert werden (vor Abgabe der ­Vertragserklärung). Fernabsatz soll in die Dokumentation einbezogen werden. Für die Kundenunterschrift soll die ­Dokumentation einen Warnhinweis geben. Insgesamt fordern die Verfasser mehr Überwachung und schärfere Sanktionen.

Stellungnahmen und Kritik

Die eingeladenen Verbände übten in ­ihren Stellungnahmen zum Teil heftige Kritik an der Studie. Sie sei nicht repräsentativ, methodisch sowie rechtlich fehlerhaft. Der Vertreter der Deutschen Kreditwirtschaft verwies vor allem auf die im Jahr 2013 insgesamt weit über 32.000 Überprüfungen von Beratungsprotokollen im Geldanlagebereich durch die BaFin mit einer Beanstandungsquote von lediglich 5,88%. Angesichts dessen bescheinigte er der Studie mit lediglich 119 durchgeführten Mystery-Shoppings eine geradezu „anekdotische Evidenz“. Zudem forderte er die Schaffung eines Verzichtsrechts für erfahrene Kunden.

Der Vorsitzende des Vertriebsausschusses des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) begrüßte in seiner Stellungnahme ausdrücklich das Ansinnen der Politik, die Praxis der Beratungsdokumentation zu untersuchen und zu ­verbessern. Er wies jedoch darauf hin, dass die Versicherungswirtschaft bereits intensiv an der Qualität von Beratung und Dokumentation arbeite. So sei im Bereich der gebundenen Vermittler die Erstellung des Beratungsprotokolls im elektronischen Antragsprozess verankert. Außerdem sei die Beratungsdokumentation im Verhaltenskodex des GDV besonders thematisiert. Und mit der Brancheninitiative „gut beraten“ verfolge die Versicherungswirtschaft das Ziel, die weitere Professionalisierung des Berufsstandes der Versicherungsvermittler voranzutreiben. Der mit der Dokumentation verbundene Aufwand müsse für alle Beteiligten einen adäquaten ­Nutzen haben. Die bestehende gesetzliche Grundlage sei aber ausreichend.

Der Vertreter der BaFin sprach mangels anderweitiger Zuständigkeit ausdrücklich nur für den Geldanlagebereich und ­bestätigte dabei die bereits genannte Zahl und das Ergebnis der im Jahr 2013 stattgefundenen Überprüfungen von Geldanlageberatungssprotokollen durch die BaFin. Insgesamt habe sich die Qualität der Protokolle seit 2010 wesentlich verbessert. Anlass zu Beanstandungen gäben zu sehr standardisierte Protokollvordrucke, zu starke Nutzung von Textbausteinen sowie zu wenig Platz für die ­wesentlichen Anliegen und deren ­Gewichtung.

Der Präsident des Bundesverbands ­Deutscher Versicherungskaufleute e.V. (BVK) forderte in seiner Stellungnahme den Gesetzgeber auf, den Berufsstand der Versicherungsvermittler nicht mit weiteren Regulierungen zu belasten. Die Grenze der Belastbarkeit sei längst erreicht. Im Übrigen komme in der Praxis der Qualität der Beratung ein höherer Stellenwert zu als der Dokumentation. Versicherungsvermittler seien in der Breite ehrbare Kaufleute. Die Qualität ihrer Beratung sei ausgezeichnet. Das zeige schon ein Blick auf die (mikroskopischen) Beschwerdequoten beim Ombudsmann. Der Gesetzgeber solle sich lieber um Vergleichsportale kümmern und diese zur Beratung und Dokumentation verpflichten.

Die Vertreterin des Verbraucherzentrale Bundesverbandes hob noch einmal hervor, dass der Verbraucherschutz statt ­einer Dokumentationspflicht lieber eine grundsätzliche Beweislastumkehr gesehen hätte (falsche Beratung wird vermutet?), sich aber im politischen Willensbildungsprozess insoweit nicht durchsetzen konnte. Mittlerweile habe der Verbraucherschutz aber seinen Frieden mit der Beratungsdokumentation gemacht. Es sei allerdings dringend notwendig, die in der Studie aufgezeigten Mängel zu beseitigen. Für den Geldanlagebereich habe der Bundesverband am Vortag bereits einen Protokollvorschlag veröffentlicht und zur Diskussion gestellt. Die abschließende Podiumsdiskussion brachte keine neuen Erkenntnisse.

Fazit

Die Studie mag methodische und rechtliche Mängel beinhalten. Sicher sind die Ergebnisse auch nicht repräsentativ. Dennoch sollten sie als Warnsignal verstanden werden. Es ist, auch ohne Studie, kein Geheimnis, dass es bei allen Beschwichtigungsversuchen in der Praxis der Beratungsdokumentation – ­insbesondere bei Versicherern und Versicherungsvermittlern – weiterhin große Unsicherheit und Optimierungsbedarf gibt. Dass im Vergleich dazu die Ergebnisse im Geldanlagebereich insgesamt besser ausfallen, obwohl die Protokollpflicht für Anlageberatung durch Banken erst 2010, für Anlageberatung durch Finanzanlagenvermittler sogar erst 2013 eingeführt worden ist, lässt sich leicht erklären. Erstens sind die gesetzlichen Vorgaben für Protokolle im Geldanlagebereich deutlich präziser als im Versicherungswesen. Zweitens hat die BaFin in einem Rundschreiben (MaComp 6) die Anforderungen an ein Beratungsprotokoll im Geldanlagebereich ausführlich dargelegt. Vergleichbare Ausführungshinweise gibt es im Versicherungsbereich nicht. Die Branche ist deshalb aufgefordert, die rudimentären Vorgaben des Gesetzgebers zur Beratungsdokumentation selbst und sinnvoll zu konkretisieren. Wer hierzu auf dem Symposium inhaltliche Vorstellungen erwartet hatte, wurde enttäuscht.

Den Text lesen Sie auch in AssCompact 12/2014, Seite 108f.