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Steuern & Recht
14. März 2017
BU-Urteil: Versicherter muss bei Aufklärung vorvertraglicher Ereignisse mitwirken

BU-Urteil: Versicherter muss bei Aufklärung vorvertraglicher Ereignisse mitwirken

Eine Berufsunfähigkeitsversicherung kann im Rahmen der Leistungsprüfung auch ohne einen konkreten Verdacht prüfen, ob eine Anzeigepflichtverletzung vorliegt. Ein Versicherungsnehmer ist in diesem Fall zu einer abgestuften Mitwirkung verpflichtet.

Von Tobias Strübing, Fachanwalt für Versicherungsrecht, Wirth Rechtsanwälte

Ob eine vorvertragliche Anzeigenpflichtverletzung stattgefunden hat, kann eine Berufsunfähigkeitsversicherung im Rahmen der Prüfung der Leistungsfalles auch ohne Verdacht prüfen. Der Versicherte ist dann zu einer abgestuften Mitwirkung verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn sich die Versicherung aufgrund der so gewonnenen Informationen vom Versicherungsvertrag lösen will, die Datenerhebung somit für den Versicherungsnehmer nachteilig sein könnte. Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) nun entschieden.

 In dem vom BGH entschiedenen Sachverhalt hat der Kläger ein Jahr nach Abschluss der Berufsunfähigkeitsversicherung Leistungen geltend gemacht. Die beklagte Versicherung verlangte von dem Kläger auch die Aufklärung über solche ärztlichen Behandlungen, die vor Abschluss der Versicherung stattgefunden haben. Der Kläger weigert sich und reichte Klage ein. Sowohl das Landgericht als auch das Kammergericht Berlin stellten jedoch fest, dass der Versicherte zu der geforderten Mitwirkung verpflichtet sei und wiesen die Klage ab. Diese Urteile wurden nun vom Bundesgerichtshof bestätigt.

Frage nach Anzeigepflichtverletzung auch ohne konkreten Verdacht rechtens 

Grundsätzlich gilt: Meldet ein Versicherungsnehmer einen Versicherungsfall an, darf die Versicherung zunächst ihre Leistungsverpflichtung prüfen. Nach der aktuellen Entscheidung des BGH umfasst dieses Prüfungsrecht nicht nur den konkret angemeldeten Versicherungsfall, sondern gerade auch die Frage, ob sich die Versicherung wegen vorvertraglicher Anzeigepflichtverletzungen vom Vertrag lösen kann. Denn auch diese Frage betrifft – so der BGH – ihre Leistungsverpflichtung. Das war bisher umstritten. Laut BGH ergibt sich jedoch weder aus dem Gesetz, noch aus dem Versicherungsvertrag, dass eine Versicherung vorvertragliche Anzeigepflichtverletzungen nur bei einer konkreten Verdachtslage prüfen darf.

Entbindung von der Schweigepflicht geht zu weit 

Eine vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung kann eine Versicherung nur dann prüfen, wenn der Versicherungsnehmer persönliche Gesundheitsdaten offenbart, er also an der Aufklärung mitwirkt. Entsprechende Mitwirkungspflichten waren im Versicherungsvertrag vereinbart. Diese vertragliche Regelung war zwar teilweise unwirksam, weil die Beklagte von dem Kläger nicht verlangen durfte, unbeschränkte Schweigepflichtsentbindungserklärungen abzugeben. Ein derartiges Recht geht zu weit. Wirksam war laut BGH aber die Vereinbarung, dass der Kläger auf Verlangen der Versicherung die entsprechenden Informationen beibringt, sich also selbst um die Datenerhebung kümmert.

Aufklärung soll stufenweise erfolgen

Zwar hat die Versicherung auch dabei nicht „freie Hand“. Vielmehr soll die Informationsbeschaffung „abgestuft, einem Dialog vergleichbar“ erfolgen, um die Interessen des Klägers zu wahren. Im Ergebnis war der Kläger auf dieser ersten Stufe dazu verpflichtet, ärztliche Behandlungen und Untersuchungen zu offenbaren, die in dem vorvertraglichen Zeitraum stattgefunden haben. Da er sich weigerte, konnte die Beklagte ihre Leistungsverpflichtung nicht prüfen, so dass die Versicherungsleistung nicht fällig geworden ist und die Klage daher derzeit abzuweisen war.

Fazit: Mit diesem Urteil hat der BGH eine grundlegende Rechtsfrage geklärt, die praktisch bei jedem Versicherungsfall in einer Berufsunfähigkeit von Bedeutung sind. Zwar hat der BGH damit die Rechte der Versicherungswirtschaft gestärkt, allerdings nicht einschränkungslos. Vielmehr muss in jedem Einzelfall geprüft werden, ob sich die Versicherung innerhalb der vom BGH nun gesetzten Rahmenbedingungen bewegt hat.

BGH, Urteil vom 22.02.2017, Az.: IV ZR 289/14