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14. Juli 2015
Das sagen Finanzexperten zum Ende der Griechenland-Verhandlungen

Das sagen Finanzexperten zum Ende der Griechenland-Verhandlungen

Nach mehreren erfolglos verstrichenen Fristen ist es diesmal geglückt: Griechenland und die internationalen Verhandlungspartner haben sich auf ein drittes Hilfspaket geeinigt. Ein Grexit ist damit vorerst abgewendet. Anleger feiern die Einigung. Bei Finanzexperten stoßen die Ergebnisse der Verhandlungen dagegen auf geteiltes Echo.

Während eines 17-stündigen Verhandlungsmarathons haben sich Griechenland und die internationalen Geldgeber auf ein neues Hilfspaket geeinigt. Werden die Beschlüsse von den nationalen Parlamenten abgesegnet, erhält das hochverschuldete Land in den nächsten drei Jahren Hilfen im Umfang von bis zu 86 Mrd. Euro, muss dafür aber seinen Staatsapparat und -haushalt stark umbauen und staatliche Unternehmen privatisieren. An den Börsen löste die Einigung Feierstimmung aus. Der Dax legte wie die meisten anderen Leitindizes deutlich zu. Am Ende des Handelstages stand ein Plus von 1,5% auf 11.484 Punkte.

Grexit-Wahrscheinlichkeit wieder unter 50%

Allzu viel Optimismus kommt bei Investmentexperten aber nicht auf. Nahezu einhellig verweisen sie darauf, dass die Reformen am Mittwoch erst noch durch das griechische Parlament müssen. Immerhin habe sich die Wahrscheinlichkeit für einen Grexit aber verringert. „Aus unserer Sicht liegt die Wahrscheinlichkeit nun wieder bei unter 50%“, erläutert etwa Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank. Darüber hinaus zeichne sich aber ab, dass die Regierung von Alexis Tsipras über die Vereinbarung stürzen könnte.

Geldpolitik bleibt extrem locker

Auch Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer bleibt kritisch. Für ihn habe die Verhandlung gezeigt, dass sich Reformen in hochverschuldeten Ländern des Währungsraums nicht in der Breite durchsetzen lassen. Er verweist zudem auf die mangelnde Reformbereitschaft des Euro-Schwergewichts Italien. Daher bestehe die Gefahr, dass die Europäische Zentralbank (EZB) regelmäßig in die Bresche springen muss. Ihre Geldpolitik werde daher noch lange Zeit extrem locker bleiben.

Rückkehr ins Risiko

Optimistischer ist Chris Iggo, CIO Fixed Income bei AXA Investment Managers. „Wenn Griechenland umsetzt, was es versprochen hat, und Europa Geld sendet, dann werden die Finanzmärkte diese Probleme in den Hintergrund rücken lassen“, so Iggo. Die Suche der Investoren nach Renditen dürfte daher nun weitergehen, sich aber wieder vermehrt auf risikoreichere Anlageklassen wie Anleihen der europäischen Peripherie, Hochzinsanleihen oder Nachranganleihen fokussieren.

Euro „äußerst robust“

Chefvolkswirt Thomas Gitzel von der VP Bank verweist derweil darauf, dass sich der oft kritisierte Euro trotz der Querelen im Schuldenstreit „äußerst robust“ gezeigt hat, wodurch nun „ein Grundvertrauen“ in die Währungsunion vorhanden sei. Zudem dürften die nervenaufreibenden Verhandlungen die Euro-Mitgliedsstaaten enger zueinander rücken lassen. „Zum zweiten Griechenland möchte wohl kein Mitgliedsland werden“, so Gitzel. Die Champagnerflaschen der Investoren sollten trotz allem vorerst im Kühlschrank bleiben.

Banken begrüßen Einigung

Die deutschen Banken reagierten positiv auf die Einigung. „Wir begrüßen, dass sich die europäischen Partner in einem Gipfelmarathon endlich geeinigt haben und die Hängepartie beendet ist“, so Michael Kemmer, Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes. „Das war ein Warnschuss für Europa.“ Es sei wichtig gewesen, dass die Bundesregierung immer wieder die Bedeutung der Eigenverantwortung der Mitgliedsstaaten betont hat. Nun müssten die übrigen Euro-Staaten weiterhin eng und nachhaltig überprüfen, ob Griechenland die Reformen auch tatsächlich umsetzt. Die kurzfristige Erleichterung dürfe schließlich nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Probleme des Landes enorm seien und sich zudem in den letzten sechs Monaten dramatisch verschärft hätten. (mh)