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23. November 2017
Das Zweite Pflegestärkungsgesetz – Wird die private Pflegeversicherung zum Auslaufmodell?

Das Zweite Pflegestärkungsgesetz – Wird die private Pflegeversicherung zum Auslaufmodell?

Warum die private Vorsorge ein wichtiger Beitrag zur Sicherung der finanziellen Unabhängigkeit im Alter und zur Enthaftung von Familienangehörigen ist, erklärt Alexander Schrehardt, Geschäftsführer der Consilium Beratungsgesellschaft für betriebliche Altersversorgung mbH, zum Auftakt des AssCompact Themennewsletter Pflege, der im Nachgang zum DKM Kongress Pflege erscheint.

Mit der zweiten Stufe des Zweiten Pflegestärkungsgesetzes hatte der Gesetzgeber zum 01.01.2017 nicht nur einen neuen Begriff der Pflegedürftigkeit eingeführt und die bisherigen Pflegestufen gegen die neuen Pflegegrade substituiert, sondern auch die Leistungen der ambulanten Pflege verbessert. Mit der Erhöhung des Pflegetagegelds und der Pflegesachleistungen für die Pflegegrade 2 und 3 gegenüber den bisherigen Pflegestufen 1 und 2 hat der Gesetzgeber weitere Anreize für die häusliche Laienpflege durch vor allem Familienangehörige geboten.

Die Pflegebedürftigkeit eines Angehörigen ist nicht nur für den Betroffenen ein Schicksalsschlag, sondern stellt auch die Mitglieder der Familie vor oftmals hohe Herausforderungen. Auch die demografischen Verwerfungen in der deutschen Gesellschaft werden in den nächsten Jahren und Jahrzehnten der häuslichen Laienpflege vermehrt entgegenstehen. Eine steigende Lebenserwartung und ein seit Jahrzehnten durchgängiger Geburtenunterschuss katalysieren die Überalterung der Gesellschaft und ein wachsendes Missverhältnis von Pflegebedürftigen und potenziellen Laienpflegern. Auch die in der Arbeitswelt vermehrt geforderte Flexibilität bezüglich Arbeitsort und -zeit erschwert in vielen Fällen die Übernahme pflegerischer Aufgaben.

Pflegezeit und Familienpflegezeit

Mit Wirkung zum 01.07.2008 hatte der Gesetzgeber die Pflegezeit und zum 01.01.2012 die Familienpflegezeit eingeführt. Während Arbeitnehmer in Unternehmen mit mindestens 16 Beschäftigten seit Einführung einen Rechtsanspruch auf eine maximal sechsmonatige Pflegezeit hatten, bedurfte die Inanspruchnahme einer Familienpflegezeit in den ersten Jahren der Zustimmung des Arbeitgebers. Seit 01.01.2015 können Arbeitnehmer in Unternehmen mit mindestens 26 Beschäftigten eine Reduzierung ihrer regelmäßigen Arbeitszeit auf bis zu 15 Wochenstunden im Rahmen einer maximal zweijährigen Familienpflegezeit einfordern.

Mit der Einführung der Pflege- und nachfolgend der Familienpflegezeit hatte der Gesetzgeber einen wichtigen Beitrag für eine bessere Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf geleistet. Die für die Dauer einer Pflegezeit vollständige und während einer Familienpflegezeit teilweise Einbuße des laufenden Einkommens kann von Arbeitnehmern mit einem Darlehen des Bundesamtes für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben mit bis zu 50% kompensiert werden. Die Akzeptanz dieses Angebotes des Gesetzgebers ist allerdings seitens der Bürger – euphemistisch ausgedrückt – noch zurückhaltend. Während die Bundesregierung die Nachfrage auf eine Familienpflegezeit in Verbindung mit einem Darlehen des Bundesamtes für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben für das Jahr 2015 mit 13.140 Anträgen prognostizierte, bezifferte sich die Zahl der ausgereichten Darlehen in diesem Zeitraum gerade einmal mit 119.

Der einrichtungseinheitliche Eigenanteil

Mit dem neuen Leistungsrecht hatte der Gesetzgeber zum 01.01.2017 die Leistungen der vollstationären Pflege für die Pflegegrade 2 und 3 gegenüber den bisherigen Pflegestufen 1 und 2 gekürzt. Gleichzeitig wurde der einrichtungseinheitliche Eigenanteil an den vollstationären Pflegekosten eingeführt, das heißt, Versicherte der Pflegegrade 2 bis 5 müssen unabhängig von ihrem Pflegegrad den gleichen Anteil an den vollstationären Pflegekosten tragen. Diese teilweise sehr euphorisch aufgenommene Neuregelung bedarf allerdings einer etwas genaueren Betrachtung. So bezieht sich der einrichtungseinheitliche Eigenanteil nur auf die Pflege- und nicht auf die Hotelkosten, das heißt, sowohl die oftmals üppig bemessene Investitionskostenpauschale, als auch die Unterbringungs- und Verpflegungskosten gehen in vollem Umfang zu Lasten des pflegebedürftigen Bewohners.

Der einrichtungseinheitliche Eigenanteil ist auch kein statischer Kostenfaktor. So bezifferte beispielsweise die Geschäftsleitung eines Nürnberger Seniorenheims im Dezember 2016 den ab 01.01.2017 gültigen Eigenanteil der Bewohner mit 479,59 Euro pro Monat. Bereits zum 01.02.2017 wurde der Eigenanteil auf 747,42 Euro und zum 01.08.2017 auf 1.039,76 Euro pro Monat angepasst. Das heißt, innerhalb von nur sieben Monaten hatten sich die Kosten für die Bewohner um fast 117% erhöht. In diesem Zusammenhang muss ferner berücksichtigt werden, dass die Pflegeheime für Versicherte der Pflegegrade 2 und 3, die bereits in 2016 in vollstationärer Pflege versorgt wurden, noch die ungekürzten Leistungen der vollstationären Pflege erhalten haben.

Die Kosten kennen nur einen Weg ...

An dieser Stelle soll nun wahrlich kein apokalyptisches Szenario skizziert werden. Allerdings besteht auch kein Anlass für eine Vogel-Strauß-Politik. Mit der Überalterung der deutschen Gesellschaft werden die Pflegefallzahlen und die Kosten weiter steigen. Ein Blick auf die Leistungen der Sozialhilfe unterstreicht diese Aussage nachhaltig. Während im Zeitraum von 2006 bis 2015 die Zahl der pflegebedürftigen Sozialhilfeempfänger von 366.155 um 23,1% auf 450.674 anstieg, erhöhten sich die Leistungszahlungen der Sozialhilfe im gleichen Zeitraum um 41,1%. An dieser Stelle darf nicht unerwähnt bleiben, dass Unterhaltszahlungen von Familienangehörigen den Leistungen der Sozialhilfe vorgehen.

Nach Art. 1 Grundgesetz ist die Würde des Menschen unantastbar. Auch im Fall der Pflegebedürftigkeit sollte und darf die persönliche Würde nicht auf dem Altar der Kosten geopfert werden. Die private Vorsorge ist somit ein wichtiger Beitrag zur Sicherung der finanziellen Unabhängigkeit, zur Enthaftung von Familienangehörigen und damit zum Erhalt der persönlichen Würde.

Zum DKM Kongress Pflege und weitere Beiträge

Der DKM Kongress Pflege war Teil des Wissenangebots der DKM 2017 und wurde in Kooperation mit der Consilium Beratungsgesellschaft für betriebliche Altersversorgung mbH durchgeführt. In Zusammenhang mit dem Kongress ist dieser AssCompact Themennewsletter entstanden. Folgende Artikel sind enthalten:

 
Ein Artikel von
Alexander Schrehardt