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13. Oktober 2015
Der rechtliche Unterschied zwischen Vermittlung und Beratung

Der rechtliche Unterschied zwischen Vermittlung und Beratung

Der rechtliche Unterschied zwischen Beratung und Vermittlung ist nicht immer klar. In der Vertriebspraxis gehört beides irgendwie zusammen. Erst wird beraten, dann vermittelt. So die landläufige Vorstellung. Intermediäre werden teils Vermittler, teils Berater genannt. Doch wo sind die Unterschiede?

Kürzlich sorgte die Schlagzeile „Ministerium gibt Entwarnung: Honorarberater dürfen auch vermitteln“ für mediale Aufmerksamkeit. Der kritische Betrachter horcht auf. Schließlich schreibt der frühere Leiter der Unterabteilung Gewerberecht im Bundeswirtschaftsministerium und verantwortlicher Verfasser der §§ 34d und 34f GewO im Kommentar zu § 34f GewO, dass in der Praxis eine Anlageberatung doch in der Regel in eine Anlagevermittlung aufgeht. Offenbar gibt es nicht nur im Wirtschaftsministerium Schulungsbedarf bei der Auslegung der Begriffe Vermittlung und Beratung.

Der rechtliche Unterschied zwischen Beratung und Vermittlung ist nicht immer klar. In der Vertriebspraxis gehört beides irgendwie zusammen. Erst wird beraten, dann vermittelt. So die landläufige Vorstellung. Intermediäre werden teils Vermittler, teils Berater genannt. Und doch ist der Unterschied relevant. So sieht zum Beispiel die Finanzanlagenvermittlungsverordnung (FinVermV) unterschiedliche Pflichten für Anlageberatung und Anlagevermittlung vor. Doch wo sind die Unterschiede?

Versicherungsvermittlung und Versicherungsberatung

Im Versicherungsrecht ist die Unterscheidung scheinbar einfach. Dort wird unter Versicherungsvermittlung eine gewerbsmäßige Tätigkeit verstanden, die den konkreten Abschluss eines Versicherungsvertrages umfasst, auf ihn abzielt oder zumindest die Möglichkeit eines späteren Vertragsschlusses eröffnet. Damit werden vom Begriff der Vermittlung sowohl der Abschluss von Versicherungsverträgen wie auch die (vorherige) Versicherungsberatung als Teile der Versicherungsvermittlung grundsätzlich umfasst. Gewerberechtlich wird noch zwischen Versicherungsberatern (§ 34e GewO) und Versicherungsvermittlern (§ 34d GewO) unterschieden. Der Unterschied wird aber im Wesentlichen an der Vergütung festgemacht: Versicherungsberater dürfen keine Provisionen nehmen. Dagegen gibt es bei den gesetzlichen Beratungspflichten keine Unterschiede. Für Versicherungsberater gelten dieselben Beratungspflichten wie für Versicherungsmakler (§ 68 VVG). Und diese unterscheiden sich nur im Hinblick auf die Beratungsgrundlage von den Pflichten der Versicherungsvertreter (§ 60 VVG). Darüber hinaus schließen Versicherungsmakler und Versicherungsberater mit ihren Auftraggebern regelmäßig Geschäftsbesorgungsverträge, die die jeweiligen gesetzlichen Beratungspflichten konkretisieren und ergänzen.

Im Versicherungsbereich gibt es für die Intermediäre, die einen Vertragsschluss zwischen Versicherungsunternehmen und Versicherungsnehmer begleiten, demzufolge nur einen eindimensional strukturierten und grundsätzlich einheitlichen Beratungs- und Vermittlungsansatz, der einen grundsätzlich einheitlichen Prozess vorsieht und gleichförmige Pflichten (Befragung, Empfehlung Begründung) auslöst.

Anlageberatung und Anlagevermittlung

Im Kapitalanlagerecht ist die Situation ungleich schwieriger. Im KWG und im WpHG wird zwischen Anlagevermittlung, Anlageberatung und Honoraranlageberatung unterschieden. Das bedeutet unterschiedliche Erlaubnisse und unterschiedliche Pflichten. Noch komplizierter ist das Finanzanlagenvermittlerrecht. Hier gibt es zwar eine einheitliche gewerberechtliche Erlaubnis für Finanzanlagenvermittler (§ 34f GewO). Doch die Finanzanlagenvermittlungsverordnung unterscheidet bei den Pflichten der Finanzanlagenvermittler inhaltlich zwischen Anlageberatung und Anlagevermittlung. Neuerdings gibt es sogar eine separate Erlaubnis für Honorar-­Finanzanlagenberater. Wo sind hier die Unterschiede?

Allgemein gilt: Anlagevermittlung erbringt, wer einem Anleger ein konkretes Geschäft über die Anschaffung oder über die Veräußerung einer Finanzanlage vorstellt und ihn zu überzeugen versucht, dieses Geschäft abzuschließen. Anlageberatung erbringt dagegen, wer gegenüber dem Kunden eine persönliche Empfehlung über die Anschaffung oder über die Veräußerung einer Finanzanlage abgibt, die auf eine Prüfung der persönlichen Umstände des Anlegers gestützt oder als für ihn geeignet dargestellt wird. Eine Anlageberatung liegt auch vor, wenn es im Anschluss an eine persönliche Empfehlung zu einem Vertragsschluss kommt. In diesen Fällen sind auf jeden Fall die strengen Pflichten der Anlageberater zu beachten. Die Unterscheidung ist erheblich. Denn die Pflichten bei Anlageberatung (Anlegerexploration, Geeignetheitsprüfung, Informationsblatt, Beratungsprotokoll) gehen deutlich über die Pflichten bei der Anlagevermittlung (Angemessenheitsprüfung) hinaus.

Anders als bei der Versicherungsvermittlung gibt es für Intermediäre im Kapitalanlagerecht einen zweidimensional strukturierten Vermittlungsansatz, der zwei unterschiedliche Prozesse vorsieht und Unterschiede bei den Beratungspflichten auslöst. Neben dem klassischen Ansatz – erst Beratung, dann Vermittlung – gibt es einen weiteren: nur Vermittlung.

Ob eine Anlagevermittlung oder eine Anlageberatung vorliegt, ergibt sich im Zweifel aus den Gesamtumständen des Einzelfalls. Dabei ist nicht nur der jeweilige Tatbestand des WpHG oder der FinVermV maßgeblich. Denn die Rechtsprechung geht in der Regel davon aus, dass zwischen dem Intermediär und dem Anleger stillschweigend entweder ein Vermittlungs- oder ein Beratungsvertrag mit unterschiedlichen Vertragspflichten geschlossen wird. Für die Abgrenzung kommt es vor allem auf das Auftreten des Finanzanlagenvermittlers und der entsprechenden Wahrnehmung des Kunden, den sogenannten Empfängerhorizont an. Von einer Anlageberatung kann ausgegangen werden, wenn der Eindruck einer objektiven Beratung vermittelt wird und der Berater die Auswahl unter verschiedenen Produkten ermöglicht oder die Produktauswahl am Anlegerinteresse ausgerichtet wird. Eine Bewertung von Produkten ist ebenfalls ein Indiz für Anlageberatung. Für einen Anlagevermittler spricht dagegen, wenn dieser als Repräsentant eines Produktanbieters auftritt, keine Produktauswahl und keine Produktbewertung vornimmt und insgesamt der Produktverkauf im Vordergrund steht.

Finanzanlagenvermittler sind deshalb gut beraten, ihre Strategie und ihr Auftreten gegenüber ihren Kunden im Vorfeld gründlich zu klären. Wer als Berater auftritt, muss im Zweifel auch für (fehlerhafte) Beratung haften. Entspricht der Verlauf der Finanzanlage nicht den Erwartungen des Kunden, wird die Frage aufgeworfen, ob die Anlage für den Kunden tatsächlich geeignet war und eine Alternative nicht sinnvoller gewesen wäre. Ein Schadenersatzanspruch ist möglicherweise die Folge.

Für Honorar-Finanzanlagenberater gelten weitere Besonderheiten: nur Anlageberatung und keine Provisionen. Außerdem müssen sie – weitergehend als der Finanzanlagenvermittler im Falle der Anlageberatung – ihrer Empfehlung eine hinreichende Anzahl von auf dem Markt angebotenen Finanzanlagen zugrunde legen.

Es muss aber zweifelsfrei möglich sein, dass ein Honorar-­Finanzanlagenberater diejenigen Handlungen vornimmt, die notwendig sind, um seinem Kunden auch das beratene Finanzprodukt zu verschaffen, solange nur gewährleistet ist, dass dafür keine Zuwendungen fließen. Eine „Vermittlung“ im anlagerechtlichen Sinne liegt dann ja gar nicht vor. Es ist deshalb nicht hilfreich, wenn das Ministerium insoweit die „Vermittlung“ freigibt. Vielleicht hilft demnächst eine Vokabelreform.

Den Artikel lesen Sie auch in AssCompact 10/2015, Seite 124f.

Hans-Ludger Sandkühler ist Rechtsanwalt und mit der Kanzlei Sandkühler & Schirmer insbesondere auf Versicherungs- und Versicherungsvertriebsrecht spezialisiert. Er ist ausgewiesener Experte in Maklerfragen, gefragter Referent und Autor zahlreicher Veröffentlichungen. Außerdem ist Hans-Ludger Sandkühler Mitinitiator des Arbeitskreises „Beratungsprozesse“ sowie Geschäftsführer des Instituts für Verbraucherfinanzen.