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Steuern & Recht
8. Oktober 2015
Die Dokumentationspflicht des Vermittlers im Fokus der Rechtsprechung

Die Dokumentationspflicht des Vermittlers im Fokus der Rechtsprechung

Die Dokumentation der Kundenberatung gehört zum Handwerkszeug eines jeden Vermittlers. War anfangs noch unklar, welchen Inhalt die Dokumentation vorweisen muss, hat die Rechtsprechung nach und nach Grundsätze festgelegt. Wichtig: Eine reine Checkliste reicht in der Regel nicht aus.

Die Dokumentationspflicht des Versicherungsvermittlers folgt aus § 61 Abs. 1 Satz 2 VVG, wonach der Versicherungsvermittler „dies“ unter Berücksichtigung der „Komplexität des angebotenen Versicherungsvertrags“ nach § 62 VVG zu dokumentieren hat. § 62 VVG regelt dann zwar die Einzelheiten, wie zu dokumentieren ist, nämlich vor allen Dingen in Textform. Unklar ist allerdings, was der Gesetzgeber unter dem Wort „dies“ verstanden hat, denn nähere Ausführungen im Gesetzestext zum Inhalt der Dokumentation fehlen.

So ist nach dem Gesetzeswortlaut schon unklar, ob von einem Beratungsprotokoll oder dem Dokumentieren eines Ergebnisses auszugehen ist. Die Gesetzesbegründung, die von „Beratungsprotokollen“ spricht, scheint allerdings eher die Dokumentierung des gesamten Beratungsprozesses und nicht nur des Beratungsergebnisses im Auge gehabt zu haben. Auch Versicherungswissenschaft und Praxis scheinen von diesem Verständnis einer Dokumentation auszugehen, wie die Kommentierungen zu den §§ 61, 62 VVG und die in der Branche entwickelten Dokumentationen unterschiedlichen Inhalts zeigen.

Für den Rechtspraktiker und auch den Versicherungsvermittler selbst ist aber natürlich wichtig, wie denn die Rechtsprechung den Begriff „dies“ konkretisiert. Sie hat in der Vergangenheit erfreulicherweise mehr und mehr Klarheit geschaffen, was den Inhalt der Dokumentation betrifft.

Gesamte Beratung im Fokus

So verlangt das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe in seinem Urteil vom 15.09.2011 (Az.: 12 U 56/11) einen nachvollziehbaren und geordneten Überblick über alle wesentlichen leistungs- und beitragsrelevanten Unterschiede der bestehenden und angebotenen Versicherung, wenn ein Versicherungsmakler empfiehlt, eine bestehende Rentenversicherung zu kündigen, um einen neuen Lebensversicherungsvertrag abzuschließen. Ausdrücklich betont das OLG Karlsruhe, die Dokumentationspflicht erstrecke sich nicht lediglich auf den erteilten konkreten Versicherungsrat, sondern auch auf den wesentlichen Inhalt der gesamten Beratung. Das wird man auf die Dokumentationspflicht eines Versicherungsvertreters übertragen können.

Vorsicht vor Dokumentationshilfen

Für Versicherungsvermittler liegt nahe, sich bei der Erfüllung der Dokumentationspflicht vorformulierter Dokumentationshilfen zu bedienen, um sicherzustellen, dass der Beratungsprozess weitgehend standardisiert werden kann. Der Einsatz derartiger Formulare kann gewährleisten, dass in einem Beratungsgespräch üblicherweise abzuarbeitende Punkte nicht übersehen werden. Diese Hilfen bergen aber auch die Gefahr, dass der konkrete Einzelfall übersehen wird, weil sich der Vermittler sozusagen „sklavisch“ an den Vorgaben des Musters orientiert und zum Beispiel gar nicht überprüft, ob dieses zu dem konkreten Einzelfall passt.

Das OLG München hat in seinem Urteil vom 22.06.2012 (Az.: 25 U 3343/11) klargestellt, dass die Verwendung einer vorgefertigten Dokumentation allein nicht ausreicht, wenn sich das Dokumentieren in einem schematischen Ankreuzen nach bestimmten Themenbereichen erschöpft und unter anderem jegliche Angaben fehlen, welche konkrete Motivation der Beratung zugrunde lag und was die wesentlichen Gründe für den erteilten Rat waren. Ausdrücklich hat das OLG München moniert, dass in der vom OLG zu beurteilenden Dokumentation noch nicht einmal die Eckdaten des gewählten Produkts angegeben und Themenbereiche abgearbeitet worden waren, die ersichtlich mit dem konkreten Beratungsvorgang nichts zu tun hatten. Die Kundenwünsche waren nicht konkret festgehalten worden, sodass die Motivation des Versicherungsnehmers, seinen Versicherer zu wechseln, völlig unklar war. Auch fehlte jegliche Dokumentation der Aufklärung über die mit einem Wechsel verbundenen erheblichen Risiken. Eine solche Dokumentation ist aus Sicht der Rechtsprechung unbrauchbar.

Diese Rechtsauffassung haben das OLG Naumburg in seinem Urteil vom 05.12.2013 (Az.: 4 U 27/13), das OLG Frankfurt in seinem Urteil vom 30.01.2014 (Az.: 12 U 146/12) und auch der BGH in seinem Urteil vom 13.11.2014 (Az.: III ZR 544/13) ausdrücklich geteilt. Auch das OLG Frankfurt kritisierte in seinem Urteil, dass eine Angabe zu den wesentlichen Gründen der Entscheidung, insbesondere eine Darstellung der Gründe für und gegen die Erteilung einer Empfehlung fehlte. Der BGH führt in seinem Urteil ausdrücklich aus: „Die Funktion der vom Gesetzgeber vorgeschriebenen Dokumentationspflicht liegt vornehmlich darin, dass der Versicherungsnehmer mit einer Beratungsdokumentation die wesentlichen Inhalte der Beratung vor Augen geführt und an die Hand bekommt.“

Dieser kursorische Überblick über die aktuelle Rechtsprechung zeigt, dass die Verwendung einer reinen Checkliste nicht ausreicht, um der Dokumentationspflicht gerecht zu werden. Damit stellt sich natürlich die Frage, mit welchen Folgen ein Versicherungsvermittler rechnen muss, der die Dokumentationspflicht nicht oder nicht vollständig erfüllt.

Beweislastumkehr zulasten des Versicherungsvermittlers

Genügt die Dokumentation den Anforderungen der Rechtsprechung nicht, so hat dies nach der Gesetzesbegründung eine Beweiserleichterung zugunsten des Versicherungsnehmers zur Folge, die bis hin zu einer Beweislastumkehr bei völligem Fehlen der Dokumentation oder schweren Mängeln der Dokumentation führen kann. In diesen beiden Fällen wird zulasten des Versicherungsvermittlers vermutet, dass er den Kunden auch unzureichend beraten hat.

Die bisherige Rechtsprechung tendiert durchaus dazu, sehr häufig eine Beweislastumkehr zulasten des Versicherungsvermittlers anzunehmen. Dieser kann sich gegen den Vorwurf einer Pflichtverletzung dann zwar mithilfe anderer Beweismittel, zum Beispiel einer Zeugenaussage, wehren. Gerade wenn der Beratungsvorgang aber eine lange Zeit zurückliegt, erweisen sich Zeugenaussagen häufig als unzuverlässig. Liegt demzufolge eine Dokumentation mit erheblichen Mängeln vor oder fehlt die Dokumentation gar vollständig, so wird sich der Versicherungsvermittler in vielen Fällen nicht erfolgreich gegen den Vorwurf einer Beratungspflichtverletzung wehren können. Ob dann daraus tatsächlich auch ein Schadenersatzanspruch des Auftraggebers resultiert, hängt von der weiteren Prüfung des Schadenfalls, insbesondere der Kausalität der Schlechtberatung für einen konkreten Schaden des Kunden ab. Die Verteidigung des Versicherungsvermittlers gegen einen geltend gemachten Schadenersatzanspruch ist bei vollständigem Fehlen einer Beratungsdokumentation oder Verwenden einer mangelhaften Beratungsdokumentation aber deutlich erschwert. Ob der Versicherungsvermittler auch im Verhältnis zu seinem Berufshaftpflichtversicherer Folgen zu befürchten hat, wird unter anderem von dem Inhalt seines Versicherungsvertrags abhängen.

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass vorformulierte Checklisten nur ein Hilfsmittel bei der Erstellung einer korrekten Dokumentation darstellen können. Die Anforderungen der Rechtsprechung an die Qualität der Dokumentation verschärfen sich. Sollte sich dies nicht auf die Qualität der Dokumentation auswirken, ist eine Reaktion des Gesetzgebers spätestens im Rahmen der Umsetzung der IDD (Insurance Distribution Directive) zu erwarten.

Den Artikel lesen Sie auch in AssCompact 10/2015, Seite 154f.

 
Ein Artikel von
Dr. Frank Baumann LL.M., Rechtsanwalt bei Wolter Hoppenberg Rechtsanwälte Partnerschaft mbB