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9. August 2011
Die Unfallversicherung tritt aus dem Schatten der BU-Versicherung

Die Unfallversicherung tritt aus dem Schatten der BU-Versicherung

In den vergangenen Jahrzehnten wurde die Unfallversicherung von vielen Vermittlern oft nur als billige, aber inhaltlich unzureichende Ersatzlösung für die Absicherung von Berufsunfähigkeitsrisiken verkauft. Vor dem Hintergrund der hohen Fallzahlen von Freizeit- und Unfällen, aber auch mit Blick auf die sich wandelnde Altersstruktur der Gesellschaft sollte der Unfallversicherung vermehrte Aufmerksamkeit zukommen.

Die #Unfallversicherung - tritt sie aus dem Schatten der BU?...

Von Alexander Schrehardt

Geschäftsführer der Consilium Beratungsgesellschaft für betriebliche Altersversorgung mbH

Bei der Einschätzung von Unfallrisiken und möglicher Unfallfolgen sollten nicht nur das Todesfallrisiko oder eine dauerhafte Invalidität des Versicherten berücksichtigt werden. Wichtig sind vor allem die hohen Kosten für postoperative Rehabilitationsmaßnahmen und die oftmals eng umschriebenen Leistungskataloge der gesetzlichen Krankenkassen und Rentenversicherungsträger. Auch Privatversicherte sind hier betroffen. Sofern der Versicherte der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht unterliegt oder in früheren Jahren ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis bestand, obliegt die Kostenübernahme für die medizinische Rehabilitations-behandlung wie auch die Wahl des Klinikums dem gesetzlichen Rentenversicherungsträger (§ 15 Abs. 1 und 2 SGB VI). Wählt der Versicherte für seine Behandlung eine andere als die vorgeschlagene Klinik, so bringt der private Krankenversicherer regelmäßig den bundeseinheitlichen Durchschnittspflegesatz der Kliniken der Deutschen Rentenversicherung Bund mit 110,00 Euro / Tag als Selbstbeteiligung für den Versicherten in Abzug.

Unfall oder Eigenbewegung?

Nach den aktuellen Musterbedingungen des GDV (AUB 2010) wird ein Unfall als ein plötzlich von außen auf den Körper wirkendes Ereignis definiert, bei dem die versicherte Person unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet. Gelenks-, Sehnen- oder Muskelverletzungen an den Gliedmaßen und der Wirbelsäule als Folge einer ࿬erhöhten Kraftanstrengung werden nach den AUB 2010 ebenfalls unter dem Unfallbegriff subsummiert. Zu den typischen Alltagsbeispielen für Unfälle im Sinne der AUB 2010 zählen somit zum Beispiel Kollisionen mit ࿬anderen Personen, Tieren oder Gegenständen, spontane Sturzereignisse oder auch Gesundheitsschädigungen durch chemische oder elektrische Einwirkungen.

Im Jahr 2009 wurden von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin in Deutschland über acht Millionen Personenunfälle erfasst. Basiert der vermeintliche Unfall auf einer willensgesteuerten Eigenbewegung der versicherten Person, so liegt ein ersatzpflichtiger Schadenfall regelmäßig nicht vor. In der Rechtsprechung finden sich als typische Beispiele für nicht ersatzpflichtige „Unfallverletzungen“ infolge Eigenbewegung ein durch das Anheben eines schweren Gegenstandes ausgelöster Bandscheibenvorfall oder die Verletzung eines Fußgelenkes durch Umknicken beim Aussteigen aus dem Auto.

Leistungsausschlüsse für Unfälle infolge von Medikamenteneinfluss

Nach den Musterbedingungen des GDV (AUB 2010) wird der Versicherer auch für Unfälle infolge von Geistes- oder Bewusstseinsstörungen, von Alkoholeinfluss, Schlaganfällen und epileptischen Attacken von der Leistung freigestellt (AUB 2010 Ziffer 5.1.1. Satz 1). Die Palette möglicher Ursachen für eine Bewusstseinsstörung ist dabei breit gefächert. So können zum Beispiel die Einnahme von blutdrucksenkenden Medikamenten oder auch die Anwendung von Augentropfen zu einer Veränderung des Bewusstseins führen.

Durch die Mitversicherung möglicher Bewusstseinsstörungen, die durch die Einnahme ärztlich indizierter und verordneter Medikamente ausgelöst wurden, kann Versicherungsschutz signifikant aufgewertet werden. Die Aufnahme von epileptischem Anfall, Herz- und Hirninfarkt als mögliche Auslöser einer Bewusstseinsstörung mit Unfallfolge in die Versicherungsbedingungen sichert vor allem der Zielgruppe 50+ einen verbesserten Versicherungsschutz. Hierbei sollte allerdings beachtet werden, dass der Versicherer auch unter Berücksichtigung dieser verbesserten Vertragsbedingungen nur für die resultierenden Unfallfolgen, zum Beispiel Frakturen, nicht aber für Lähmungen, Sprachstörungen usw. in der Leistungspflicht steht.

Mitwirkungsanteil von Vorerkrankungen

Auch die mögliche Mitwirkung von bestehenden Vorerkrankungen oder dem Unfall vorhergehenden Ereignissen wird untersucht. Erleidet ein Autofahrer einen Herz- oder Hirninfarkt vor dem Unfall oder war die versicherte Person mit unfallbedingten Knochenfrakturen an Adipositas oder Osteoporose erkrankt, so ist in diesen Fällen der Mitwirkungsanteil der Vorerkrankung am Unfallgeschehen zu ermitteln. Nach den Musterbedingungen zur Unfallversicherung wird die Leistungszahlung des Versicherers um den Prozentsatz des Mitwirkungsanteils der Vorerkrankung gemindert. Ein Mitwirkungsanteil kleiner 25% bleibt bei der Bemessung der Leistungszahlung indes unberücksichtigt (AUB 2010 Ziffer 3). Vor allem für ältere und mit Vorerkrankungen belastete Versicherte ist eine Erhöhung des berücksichtigungsfreien Mitwirkungsanteils oder ein vollständiger Verzicht des Versicherers auf eine Anrechnung von Vorerkrankungen von Vorteil. Auch hier ist jedoch zu beachten, dass für die Bemessung der Versicherungsleistung nur die tatsächlichen Unfallfolgen gegenständlich sind.

Stolperstein Obliegenheitspflichten und Anspruchsfristen

Nachdem die Höchstversicherungssummen und die Beitragskalkulation die berufliche Tätigkeit des Versicherten berücksichtigen (Neuregelung für Frauen nach Unisextarifen ab 21.12.2012), ist der Versicherungsnehmer bei einer Änderung seiner bzw. der ࿬Berufstätigkeit einer versicherten Person zur unverzüglichen Anzeige gegenüber dem Versicherer verpflichtet (AUB 2010 Ziffer 6.2.1). Sofern ein Unfall eine Leistungspflicht des Versicherers erwarten lässt, muss die verletzte Person umgehend einen Arzt konsultieren. Ein unfallbedingter Todesfall ist nach den Musterbedingungen, auch nach bereits erfolgter Unfallanzeige, dem Versicherungsunternehmen binnen 48 Stunden zu melden (AUB 2010 Ziffer 7.5). Ein Leistungsanspruch aufgrund einer unfallbedingten und ärztlich festgestellten Invalidität muss innerhalb von 15 Monaten bei dem Versicherungsunternehmen geltend gemacht werden (AUB 2010 Ziffer 2.1.1.1). Ein Verstoß gegen die vertraglichen Obliegenheitspflichten kann den Versicherer von seiner Leistungspflicht freistellen. Eine Fristenverlängerung für die Meldung von Todesfällen und die Anmeldung von Leistungsansprüchen wegen Invalidität können das Risiko einer Verletzung von Obliegenheitspflichten reduzieren.

Die kritische Prüfung von Versicherungsbedingungen und die Ausarbeitung eines qualifizierten Unfallkonzepts stellen für den Versicherungsmakler einen nicht unerheblichen Aufwand dar. Mit der Ausrichtung des Angebots auf ausgewählte Berufsgruppen oder Sportarten können indes Multiplikationseffekte und auch neue Kundenverbindungen generiert werden.

 
Ein Artikel von
Alexander Schrehardt