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Sonderthema Prozessoptimierung
20. Juni 2016
Digitalisierungsoffensive in der Schadenbearbeitung gefordert

Digitalisierungsoffensive in der Schadenbearbeitung gefordert

Die Schadenbearbeitung nimmt im Vermittlerbüro viel Zeit in Anspruch. Optimierungspotenzial gibt es vor allem in der Kommunikation zwischen Makler und Versicherer. AssCompact hat darüber mit Andreas Vollmer, BVK-Vizepräsident und Gesellschafter-Geschäftsführer der Hasenclever + Partner GmbH + Co. KG, gesprochen

Herr Vollmer, eine rasche und transparente Schadenbearbeitung durch den Versicherer sorgt für zufriedene Kunden. Und davon profitiert natürlich auch der Vermittler. Läuft es mal nicht so glatt, bindet dies beim Vermittler vor allem Zeit. Was sind Ihre Erfahrungswerte? Wie viel Zeit verbringen Vermittler mit der Schadenbearbeitung?

Der Aufwand, den sich Vermittler mit der Schadenbearbeitung machen, ist sehr unterschiedlich. Das Dienstleistungsangebot von Vermittlern im Schadenfall differiert sehr. Es gibt Makler und Agenturen, die mit ihren Kunden vereinbaren, im Schadenfall zunächst den Direktkontakt zum Versicherer zu suchen und im Zweifelsfall als Vermittler nur bei Problemen in der Regulierung eingeschaltet zu werden, bis hin zu „Full Service“-Angeboten, die sich auch auf die Vermittlung von Dienstleistern im Schadenfall erstrecken können. Der Vermittler hat die Möglichkeit, gerade im Schadenfall intensive Dienstleistungsfähigkeiten und -qualitäten unter Beweis zu stellen. Insofern hängt die Frage nach dem Zeitaufwand für die Schadenbearbeitung primär von der Strategie des Vermittlers ab. Aber auch Aspekte der Bestandszusammensetzung spielen hier eine Rolle. Kompositlastige Bestände verursachen deutlich höhere Zeitaufwände für das Schadenmanagement als KV- und LV-Bestände. Zusammengefasst lässt sich sicherlich konstatieren, dass im Durchschnitt mindestens 30% der Zeit für die Schadenbearbeitung anfällt.

Welche Prozesse binden denn die meiste Arbeitszeit?

Das Schadenmanagement zeichnet sich durch einen sehr kommunikationsorientierten Prozess aus. Insofern haben professionell agierende Vermittlerbetriebe hier ein hohes Interesse, die Kommunikationswege schlank und effektiv zu gestalten. Kommunikationswege zwischen dem Makler und seinem Kunden werden individuell – an den Bedürfnissen des Kunden orientiert – vielfach vereinfacht und schlank gehalten. Die Kommunikationsebene des Maklers mit dem Versicherer birgt hingegen noch viel Optimierungsbedarf. Es sind keine Einzelfälle, dass Makler von Schadenabteilungen aufgefordert werden, man möge die Schadenunterlagen doch einfach noch einmal schicken. Auskünfte zum Regulierungsprozess können nur zeitverzögert und rudimentär erteilt werden. Makler erkennen oftmals nicht, woran es liegt, dass eine anstehende Regulierungsentscheidung noch nicht getroffen ist. Fehlen dem Versicherer noch Unterlagen? Steht eine Rückäußerung eines externen Sachverständigen noch aus? Muss ein Vorgesetzter des Schadensachbearbeiters die Regulierung final entscheiden? Diese Themen zu eruieren, erfordert oft viel Zeit aus Maklersicht.

Was ist technisch bei der Prozess­optimierung überhaupt möglich? Und welche Rolle spielt BiPRO?

Zunächst wäre es schon sehr hilfreich, wenn die Zuordnung von Informationen und Dokumenten, die ausgetauscht werden, mittels einer BiPRO-Norm auf beiden Seiten (Makler und Versicherer) eindeutig erfolgen würde. Das System der Schadennummern (Makler und Versicherer) existiert bereits. Trotzdem erreicht die Kommunikation nicht immer schnell, sicher und eindeutig ihr Ziel, wie die Erfahrung in unserem Unternehmen zeigt. Die dafür entwickelte BiPRO-Norm 530 würde hier professionell Abhilfe leisten, wenn sie vom Versicherer und dem Makler angewandt würde. Aus mir nicht erklärlichen Gründen kommt die Norm bisher kaum zum Tragen. Da hier enorme Effizienzgewinne auf beiden Seiten erzielt werden könnten, müsste meines Erachtens zügig eine strategische Digitalisierungsoffensive des Marktes gestartet werden.

Wie kann die Kommunikation mit den Kunden in der Schadenbearbeitung verbessert werden?

Langfristig ist es vorstellbar, dass die BiPRO-Normen auch in die Kommunikationsplattform des Maklers mit seinem Kunden implementiert werden. Web-Oberflächen, die Makler in Zukunft ihren Kunden zur Verfügung stellen, werden über diese Technologien verfügen. Damit würden mehrfache Dateneingaben entfallen, und es würde für eine eindeutige Zuordnung der Informationen auf allen Seiten im Rahmen der Kommunikation untereinander gesorgt.

Schon heute bieten erste Maklerverwaltungsprogramme sogenannte Kundenportale an. Hier kann der Kunde auf einer Web-Oberfläche seine Verträge und Daten beim Makler einsehen. Sofern der Makler entsprechende Freischaltungen vornimmt, kann er seinem Kunden auch Schriftwechsel im Kundenportal zeigen. Schadenmeldung und einfache Datensatzänderungen können vom Kunden selbstständig im Portal vorgenommen werden. Wir haben in dem Unternehmen, das ich führen darf – Hasenclever + Partner GmbH + Co. KG aus Bielefeld – erste, gute Erfahrungen sammeln dürfen.

Wie sind die Versicherer überhaupt aufgestellt? Wird hier „mehrheitlich einheitlich“ agiert?

Im Hinblick auf die Normierung des Schadenprozesses agieren die Versicherer leider „mehrheitlich einheitlich“: Die BiPRO-Norm 530 wird (zurzeit) noch nicht eingesetzt. Meines Erachtens wird hier betriebswirtschaftlich wertvolles Rationalisierungspotenzial eindeutig liegen gelassen. Die Effizienz einer Schadenabteilung würde signifikant steigen, wenn die Kommunikation des Versicherers mit allen Vermittlern auf Basis von BiPRO-Normen erfolgen würde. Ähnliche Effekte haben wir ja auch auf Vertragsebene oder im TAA-Prozess, also bei der Tarifierung, der Angebotserstellung und dem Antrag. Versicherer müssen erkennen, dass sie hier sinnvoll investieren können, um das Geschäft rationaler und damit kostengünstiger betreiben zu können.

Zeit, die der Vermittler durch eine effektivere Schadenbearbeitung gewinnt, setzt er von sich aus sofort an der Kundenfront ein, um Geschäft zu machen. Das muss man uns nicht zweimal sagen. Davon profitieren alle Beteiligten: Kunden werden zeitintensiver beraten, Versicherer bekommen mehr Geschäft und der Vermittler kann last, but not least Geld verdienen.

Welche Maßnahmen muss die Branche und welche müssen die Vermittler umsetzen, um bei der Schadenbearbeitung optimal aufgestellt zu sein?

Als stellvertretender Beiratsvorsitzender der BiPRO muss ich die Versicherer hier klar zur Implementierung aller in den letzten Jahren entwickelten BiPRO-Normen aufrufen. Nahezu alle Geschäftsbereiche mit Vermittlern wurden durch hochprofessionelle Normenarbeit erschlossen. Die Standards liegen vor. Sie müssen in die Geschäftsprozesse mit den Vermittlern integriert werden. Die Zeit des Abwartens bei den Versicherern ist meines Erachtens vorbei. BiPRO-Normen sind alternativlos im Markt. Andere Normen wird es nicht geben.

Aufseiten der Makler bedarf es jedoch eines professionellen Maklerverwaltungsprogramms (MVP), das in Zukunft die zentrale Software seines Unternehmens darstellt. Die meisten Makler haben das erkannt und arbeiten mit einem guten MVP. Das BiPRO-fähige MVP ermöglicht ihm dann die Hebung der dringend notwendigen Ressourcen. So kann die Performance im Maklerbetrieb wieder verbessert werden.

Wie sehr beschäftigt Sie das Thema Prozessoptimierung als Funktionär?

Als Vizepräsident im Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute verantworte ich seit dem Jahr 2012 unter anderem die Geschäftsbereiche Makler, Betriebswirtschaft, Schadenversicherung, Datenschutz, Normierung und Digitalisierung. Zudem fungiere ich seit seiner Gründung im Jahr 2013 im Beirat der BiPRO als stellvertretender Vorsitzender und gehöre ebenfalls seit 2013 dem Resonanzkreis „Maklerverbände“ zum Lenkungsausschuss des Projektes Maklerkommunikation beim GDV an. Das Thema steht also sehr prominent im Fokus meiner Funktionärstätigkeit.

Aber natürlich wird die Prozessoptimierung auch in meinem Vermittlerbüro „gelebt“. Seit dem Jahr 1996 bin ich beherrschender Gesellschafter-Geschäftsführer in der Mehrfachagentur Hasenclever + Partner GmbH + Co. KG, einem renommierten Bielefelder Versicherungsvermittlungsunternehmen mit dem Schwerpunkt im Firmenkundengeschäft.

Das Interview lesen Sie auch in AssCompact 06/2016, Seite 96 f.

 
Ein Artikel von
Interview mit Andreas Vollmer

Leserkommentare

Comments

Gespeichert von Christoph Wagn… am 22. Juni 2016 - 01:40

Guten Tag,
die Angabe der BiPRO-Norm 530 im Artikel ist nicht korrekt.
Die korrekte Bezeichnung ist BiPRO-Norm 430.5 (Übermittlung Schaden und Leistung, u.a. zum Erhalt des Schadenstatus etc.).
Neben der weiteren Norm 503 (Schadenservice, zur Schadenmeldung etc.) werden zusätzliche technische und fachliche Grundlagennormen zur Implementierung eines umfassenden Schadenservices benötigt.
Ein(!) Problem bezüglich der zögerlichen Implementierung im Markt ist die Tatsache, dass die Norm aktuell nur in einer Vorabversion vom BiPRO e.V. bereitgestellt wird.

Gruß
C.Wagner

Gespeichert von Martin Schäfer… am 23. Juni 2016 - 17:18

Guten Tag,

an dieser Stelle zunächst die Bestätigung der von Hr. Wagner genannten Normen.

Darüber hinaus der wichtige Hinweis, dass die entsprechenden Normpakete zwischenzeitlich durch den BiPRO e.V. mit dem Release 2.6 für alle BiPRO Mitglieder zum Download bereit gestellt wurden (https://bipro.net/normen/release/release-2).

Beste Grüße

Dr. Martin Schäfer
Bereichsleiter Normung
BiPRO e.V.