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9. Februar 2016
Dr. Christoph Bruns: „Die Aktie hat eine neue Alternative“

Dr. Christoph Bruns: „Die Aktie hat eine neue Alternative“

Dr. Christoph Bruns ist seit jeher ein Freund der Aktie. Hat daran der turbulente Jahresauftakt an den Börsen etwas geändert? Und sind Aktien nicht vor allem für ältere Menschen zu riskant? AssCompact hat beim Vorstand und Fondsmanager der Loys AG nachgefragt.

Herr Dr. Bruns, Sie gelten als Verfechter der Aktie. Die meisten Deutschen empfinden sie aber als zu riskant. Sind die Skeptiker nicht durch den turbulenten Jahresauftakt bestätigt worden?

Aktienmarktkorrekturen sind wie Weihnachten. Sie kommen alle Jahre wieder. Dass Aktien riskant sind, ist vollkommen richtig und das wird auch so bleiben. Man muss sogar sagen, dass das Leben an sich riskant ist. Wirtschaft schwankt in Konjunkturzyklen. Mal gibt es einen Aufschwung, mal einen Abschwung. Mit den Aktienkursen ist es wie mit den Unternehmen und der Wirtschaft an sich. Drei, vier Schritten nach vorn folgen immer mal wieder ein oder zwei Schritte zurück. Man muss nur das Haupt erheben und länger als drei Monate vorausblicken. Dann sieht man, dass die Aktienanlage auf lange Sicht in der Vergangenheit immer die beste Lösung war. Und es gibt auch überhaupt keinen Grund anzunehmen, dass sich das in Zukunft ändern wird. Auch wenn den Menschen nach zwei schwachen Wochen jedes Mal das Herz in die Hose rutscht.

Ist Ihr Aktienoptimismus durch den schwachen Jahresauftakt nicht doch etwas gedämpft worden?

Mein Optimismus für Aktien ist nicht kleiner geworden. Wohl aber der Optimismus, dass sich an der deutschen Aktienkultur etwas ändert. Einen Wandel werden wir hier wohl nicht mehr erleben. Das hat schließlich Strukturgründe.

Welche?

Die Bevölkerung in Deutschland wird im Durchschnitt immer älter. Ältere Menschen wollen in der Regel aber keine größeren Risiken mehr eingehen. Risiken gehen vor allem junge Leute ein. Deswegen werden sie auch zu Unternehmern. Wir müssen strukturell sehr aufpassen, dass wir nicht unsere Zukunft dadurch herschenken, dass die Vermögensentwicklung zu schwach ist, weil die Menschen aufgrund der neurotischen Angst vor der Aktienanlage nicht an der Wirtschaft beteiligt sind.

Ist es aber zum Beispiel im Alter von 60 Jahren nicht nachvollziehbar, dass Menschen die Risiken der Aktie scheuen? Schließlich verkürzt sich der Anlagehorizont im Alter ja …

Den Einzelfall kann man dabei natürlich nicht betrachten. Bei manchen 60-Jährigen muss man dringend davon abraten. Wenn es aber wahr ist, dass die Lebenserwartung im Durchschnitt bei über 80 Jahren liegt, bedeutet das noch immer einen Anlagehorizont von über 20 Jahren. In dem Fall kommt man um die Aktie nicht herum, denn ab einem Zeitraum von fünf Jahren ist sie unverzichtbar.

Also sollten sich auch ältere Anleger durch die jüngste Korrektur nicht verunsichern lassen?

Wenn man etwas kaufen will, ist man im Allgemeinen sehr gut beraten, günstig zu kaufen. Leider wird es an der Börse tendenziell eher umgekehrt gemacht. Es fehlt der Mut, gegen die Herde zu handeln. In der Herde fühlt man sich schließlich viel wohler, vor allem, wenn alle gerade die Hose voll haben.

Dass Aktien mit Risiko verbunden sind, ändert aber nichts an der Tatsache, dass es keinen Zins mehr gibt. Die EZB hat ihn abgeschafft, genauso wie die Fed. Die japanische Notenbank hat zuletzt sogar negative Zinsen eingeführt. Das ist der Status quo. Das Problem: Unsere Landsleute sind seit jeher ganz überwiegend in Zinsprodukten investiert.

Sind Aktien mittlerweile alternativlos?

Die Alternative zur Aktienanlage ist jedenfalls nicht mehr die Zinsanlage. Die ist tot. Die Aktie hat vielmehr eine neue Alternative: Konsum. Wenn man Geld hat, kann man es sparen oder eine Freude daran haben, indem man es für schöne Dinge ausgibt. Wenn das normale Sparen tot und die Aktie zu riskant ist, dann konsumiert man. Und das machen die Menschen derzeit auch. Nach vielen mageren Jahren steigt der Konsum. Das ist wiederum gut für die Aktienmärkte, denn davon profitieren die Unternehmen, die diese Güter herstellen. Die müssen dann auch nicht vom Staat mit unsinnigen Maßnahmen gefördert werden, wie etwa mit einer Kaufprämie von 5.000 Euro für Elektroautos. Haben wir denn ein Problem mit der Mobilität in Deutschland? Ich glaube nicht. Was wir aber sicher haben, ist ein Altersvorsorgeproblem. Ein viel sinnvolleres Ziel als eine Million Elektrofahrzeuge wäre daher, die Erhöhung der Aktienquote in Deutschland.

Also lieber 5.000 Euro für den Kauf von Aktienfonds statt für Elektroautos?

Wenn der Staat 5.000 Euro für seine Bürger übrig hat, sollte er jedem Bürger ein Aktiendepot schenken, das er mindestens fünf, vielleicht auch zehn Jahre halten muss. Er muss dabei einen Aktienfonds auswählen, darf den Anbieter aber frei wählen. Wenn das passiert, schaffen wir den Einstieg in dieses dramatisch wichtige Thema. Wir werden immer älter und bekommen immer weniger Nachkommen. Da bewegen wir uns wie die Titanic auf den Eisberg zu.

Wenn man die ängstliche Mentalität nicht ändern können wird, wäre dann nicht auch die Deutschlandrente eine gute Idee, um die Deutschen an die Aktien heranzuführen?

Wenn es die Absicht des Staats wäre, die Bürger zwangsweise in Aktien zu führen, wäre die Absicht zwar lobenswert, der Weg der Deutschlandrente ist aber völlig verfehlt. Wir haben überhaupt keinen Mangel an geeigneten Produkten. Es gibt tausende Aktienprodukte. Der Staat braucht das nicht selbst zu machen, da bereits eine Vollversorgung und ein wettbewerbsintensiver Markt vorhanden sind. Es gibt absolut keinen Mangel an guten Fonds. Der Bürger soll das Instrument selber wählen können. Statt unsinnige Dinge zu fördern, wäre es sinnvoller, das drastische Problem der Altersvorsorge der Zukunft zu lösen. Allerdings kämpfe ich hier wohl gegen Windmühlen wie einst der große Mann aus La Mancha. Aber manchmal braucht es vielleicht auch Leute mit Fantasie.

Dies ist der erste Teil des Interviews mit Christoph Bruns. Im zweiten Teil gibt er einen Ausblick, wo der deutsche Aktienmarkt in fünf bis zehn Jahren stehen wird und welche Rolle der Ölpreisverfall sowie die Lage in China für die Aktienmärkte noch spielen dürfte.