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Steuern & Recht
18. Dezember 2014
Erbschaftsteuer: Privilegien für Betriebsvermögen müssen auf den Prüfstand

Erbschaftsteuer: Privilegien für Betriebsvermögen müssen auf den Prüfstand

Das Bundesverfassungsgericht hat die Privilegierung von Betriebsvermögen bei der Erbschaftsteuer für verfassungswidrig erklärt. Die zugrunde liegenden Vorschriften des Erbschaftsteuer- und Schenkungssteuergesetzes (ErbStG) sind zunächst weiter anwendbar. Allerdings muss der Gesetzgeber bis zum 30.06.2016 eine Neuregelung treffen. Nun geht die Angst vor Arbeitsplatzabbau und geringerer Wettbewerbsfähigkeit um.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) betonte in seiner Entscheidung (Urteil vom 17.12.2014, Az.: 1 BvL 21/12), dass es zwar im Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers liege, kleine und mittlere Unternehmen, die in personaler Verantwortung geführt werden, zur Sicherung ihres Bestands und zur Erhaltung der Arbeitsplätze steuerlich zu begünstigen. Die Privilegierung betrieblichen Vermögens ist nach Ansicht der Verfassungsrichter jedoch unverhältnismäßig, soweit sie über den Bereich kleiner und mittlerer Unternehmen hinausgreift, ohne eine Bedürfnisprüfung vorzusehen. Ebenfalls unverhältnismäßig seien die Freistellung von Betrieben mit bis zu 20 Beschäftigten von der Einhaltung einer Mindestlohnsumme und die Verschonung betrieblichen Vermögens mit einem Verwaltungsvermögensanteil bis zu 50 %. §§ 13a und 13b ErbStG seien auch insoweit verfassungswidrig, als sie Gestaltungen zulassen, die zu nicht zu rechtfertigenden Ungleichbehandlungen führen. Die genannten Verfassungsverstöße haben zur Folge, dass die vorgelegten Regelungen insgesamt mit Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz unvereinbar sind.

Arbeitsplätze in Gefahr?

Bereits vor der Entscheidung des BVerfG hatte der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) vor den Folgen eines solchen Urteils gewarnt. Eric Schweitzer, Präsident des DIHK: „Fällt die Verschonung des Betriebsvermögens, bringt das pro Jahr rund 500.000 Arbeitsplätze in Deutschland in Gefahr. Denn bei geltenden Steuersätzen verdreifacht sich im Erbfall die Steuerlast auf insgesamt ca. 15 Mrd. Euro. Das Geld fehlt dann den Unternehmen für wichtige Investitionen. Wettbewerbsfähigkeit und Existenz vieler Unternehmen wären gefährdet.“ Dagegen hat die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) dem Argument des Arbeitsplatzverlustes eine klare Absage erteilt. Die Gewerkschaft wies darauf hin, dass bereits der Wissenschaftliche Beirat des Bundesfinanzministeriums festgestellt habe, dass Arbeitsplatzverluste durch eine Erbschaftsbesteuerung von Betriebsvermögen nicht zu erwarten seien. Die geltenden Begünstigungen seien sogar schädlich und könnten eher zu weniger als zu mehr Arbeitsplätzen führen.

Was plant die Regierung?

Nach Informationen des Bundesfinanzministeriums (BMF) werden Anfang des Jahres 2015 die Länder zu einer Besprechung eingeladen, um das weitere Verfahren für die gebotenen gesetzlichen Änderungen zu besprechen. Zudem stellt das BMF klar, dass die Vergünstigungen aus betriebs- und volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten notwendig seien. Daher halte die Bundesregierung an den Maximen „keine Erhöhung der gesamtwirtschaftlichen Belastung“ und „verfassungskonforme Begünstigung übertragenen betrieblichen Vermögens“ fest. Weiter weist das BMF darauf hin, dass in den betroffenen Fällen die Erbschafts- und Schenkungssteuerbescheide bis zu einer gesetzlichen Neuregelung auch zukünftig als vorläufig ergehen. Allerdings gilt nach Aussagen des Präsidenten des Deutschen Steuerberaterverbandes e.V. (DStV), Harald Elster, bei einem vorliegenden Steuerbescheid ein gesetzlicher Vertrauensschutz. Zudem habe das BVerfG eine großzügige Übergangsfrist bis zum 30.06.2016 eingeräumt.

Dr. Hellmut Götz von der BDO AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft sieht trotz der Übergangsfrist schon jetzt akuten Handlungsbedarf für alle Unternehmen, die nicht mehr zum Bereich der kleinen und mittleren Unternehmen zählen oder deren Verwaltungsvermögensquote über 10% liegt. Denn sobald der Finanzminister einen Entwurf für eine Neufassung des Gesetzes vorgelegt hat, entfalle die bis maximal dahin bestehende Möglichkeit, unternehmerisches Vermögen legal ohne jede Schenkungsteuerbelastung auf die Kinder zu übertragen. (kb)