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Steuern & Recht
30. Juli 2015
Erstes Urteil zur Mütterrente

Erstes Urteil zur Mütterrente

Das Sozialgericht Berlin hat ein erstes Urteil zur sogenannten Mütterrente gefällt. Demnach gibt es für die Erziehung eines behinderten Pflegekindes, das erst im Alter von 14 Monaten aufgenommen wurde, keine Rentenerhöhung. Die Mütterrente sei an eine strenge Stichtagsregelung gebunden. Ausnahmen für Härtefälle seien vom Gesetzgeber nicht vorgesehen.

Das Gericht hatte über folgenden Fall zu entscheiden: Die 1951 geborene Klägerin ist die leibliche Mutter eines 1980 geborenen und von ihr erzogenen Sohnes. Außerdem hat sie im Oktober 1979 ein damals 14 Monate altes behindertes Mädchen mit dem Ziel der Adoption in ihren Haushalt aufgenommen. Im Zuge der Neuberechnung ihrer Altersrente gewährte die beklagte Deutsche Rentenversicherung Berlin-Brandenburg der Klägerin im September 2014 einen zusätzlichen Entgeltpunkt für die Erziehung des Sohnes.

Unangemessene Benachteiligung für die Adoptiveltern behinderter Kinder?

Mit ihrer im Januar 2015 erhobenen Klage begehrte die Klägerin auch die Anerkennung eines zusätzlichen Entgeltpunktes für die Erziehung der Adoptivtochter. Damals seien behinderte Kinder nie vor Vollendung des ersten Lebensjahres in Pflegefamilien gegeben worden. Sie hätte das Mädchen also gar nicht früher aufnehmen können. Die gesetzliche Regelung stelle deshalb eine unangemessene Benachteiligung für die Adoptiveltern behinderter Kinder dar. Sie persönlich sei darüber hinaus besonders stark benachteiligt, weil sie sich gegenüber dem Familiensenator habe verpflichten müssen, ihren Beruf als Hauswirtschafterin aufzugeben, um das Kind zu pflegen.

Eindeutige Stichtagsregelung

Das Sozialgericht Berlin hat die Klage abgewiesen. Die gesetzlichen Voraussetzungen der sogenannten Mütterrente seien nicht erfüllt. Entscheidend sei § 307 d Abs. 1 SGB VI. Gesetzliche Voraussetzung für die sogenannte Mütterrente ist demnach die Erziehung eines Kindes in dessen 13. Lebensmonat. Ist ein Kind nur davor oder erst danach erzogen worden, gibt es nach dem Willen des Gesetzgebers keinen Rentenzuschlag. Ungerechtigkeiten im Einzelfall seien mit Blick auf die allgemeine Praktikabilität der pauschalierenden Regelung in Kauf zunehmen. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Vorschriften bestehen nicht.

Jede Stichtagsregelung und jede pauschale gesetzliche Regelung betreffe immer auch Einzelfälle, die eine besondere Härte darstellen können. Gerade bei der Einführung rückwirkender Begünstigungen wie der Mütterrente habe der Gesetzgeber jedoch einen besonders weiten Gestaltungsspielraum. Er dürfe und müsse verwaltungspraktikable Regelungen schaffen. Dies gelte umso mehr, wenn – wie hier – an lange zurückliegende Sachverhalte anzuknüpfen sei, die sich in aller Regel nicht mehr zweifelsfrei aufklären ließen.

Hintergrund

Am 01.07.2014 sind als Teil eines „Rentenpaketes“ auch die Vorschriften zur Mütterrente in Kraft getreten. Sie gewähren unter bestimmten Voraussetzungen einen Rentenzuschlag für die Erziehung von vor 1992 geborenen Kindern. Damit begünstigen sie insbesondere die damals überwiegend mit der Erziehung befassten Mütter, indem sie deren erziehungsbedingte Einkommenseinbußen abmildern. (kb)

Sozialgericht Berlin, Urteil vom 29.07.2015, Az.: S 17 R 473/15, nicht rechtskräftig