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Steuern & Recht
20. November 2014
Faktische Abschaffung der Selbstanzeige befürchtet

Faktische Abschaffung der Selbstanzeige befürchtet

Experten haben sich in einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur steuerrechtlichen Selbstanzeige klar für dieses Instrument ausgesprochen. Allerdings wird befürchtet, dass durch die Verschärfung der Voraussetzungen einer strafbefreienden Selbstanzeige diese faktisch abgeschafft wird.

Der von der Bundesregierung eingebrachte Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung (Bt-Drs.: 18/3018) sieht vor, dass die Regelungen zur strafbefreienden Selbstanzeige im Steuerrecht erheblich enger gefasst werden als bisher, unter anderem durch niedrigere Grenzwerte. So soll die Grenze, bis zu der eine Steuerhinterziehung ohne Zahlung eines zusätzlichen Geldbetrages bei Selbstanzeige straffrei bleibt, von 50.000 auf 25.000 Euro gesenkt werden. Der zu zahlende Geldbetrag soll abhängig vom Hinterziehungsvolumen gestaffelt werden. „Hervorzuheben ist auch die vorgesehene generelle Ausdehnung des Berichtigungszeitraums auf zehn Jahre für eine wirksame Selbstanzeige. Bisher besteht diese Verpflichtung nur in Fällen einer besonders schweren Steuerhinterziehung“, heißt es in dem Entwurf.

Unmöglichkeit der Selbstanzeige befürchtet

Vergangenen Mittwoch haben Experten in einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses Stellung zu dem Gesetzentwurf bezogen. So befürchtet die Bundesteuerberaterkammer, dass es durch die Neuregelungen zu einer faktischen Abschaffung der Selbstanzeige kommt. Insbesondere die Verlängerung des notwendigen Erklärungszeitraums auf zehn Kalenderjahre für alle Fälle der Steuerhinterziehung könne in vielen Fällen zur Unmöglichkeit einer Selbstanzeige führen, weil die erforderlichen Unterlagen nicht mehr beizubringen seien.

Die Zehn-Jahres-Frist griff auch der Zentralverband des deutschen Handwerks ZDH auf. Die Abgabe von korrigierten Steuererklärungen werde erschwert, „da die erforderlichen Unterlagen zum Teil nicht mehr vorhanden sind oder Wissensträger dem Unternehmen nicht mehr zur Verfügung stehen“. Ähnlich äußerte sich in der Anhörung der Steuerberater Frank Wehrheim. Auch nach Ansicht der Stiftung Familienunternehmen muss „Obacht gegeben werden, dass die jetzt vorgesehenen Maßnahmen nicht das Ziel einer Rückkehr in die Steuerehrlichkeit konterkarieren. Jede weitere Verschärfung der Selbstanzeige kann dazu führen, dass das Instrument der Selbstanzeige weniger oder gar nicht mehr genutzt wird“.

Verfassungsrechtliche Probleme möglich

Professor Rudolf Mellinghoff, der Präsident des Bundesfinanzhofs, wies auf mögliche verfassungsrechtliche Probleme hin. Verfassungsrechtliche Risiken könne es angesichts der enorm hohen Zuschläge geben. Ein weiteres Problem könne in der Verlängerung der Erklärungsfrist auf bereits verjährte Zeiträume bestehen. Da stelle sich die Frage der Ungleichbehandlung zwischen denen, die eine Steuererklärung abgeben würden und denen, die keine abgeben würden.

Selbstanzeige nur noch einmal möglich?

Die Deutsche Steuergewerkschaft (DStG) hält das Institut der Selbstanzeige als „Brücke zur Ehrlichkeit“ nur noch im Bereich einfacher Steuerhinterziehung für vertretbar. Bei schwerer Steuerhinterziehung sollte eine Selbstanzeige nicht mehr möglich sein. „Im Bereich schwerer Steuerhinterziehung, insbesondere bei Schwarzgeldanlagen und mit Auslandsbezug, geht es in aller Regel um direkten Vorsatz. Vergessen und Fahrlässigkeit scheiden hier aufgrund konspirativen Vorgehens aus“, so die Steuergewerkschaft in ihrer Stellungnahme. Das Netzwerk Steuergerechtigkeit forderte, dass eine Strafbefreiung beziehungsweise Strafminderung nur einmal im Leben möglich sein sollte. Entsprechende Regelungen gebe es bereits in Kanada, Österreich und der Schweiz. (kb)