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Steuern & Recht
9. Mai 2016
Gleiche Bedingungen für alle Vermittlertypen und Produktformen

Gleiche Bedingungen für alle Vermittlertypen und Produktformen

Die Finanz- und Versicherungsbranche hat schon seit Jahren mit Regulierungen zu kämpfen. Marktteilnehmer warnen vor einer Überregulierung und fordern vor allem gleiche Regeln für den gesamten Markt. Versicherungsmakler könnten den Klageweg beschreiten, um ihre Rechte zu wahren. Interview mit Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski, Humboldt-Universität zu Berlin.

Herr Professor Schwintowski, Versicherungsmakler, Finanzanlagenvermittler, Darlehensvermittler, Anlageberater, Honorarberater – haben wir jemanden vergessen? Alle Vermittler- und Beratertypen sind nun reguliert. Wie fällt Ihr Fazit dazu aus?

Sie haben recht, die allermeisten Vermittler- und Beratertypen sind reguliert – die Regulierung fällt unterschiedlich intensiv aus und es gibt natürlich auch heute noch einige Bereiche, in denen nichts oder wenig reguliert ist, wie etwa beim Immobilienmakler. Das Hauptproblem aus meiner Sicht besteht darin, dass die Regulierungen nicht aufeinander abgestimmt sind, sodass Makler im Versicherungsbereich teilweise anderen Standards und Pflichten unterliegen als im Finanzbereich und wieder anderen bei der Vermittlung eines Darlehens. Das ist auf Dauer nicht hinnehmbar und sollte unbedingt geändert werden. Wir brauchen ein gleiches level playing field für alle Formen der Beratung in Versicherungs- und Finanzangelegenheiten. Das gilt allerdings nicht nur für die Makler und für die Vermittler, sondern das gilt ganz generell für Versicherungen einerseits und Finanzanlagen andererseits. Ein Beispiel: Es ist schwer zu verstehen, dass wir für Finanzprodukte eine Pros­pektpflicht haben, während wir bei Versicherungsprodukten mit Allgemeinen Geschäftsbedingungen auskommen. Was wir also dringend brauchen, ist eine Deregulierung und Angleichung der Standards.

Die Frage der Unabhängigkeit führt immer wieder zu Diskussionen. Wer darf sich heute in seiner Beratung noch als unabhängig bezeichnen?

Der Makler ist nach meiner Meinung unabhängig, denn er ist Sachwalter des Kunden. Der Vermittler, der für einen oder mehrere Produktgeber tätig ist, ist hingegen nicht unabhängig. Unabhängig ist auch derjenige, der ausschließlich gegen Honorar berät.

In Deutschland kommt die reine Honorarberatung nur schwer in Schwung. Mischformen findet man dagegen immer öfter, etwa die Honorarvermittlung mit Nettotarifen oder die Provisionsberatung mit Servicegebühren. Werden solche Modelle nicht eher die Praxis bestimmen?

Sie haben recht, ich gehe davon aus, dass wir es in Zukunft mit Mischformen zu tun haben werden. Ich vermute, dass Netto­tarife verbunden mit Honorarvereinbarungen eine wichtige Rolle spielen werden.

In Großbritannien zeigt sich gerade, dass vermögende Kunden und Berater, die dieses Klientel bedienen, von der Honorarberatung bzw. dem Provisionsverbot profitieren. Klein- und Normalverdiener bekommen keine Beratung mehr. Die Regierung soll nun gegensteuern. Sind das Kinderkrankheiten oder absehbare Entwicklungen?

Entwicklungen, wie wir sie heute in Großbritannien erleben, waren vorhersehbar. Es ist klar, dass die Kleinkunden auskömmliche Honorare nicht zahlen wollen und teilweise auch nicht können. Ein Vermittler muss natürlich auch heute damit rechnen, dass nicht jeder Kundenbesuch zu einem Vertragsschluss führt, sodass ein Teil der Wege und Stunden, die er täglich verbringt, nicht gegenfinanziert werden. So gesehen wird ein kluger Vermittler immer darüber nachdenken, ob er nicht den Erstvertrag, den ein Kleinkunde mit ihm verhandelt, honorarfrei oder zu einem sehr niedrigen Honorar anbietet, um den Kunden mittel- und langfristig an sich zu binden.

Kommen wir zum Best Advice bzw. zur Geeignetheitsprüfung von Produkten. Wo gilt was und welche Probleme machen Sie hier in der Praxis aus?

Das deutsche Recht fordert zurzeit im Versicherungsbereich nicht Best- sondern „suitable“ Advice. Daran sollten wir festhalten, auch deshalb, weil es das eine für alle Lebenslagen und Entwicklungen immer „beste“ Produkt gar nicht gibt. Vor den Gerichten spielen diese Fragen in Deutschland glücklicherweise keine Rolle.

Seit Jahren wird über das Provisionsabgabeverbot diskutiert. Bei Bausparverträgen dürfen bereits Gebühren zurückerstattet werden. Verschiedene FinTechs gehen das Thema auch im Bereich der Versicherungen aggressiv an. Was ist diesbezüglich der Sachstand?

Beim Provisionsabgabeverbot gibt es die zivilrechtliche und die öffentliche-rechtliche Ebene. Zivilrechtlich hat der Bundesgerichtshof bereits 2004 klargestellt, dass ein Vermittler Provision ohne Wenn und Aber abgeben darf. Öffentlich-rechtlich hat die BaFin nach einem Urteil des Verwaltungs­gerichtes Frankfurt a. M. entschieden, etwaige Verstöße gegen das Abgabeverbot nicht zu verfolgen und auch nicht zu ahnden. Im Jahre 2017 soll, so der Gesetzgeber, im Zusammenhang mit der Umsetzung der IDD endgültig über dieses formell immer noch bestehende Verbot entschieden werden. Im Augenblick ist ein Verstoß also folgenlos und übrigens auch nicht rechtswidrig.

Der BGH hat nun auch noch ein Urteil zur Schadenregulierung durch Versicherungsmakler gefällt. Auf was müssen sich Makler nun einstellen? Muss hier nun mit besonderer Vorsicht agiert werden?

Diese Frage kann ich leider nicht beantworten, weil ich das Urteil des BGH nur aus einer Pressemitteilung, nicht aber im Volltext kenne. Angeblich soll es sich bei der Schadenregulierung um eine Rechtsdienstleistung handeln mit der Folge, dass ein Makler die Schadenregulierung nicht mehr durchführen dürfte. Das würde dann allerdings auch für die Honorarberater gelten, die ja ebenfalls keine Rechtsanwälte sind. Mal sehen, was wirklich in dem BGH-Urteil drinsteht.

Wo sehen Sie neben den genannten Punkten noch Handlungsbedarf in der Beratung – ob nun vonseiten des Gesetzgebers, der Vermittlerschaft oder der Produktgeber?

Nach meiner Meinung müssten die Vermittler und die Versicherer beim Gesetzgeber darauf dringen, dass es ein einheitliches, gleiches level playing field für alle Versicherungs- und Finanzprodukte gibt. Daneben müsste die Vermittlerschaft die massiv um sich greifende Überregulierung auch vor den Gerichten, vor allem vor dem Europäischen Gerichtshof, angreifen. Es ist heute so, dass wir die Vermittler und die Kunden mit einer Fülle von Informationen und Informationspflichten überfrachten, ohne auch nur ein einziges Mal noch die Frage zu stellen, ob der Kunde als Folge dieser Information tatsächlich eine bessere Produktauswahl treffen kann.

Den Artikel lesen Sie auch in AssCompact 05/2016, Seite 104f.

 

Leserkommentare

Comments

Gespeichert von Christian Sünd… am 13. Mai 2016 - 16:53

Die Aussage
"Im Augenblick ist ein Verstoß also folgenlos und übrigens auch nicht rechtswidrig."
ist aus meiner Sicht spätestens wettbewerbsrechtlich nicht ganz richtig.
Vermittler können bei einer Provisionsabgabe durchaus nach dem Wettbewerbsrecht belangt werden!