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5. Dezember 2018
InsurLab Germany: „Wir fördern die Zukunftsfähigkeit unserer Branche“

InsurLab Germany: „Wir fördern die Zukunftsfähigkeit unserer Branche“

Das InsurLab Germany in Köln bringt etablierte Unternehmen der Versicherungswirtschaft und Start-ups zusammen. Profitieren sollen beide Seiten davon – denn auf beiden Seiten können noch viele Potenziale gehoben werden. AssCompact-Interview mit Sebastian Pitzler, Geschäftsführer des InsurLab Germany e. V.

Herr Pitzler, sind die Vorbehalte der Branche gegenüber InsurTechs inzwischen gefallen?

Definitiv. Die Branche ist an dem Punkt angekommen, an dem Start-ups zu echten Kooperationspartnern werden und als solche wahrgenommen und wertgeschätzt werden. Das liegt daran, dass man InsurTechs vor einigen Jahren zunächst als potenzielle Bedrohung beäugt hat, im Sinne von neuen Markteindringlingen, die mir mein Geschäft streitig machen möchten. Im Laufe der letzten fünf Jahre hat man jedoch beidseitig realisiert, dass die meisten Start-ups nicht die Kapazität haben, den Markt zu übernehmen, und auch nicht darauf abzielen, dies zu tun. Als InsurLab Germany fördern wir die Kollaboration zwischen Start-ups und etablierten Unternehmen aktiv, sodass immer mehr gemeinsame Proofs of Concept, Projekte und Kooperationen entstehen, die auf beiden Seiten Wert stiften.

Bei welcher Art von InsurTechs liegt denn aktuell das größte Potenzial für die Versicherungswirtschaft?

Als InsurLab Germany beobachten wir den Markt und die aktuellen Trends fortlaufend. Wir sehen eine Zunahme im Bereich neuer Vertriebsmodelle und -ansätze für die Verbraucher, beispielsweise Bankenversicherung bzw. Bancassurance oder digitale Assistenten. Die Versicherer werden sich der digitalen Kanäle immer mehr bewusst und stellen sich die Frage, wie sie neue Generationen erreichen, neue Produkte schaffen und im Markt sichtbar platzieren können. In diesem Sinne wird das Thema, wie Versicherer zu aktiven Lebensbegleitern und Präventionspartnern werden, immer breiter diskutiert. Neben Themen zu Produkt und Vertrieb stehen zudem InsurTechs im Fokus, die durch den Einsatz von Technologien wie etwa künstlicher Intelligenz Backoffice-Prozesse smarter und effizienter gestalten. Hier besteht in der deutschen Versicherungswirtschaft noch immer erhebliches Potenzial und Aufholbedarf, wenn wir unsere Prozesse in der Assekuranz mit zeitgemäßen Einkaufs- und Service-Erlebnissen von Amazon und anderen vergleichen.

Denken denn die Versicherer schon vom Kunden her?

Die Versicherungswirtschaft bewegt sich langsam auf diese zuvor erwähnten „Konsumerfahrungen“ zu, sie hat jedoch viele Hürden zu überwinden: schwerfällige Altsysteme, alte Produktkonzepte, zeitaufwendige Prozesse, rechtliche Beschränkungen, interne Bürokratie und teilweise mangelnde Kenntnis digitaler Trends. Hier kommen Start-ups ins Spiel und präsentieren Lösungen, die mit einem stärkeren Kundenfokus entwickelt werden, eine moderne Sprache sprechen und die meisten Prozesse erleichtern, einschließlich Vertrieb, Schadenbearbeitung, Portfoliomanagement, Prävention und mehr. Start-ups wie Clark, wefox und Friendsurance sind hervorragende Beispiele für erfolgreiche Ansätze. Erfreulicherweise ist im Markt wahrnehmbar, dass sich die etablierten Versicherer hier etwas von den Start-ups abgucken und die Kundenzentrierung zunehmend in den Fokus der eigenen Produkt- und Service-Entwicklung stellen.

Das InsurLab Germany in Köln hat für seinen Campus einige Start-ups ausgewählt, die nun eine Zeit lang von Ihnen begleitet und gefördert werden. Welche Kriterien sind bei einer solchen Auswahl für Sie wichtig?

Wir haben mehrere Möglichkeiten, wie Start-ups Teil unserer Initiative werden können, darunter unser Accelerator-Programm, unser Campus und zahlreiche Workshop-Formate, die unsere Mitglieder und Community miteinander vernetzen und die Zusammenarbeit ermöglichen. Mit unserem projektorientierten Accelerator-Programm beispielsweise förderten wir für die letzten sechs Monate fünf vielversprechende Start-ups mithilfe unserer Mitgliedsunternehmen und Partner. Bei der Auswahl dieser Start-ups war für uns entscheidend, dass sie das Potenzial haben, Teile der Wertschöpfungskette unserer Mitgliedsunternehmen zu digitalisieren bzw. innovativer zu gestalten. Neben dem Product- und Market Fit schauen wir uns zudem die Gründer sehr genau an und stellen uns die Frage, ob wir sie adäquat unterstützen und in unser Netzwerk einbinden können. So freuen wir uns heute sehr über mehrere Projekte und Piloten bzw. PoCs, die mit unseren Mitgliedsunternehmen entstanden sind.

Neben unseren Accelerator-Start-ups lebt unsere Campus-Community von einer Kombination aus weiteren Start-ups, vielversprechenden Gründern und „Digital Units“ unserer etablierten Mitgliedsunternehmen, die die Vorteile unseres Netzwerkes zu schätzen und zu nutzen wissen. Für uns geht es darum, Wert für Gründer und Mitglieder zu schaffen.

Gibt es ein Start-up, ein Geschäftsmodell, auf das Sie dringend warten?

Ganz klar: nein. Die Bandbreite an Themen, neuen Technologie-Trends, Start-ups mit neuen Produkt- und Service-Innovationen und dem Potenzial, das sich daraus ergibt, macht das Zeitalter der Digitalisierung so spannend. Technologien wie die Blockchain, bei der wir mehr und mehr interessante Lösungen für verschiedene Stellen der Wertschöpfungskette von Versicherungen sehen, bieten das Potenzial, Produkte und Prozesse unserer Branche zu verändern. Hier stehen wir als Branche jedoch erst am Anfang, diese Technologien zu adaptieren und daraus neue Mehrwerte für unsere Kunden und eigenen Unternehmen zu generieren. Hier bedarf es noch eines breiteren Verständnisses der Entscheider, übertragbarer Anwendungsszenarien und erster Erfolgsgeschichten, damit wir sehen, wie sich auch solch eine Technologie mit Disruptionspotenzial in unserer Branche etabliert.

Digitale Makler sind bei Ihrer Auswahl nicht dabei, soweit wir das erkennen können. Gibt es dafür Gründe?

Wir sind immer offen, neue Mitglieder in unser Netzwerk aufzunehmen. Willis Towers Watson und Virado sind erste Beispiele für Unternehmen bzw. Start-ups, die sich digitalen Maklerthemen widmen. Zudem beschäftigen sich natürlich viele unserer Mitgliedsunternehmen mit der Digitalisierung ihrer Maklerprozesse und -produkte.

Was können Sie InsurTechs bieten? Oder anders gefragt: Brauchen Sie – bzw. Köln, Deutschland oder die Versicherer – die jungen Firmen oder ist es doch eher umgekehrt?

Wir verfügen über ein äußerst umfangreiches Netzwerk von über 60 Mitgliedsunternehmen, darunter etablierte Versicherungsunternehmen, Universitäten bzw. Hochschulen, die Stadt Köln, die IHK Köln, führende Dienstleister und natürlich Start-ups. Das Besondere an unserer Initiative ist der Mix an Mitgliedern, der in unserer Brancheninitiative zusammenkommt, um an Themenstellungen der Digitalisierung zusammenzuarbeiten. Dabei sind unsere Mitglieder aktiv auf der Suche nach innovativen Partnern und jungen Talenten für die Weiterentwicklung ihrer Unternehmen; den Start-ups können wir einen direkten Zugang zu unserem Netzwerk bieten, um die Mitglieder zu treffen. Von dieser Symbiose profitieren beide Seiten gleichermaßen.

Welche eigentliche Idee steckt hinter InsurLab Germany? Wie funktioniert Ihr Konzept?

In Kurzfassung: Wir vernetzen die Versicherungswirtschaft mit relevanten Start-ups und fördern dadurch die Digitalisierung und Zukunftssicherheit unserer Branche. Wir fördern Innovationen bei Unternehmen und Start-ups auf eine Weise, wie es in Deutschland noch niemand zuvor getan hat. Wir verwirklichen dieses Konzept durch individuelles Match-Making, intensive themenbezogene Workshops, Netzwerkveranstaltungen, Seminare, Innovation Journeys, unseren Campus und unser aktives Netzwerk.

Es gibt mehrere sogenannter Hubs in Deutschland. Wie groß ist der Wettbewerb untereinander?

Die sogenannte de:hub-Initiative umfasst insgesamt zwölf themenbezogene Digital Hubs, die bundesweit verschiedene Kompetenzstandorte bilden. Uns alle eint das Ziel, die Innovationskraft und Digitalisierung deutscher Schlüsselindustrien wie Versicherung, Logistik und Mobilität bzw. Automotive nachhaltig zu fördern und weiterzuentwickeln. Selbst wenn einige Schwerpunktthemen nicht nur an einem Kompetenzstandort angesiedelt sind, so beispielsweise bei Logistic, FinTech und InsurTech der Fall, eint uns doch das gleiche zuvor genannte Ziel.

Die de:hub-Initiative fördert den Austausch und unterstützt die Aktivitäten, die auf Cross-Industry-Innovationen einzahlen. Dies ist eine Stärke des Konzepts.

Das Interview lesen Sie auch in AssCompact 11/2018, Seite 96 f.

 
Ein Artikel von
Sebastian Pitzler