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09/2014
19. September 2014
Kündigungen mit Entgeltflexibilisierung im Arbeitsvertrag vermeiden

Kündigungen mit Entgeltflexibilisierung im Arbeitsvertrag vermeiden

Lohnkosten sind in aller Regel Fixkosten. Dies kann zum ernsthaften wirtschaftlichen ­Problem werden, wenn sich die Einnahmesituation des Vermittlerbetriebs verschlechtert, weil der Vertrieb gewisser Finanzprodukte einbricht. Ein Szenario, das aufgrund des ­gegenwärtigen Rufs nach mehr Regulierung im Finanzmarkt nicht unrealistisch erscheint.

In einer solchen Situation wäre der Unternehmer rein rechnerisch gezwungen, die Lohnkosten zu senken, um die Wirtschaftlichkeit des Betriebs zu gewährleisten. Rechtlich ist ihm jedoch eine solche Vorgehensweise regelmäßig verwehrt, denn der Arbeitgeber hat vertraglich einen gewissen Lohn vereinbart, woran er auch gebunden ist.

Im Extremfall – nämlich einer existenzbedrohenden wirtschaftlichen Situation des Betriebs aufgrund hoher Lohnkosten – kann der Arbeitgeber zwar einseitig den Lohn senken, indem er gegenüber den Arbeitnehmern Änderungskündigungen ausspricht. Eine solche Krisensituation kann und sollte aber regelmäßig mit einer intelligenten vertraglichen Lohnflexibilisierung verhindert werden.

Um „Zwickmühlen“ zwischen betriebswirtschaftlich notwendiger Lohnsenkung und arbeitsvertraglicher Bindung an fixe Lohnkosten zu vermeiden, sollte daher bereits im Vorfeld der Einstellung von Mitarbeitern über die Möglichkeiten einer ­arbeitsvertraglichen Entgeltflexibilisierung nachgedacht werden. Bei der insofern notwendigen Vertragsgestaltung stehen zwei Klauseltypen zur Verfügung, nämlich Widerrufs- und Freiwilligkeitsvorbehalte. Soll eine dieser Klauseln in ­einen Arbeitsvertrag aufgenommen werden, muss jedoch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) beachtet werden, nach der Lohnflexibilität zwar machbar, nicht aber grenzenlos zulässig ist, und die zwischen dem Einsatz der beiden Klauseln bei laufendem Arbeitsentgelt und bei Sonderzahl­ungen differenziert.

Entgeltflexibilisierung bei ­laufendem Arbeitsentgelt

Unter „laufendem Arbeitsentgelt“ versteht die Rechtsprechung schlicht den Monatslohn. Bei laufendem Arbeitsentgelt sind Freiwilligkeitsvorbehalte nicht möglich. Allerdings können unter ­gewissen Voraussetzungen Widerrufsvorbehalte vereinbart werden.

Freiwilligkeitsvorbehalte

Beim Monatslohn sind Freiwilligkeitsvorbehalte grundsätzlich unzulässig. Wer also zum Beispiel mit dem Mitarbeiter ein Gehalt von 2.500 Euro brutto vereinbart und im Arbeitsvertrag zusätzlich regelt, dass der Teilbetrag von monatlich 500 Euro brutto eine freiwillige Leistung sei, auf die kein Rechtsanspruch bestehe, der schuldet trotzdem stets 2.500 Euro brutto. Die Möglichkeit, den zugesagten Lohn ganz oder teilweise grundlos und ohne jegliche Begründung einzustellen, benachteilige den Arbeitnehmer unangemessen, so die Begründung des BAG. Eine Argumentation, die einleuchtet, erbringt der Arbeitnehmer doch auch seine volle Arbeitsleistung und stellt sich in seinem Lebensstil auf eine gewisse Gehaltshöhe ein.

Widerrufsvorbehalte

Als zulässig erachtet die Rechtsprechung jedoch die Flexibilisierung des Monatslohns durch einen sogenannten Widerrufsvorbehalt. Widerrufsvorbehalt bedeutet dabei, dass Teile des Monatslohns vom Arbeitgeber beim Vorliegen bestimmter Gründe widerrufen werden können, beispielsweise im Falle der Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage des Betriebs.

Die Rechtsprechung setzt Widerrufsvorbehalten jedoch im Interesse der ­Arbeitnehmer Grenzen: Widerrufsvorbehalte sind nach der Rechtsprechung des BAG nur bis zur Höhe von 25% bis 30% der Gesamtvergütung zulässig. Ein Tariflohn, sofern er denn einschlägig ist, darf dabei nicht unterschritten werden. Ferner müssen die Gründe für den ­Widerruf transparent und deutlich im Arbeitsvertrag festgelegt werden, damit der Arbeitnehmer weiß, wann er mit ­einem Widerruf rechnen muss. Mögliche Widerrufsgründe können zum Beispiel die schlechte wirtschaftliche Lage des Unternehmens, die Nichterreichung einer angemessenen Zielvorgabe, aber auch schwerwiegende Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers sein. Bei der Formulierung der Widerrufsgründe sollte Rechtsrat eingeholt werden, um zu verhindern, dass die Wirksamkeit der Klausel an Intransparenz scheitert. Dann schuldet der Arbeitgeber nämlich den ­höheren Lohn.

Entgeltflexibilisierung bei ­Sonderzahlungen

Sonderzahlungen, auch Gratifikationen genannt, werden nicht monatlich ­bezahlt, sondern einmalig zu bestimmten Anlässen, zum Beispiel als Weihnachtsgratifikation, Urlaubsgeld oder als 13. Monatsgehalt. Bei Gratifikationen sind Freiwilligkeitsvorbehalte grundsätzlich zulässig und Widerrufsvorbehalte daher ungebräuchlich. Die Tücken liegen jedoch im Detail der exakten Formulierung der Klausel.

Bei Sonderzahlungen sind Freiwilligkeitsvorbehalte grundsätzlich zulässig, so die Aussage der Rechtsprechung, da der Arbeitnehmer bei einem klar und verständlich formulierten Freiwilligkeitsvorbehalt von vornherein nicht mit einer Sonderzahlung rechnet. Der Arbeitgeber kann mit einem Freiwilligkeitsvorbehalt bei Sonderzahlungen zudem das Entstehen eines Anspruchs des Arbeitnehmers aufgrund von betrieblicher Übung verhindern, der eintreten würde, wenn die Sonderzahlung dreimal ohne Vorbehalt gewährt wird.

Allerdings stellt das BAG bei der Formulierung von Freiwilligkeitsvorbehalten hohe Anforderungen an die Transparenz. Folgende Formulierung in einem Arbeitsvertrag ist danach intransparent und damit unwirksam: „Der Arbeitnehmer ­erhält eine Weihnachtsgratifikation in Höhe eines Bruttomonatsgehaltes. Ein Rechtsanspruch auf die Weihnachtsgratifikation besteht nicht. Wird eine solche gewährt, stellt sie eine freiwillige, stets widerrufbare Leistung des Arbeitgebers dar.“

Grund für die Unwirksamkeit der zitierten Klausel ist, dass ­damit einerseits ein Anspruch des Arbeitnehmers auf die ­Sonderzahlung begründet, dieser aber andererseits wieder infrage gestellt wird. Nach Ansicht des BAG darf der Arbeitgeber nämlich nicht mit der einen Hand eine Sonderzahlung gewähren, um sie sogleich mit der anderen Hand wieder wegzunehmen. Tut er dies dennoch, so verhält er sich widersprüchlich. Die Folge eines solchen Vorgehens wäre, dass der Freiwilligkeitsvorbehalt unwirksam ist und der Arbeitgeber die Weihnachtsgratifikation zukünftig jedes Jahr zu bezahlen hat.

Fazit

Entgeltflexibilisierung ist betriebswirtschaftlich sinnvoll und rechtlich umsetzbar, wenn die detaillierten Vorgaben der Rechtsprechung im Einzelfall beachtet werden. Idealerweise sollten die Instrumente der Entgeltflexibilisierung zwar bereits bei ­jeder Neueinstellung im Arbeitsvertrag vorgesehen werden. Die ­Erfahrung zeigt jedoch, dass auch eine einvernehmliche Vertragsänderung im Nachhinein gemeinsam mit dem Arbeitnehmer machbar ist, wenn die Flexibilisierung an vernünftige und nachvollziehbare Voraussetzungen geknüpft ist.

Den Artikel lesen Sie auch in AssCompact 09/2014 auf Seite 126f.

 
Ein Artikel von
Clemens Pelka