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Steuern & Recht
31. März 2016
Kein Kündigungsrecht für Bausparkasse bei zuteilungsreifem Vertrag

Kein Kündigungsrecht für Bausparkasse bei zuteilungsreifem Vertrag

Eine Bausparkasse kann einen Bausparvertrag, der bereits seit 22 Jahren zuteilungsreif ist, nicht kündigen. So urteilte jedenfalls das Oberlandesgericht Stuttgart. Weitere Oberlandesgerichte haben in diesen Fällen allerdings anders entschieden – zugunsten der Bausparkassen. Nun wird wohl der Bundesgerichtshof das letzte Wort haben, denn das Gericht hat die Revision zugelassen.

Im Streitfall hatte die Klägerin im Jahr 1978 einen Bausparvertrag mit einer Bausparsumme von 40.000 DM (20.451,68 Euro) abgeschlossen. Für die Laufzeit erhielt sie für von ihr eingezahlte Raten einen Guthabenzinssatz von 3% p. a. bei einem Bauspardarlehenszinssatz von 5% p. a. Der Vertrag wurde 1993 zuteilungsreif. Nach Zuteilungsreife stellte die Bausparerin die regelmäßige Zahlung der Sparraten ein, ohne ein Bauspardarlehen in Anspruch zu nehmen. Im Januar 2015, also knapp 22 Jahre nach Eintritt der Zuteilungsreife, kündigte die Bausparkasse den Bausparvertrag. Das Bausparguthaben belief sich zu diesem Zeitpunkt auf ca. 15.000 Euro; die Bausparsumme war also nicht vollständig angespart.

Vertragswidrige Einstellung der Sparleistungen durch die Bausparerin

Nach Ansicht des Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart war die Bausparkasse nicht berechtigt, den Vertrag zu kündigen. Das Unternehmen könne sich nicht auf die Vorschrift des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB berufen, wonach ein Darlehensnehmer das Darlehen zehn Jahre nach dessen vollständigem Empfang kündigen könne. Nach den Allgemeinen Bausparbedingungen (§ 5 Abs. 1 ABB) sei der Bausparer verpflichtet, Regelsparbeiträge bis zur erstmaligen Auszahlung der Bausparsumme zu zahlen. Vor Ende dieser Pflicht habe die Bausparkasse das als Darlehen anzusehende Guthaben nicht vollständig empfangen. Der Zeitpunkt der Zuteilungsreife spiele nach den Vertragsbedingungen keine Rolle.

Zuteilungsreife allein ist kein Kündigungsgrund

Die gesetzliche Kündigungsvorschrift sei entgegen der Auffassung der Bausparkasse auch nicht analog anwendbar. Die überlange Vertragsdauer beruhe zwar auf der vertragswidrigen Einstellung der Sparleistungen durch die Bausparerin. Diese müsse die Bausparkasse aber nicht hinnehmen: Nach den Vertragsbedingungen könne sie die Bausparerin auffordern, die vertraglich geschuldeten Sparbeiträge wieder zu leisten. Werde der Aufforderung nicht Folge geleistet, habe die Bausparkasse ein (kurzfristiges) vertragliches Kündigungsrecht und es dadurch selbst in der Hand, eine überlange Bindung an den Vertragszinssatz zu verhindern. Im Fall der ordnungsgemäßen Vertragsdurchführung wäre die Bausparsumme innerhalb von zehn Jahren ab Zuteilungsreife vollständig angespart worden. Wenn die Bausparkasse selbst – möglicherweise im eigenen Interesse – ein faktisches Ruhen des Bausparvertrages erlaube und ein vertragliches Kündigungsrecht nicht nutze, sei sie nicht schutzbedürftig und könne sich nicht später auf eine analoge Anwendung eines gesetzlichen Kündigungsrechts berufen.

Revision zugelassen

Das OLG Stuttgart hat die Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) zugelassen. Schließlich sei die Frage der Anwendung des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB auf zuteilungsreife Bausparverträge von grundsätzlicher Bedeutung. Zudem haben bereits andere Oberlandesgerichte eine gegenteilige Auffassung vertreten. Von Seiten der beklagten Bausparkasse heißt es, dass man sich nach eingehender Prüfung der Urteilsbegründung Rechtsmittel vorbehält. Somit könnte der BGH hier das letzte Wort haben.

Rechtsanwalt Oliver Renner, der bereits mehrere Bausparkunden in verschiedenen Verfahren vertreten hat bzw. zahlreiche Bausparkunden bei den noch offenen Verfahren vertritt, weist darauf hin, dass bei einer für Bausparkunden positiven BGH-Entscheidung, Kunden, deren Klagen bereits rechtskräftig abgewiesen wurden, nicht von dieser Entscheidung profitieren können. Etwas anderes gelte nur, wenn die jeweiligen Entscheidungen noch keine Rechtskraft erlangt haben oder sich die Bausparkasse beim jeweiligen Rechtsstreit beispielsweise auf einen anderen Kündigungsgrund stützt, als es Gegenstand der BGH-Entscheidung ist. Rechtsanwalt Renner: „Dies müsste im Einzelfall geprüft werden.“ (kb)

OLG Stuttgart, Urteil vom 30.03.2016, Az.: 9 U 171/15