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10. September 2018
Kfz-Haftpflicht auch für nicht offiziell stillgelegtes Fahrzeug?

Kfz-Haftpflicht auch für nicht offiziell stillgelegtes Fahrzeug?

Muss für ein nicht offiziell stillgelegtes Fahrzeug, das fahrbereit ist, auch dann eine Kfz-Haftpflichtversicherung bestehen, wenn es sein Eigentümer, der nicht mehr damit fahren will, auf einem Privatgrundstück abgestellt hat? Mit dieser Frage befasste sich der Europäische Gerichtshof anhand eines tragischen Falls.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat entschieden, dass für ein nicht offiziell stillgelegtes, jedoch ungenutztes Fahrzeug, das fahrbereit ist, auch dann eine Kfz-Haftpflichtversicherung bestehen muss, wenn sein Eigentümer es auf einem Privatgrundstück abgestellt hat. Der Entscheidung liegt ein tragischer Unfall zu Grunde, der sich in Portugal zutrug.

Tragischer Unfall: Sohn fährt mit ungenutztem Auto

Die Eigentümerin eines Fahrzeugs, hatte dieses, weil sie aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr fahren konnte, auf dem Hof ihres Hauses abgestellt. Schritte zu seiner offiziellen Stilllegung hatte sie nicht unternommen. Ihr Sohn benutzte das Auto ohne Wissen und Erlaubnis seiner Mutter. Dabei kam es zu einem Unfall, bei dem sowohl er als auch seine beiden Mitfahrer ums Leben kamen. Das Fahrzeug hatte zum Zeitpunkt des Unfalls keine Kfz-Haftpflichtversicherung. Der portugiesische Automobil-Garantiefonds kam für die Schäden in Höhe von fast einer halben Million Euro auf, die er an die Rechtsnachfolger der Insassen zahlte. Er wollte diese anschließend von der Mutter ersetzt bekommen. Sie sei verpflichtet gewesen, eine Kfz-Haftpflichtversicherung für das Fahrzeug abzuschließen.

Kfz-Haftpflichtrichtlinien sind maßgeblich

Der EuGH verwies darauf, dass die Erste Richtlinie über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung bestimmt, dass die Haftpflicht bei Fahrzeugen mit gewöhnlichem Standort im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten durch eine Versicherung gedeckt sein muss. Dies war hier der Fall. Die Zweite Richtlinie sieht die Schaffung einer Stelle vor, die für die durch ein nicht versichertes Fahrzeug verursachten Sach- oder Personenschäden Ersatz zu leisten hat.

Der Gerichtshof führt zunächst aus, dass ein Fahrzeug, das nicht ordnungsgemäß stillgelegt wurde und fahrbereit ist, unter den Begriff „Fahrzeug“ im Sinne der Ersten Richtlinie fällt. Es unterlag somit der Versicherungspflicht. Dabei spielt es keine Rolle, dass es auf einem Privatgrundstück abgestellt war.

Rückgriffsrecht der Mitgliedstaaten auf Fahrzeugeigentümer

Sodann stellt der Gerichtshof fest, dass die Zweite Richtlinie einer gesetzlichen Regelung nicht entgegensteht, die vorsieht, dass die Entschädigungsstelle ein Rückgriffsrecht nicht nur gegen den für den Unfall Verantwortlichen hat, sondern auch gegen die Person, die eine Haftpflichtversicherung für das Fahrzeug, hätte abschließen müssen. Dies gilt auch dann, wenn sie zivilrechtlich nicht für den Unfall verantwortlich ist. Innerstaatliche Rechtsvorschriften können laut EuGH also vorsehen, dass die jeweilige Entschädigungsstelle auch den Eigentümer des Fahrzeugs in Anspruch nimmt. Die Frau aus Portugal hat somit nicht nur ihren Sohn verloren, sondern zusätzlich eine sehr hohe Geldsumme zu zahlen. (tos)

EuGH, Urteil vom 04.09.2018, Az.: C-80/17