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01/2015
26. Januar 2015
Kleinanlegerschutzgesetz – mehr Komplexität statt Vereinfachung

Kleinanlegerschutzgesetz – mehr Komplexität statt Vereinfachung

Das Bundeskabinett hat im November 2014 einen ­Gesetzentwurf für ein Kleinanlegerschutzgesetz verabschiedet. Damit sind die Weichen für ein Gesetzgebungsverfahren gestellt, das ein schon im Mai 2014 beschlossenes Maßnahmenpaket zur Verbesserung des Schutzes von Kleinanlegern umsetzen soll. Das neue Gesetz bildet somit ­eine weitere Stufe in einer Gesetzgebungskaskade, die mit dem Schuldverschreibungsgesetz begann und nun mit dem Kleinanlegerschutzgesetz einen vorläufigen (?) Höhepunkt findet.

Wir erinnern uns: Im Dezember 2011 ist das Gesetz zur ­Novellierung des Finanzanlagenvermittler- und Vermögensanlagenrechts im Bundesgesetzblatt verkündet worden. Ziel des Gesetzes: Der Anlegerschutz im Bereich des sogenannten grauen Kapitalmarkts sollte verbessert werden. Schärfere Produktregulierung, erhöhte Vertriebsanforderungen und erleichterte Prospekthaftung – das waren die Schlagworte, die für die erstmalige Regulierung des grauen Kapitalmarktes standen. Nach der Veröffentlichung der Ergebnisse einer vom Bundesverbraucherschutzministerium in Auftrag gegebenen Studie über die Qualität der Finanzvermittlung in ­Deutschland hatte die damalige Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner eine Qualitätsoffensive für die Finanzvermittlung angekündigt. Im Koalitionsvertrag hatte Schwarz-Gelb vollmundig angekündigt, die Koalition wolle „ein konsistentes Finanzdienstleistungsrecht schaffen, damit Verbraucher in Zukunft besser vor vermeidbaren Verlusten und falscher Finanzberatung geschützt werden. Ein angemessener Anlegerschutz gegen unseriöse Produktanbieter und Falschberatung wird prinzipiell unabhängig davon gewährleistet, ­welches Produkt oder welcher Vertriebsweg vorliegt.“ Es folgte ein Bündel von Maßnahmen und Gesetzgebungsinitiativen: Schuldverschreibungsgesetz, Anlegerschutzgesetz, Vermögensanlagengesetz, Honoraranlageberatungsgesetz. Und nun noch ein Kleinanlegerschutzgesetz. Alles nichts ­gebracht? Offenbar gibt es nach dem Bekanntwerden der Skandale rund um PROKON und INFINUS hinreichenden Anlass, die bisherigen Maßnahmen im Hinblick auf ihre Effizienz zur Vermeidung von Anlegerverlusten gründlich zu prüfen und den „grauen Markt“ weiter zu regulieren. Bei PROKON hatten rund 75.000 Anleger etwa 1,4 Mrd. Euro in Genussrechte investiert, um die sie sich nun sorgen.

Zahlreiche Änderungen

Mit dem Kleinanlegerschutzgesetz werden zahlreiche andere Gesetze wie etwa das Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz, das Vermögensanlagengesetz, das Wertpapierhandelsgesetz, die Gewerbeordnung und andere geändert.

Mit den Änderungen im Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz wird die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) innerhalb ihres gesetzlichen Auftrags auch dem Schutz der kollektiven Verbraucherinteressen ­verpflichtet. Dabei stellt die Formulierung „innerhalb ihres gesetzlichen ­Auftrags“ klar, dass die aufsichtsrechtlichen Tätigkeiten der Bundesanstalt nicht ausgeweitet werden. Vielmehr kann die Bundesanstalt nur eingreifen, wenn sie im Rahmen ihrer fachgesetzlich geregelten Aufsichtstätigkeit ­Verstöße gegen ­verbraucherschützende Rechtsvorschriften feststellt.

Die wichtigsten Änderungen des Kleinanlegerschutzgesetzes betreffen das ­Vermögensanlagengesetz. Hier werden erstmals auch partiarische Darlehen, Nachrangdarlehen sowie sämtliche wirtschaftlich vergleichbare Vermögensanlagen in den Anwendungsbereich des Gesetzes einbezogen, sofern sie nicht als Einlagengeschäft im Sinne des Kreditwesengesetzes anzusehen sind. Damit unterfallen mögliche ­Geschäfte dieser Art künftig entweder ­einer Aufsicht nach dem Kreditwesengesetz oder einer Prospektpflicht nach dem Vermögensanlagengesetz oder dem Wertpapierprospektgesetz.

Daneben werden auch Direktinvestments in Sachgüter (zum Beispiel ­Beteiligungen an dem Erwerb einzelner Container oder von Rohstoffen mit ­einer zugesagten jährlichen Verzinsung und einem Rückerwerb der Anlage nach einem gewissen Zeitraum) künftig vom Vermögensanlagengesetz ­erfasst, wenn die Anbieter einen unbegrenzten Kreis von Anlegern mit einem öffentlichen Angebot ansprechen und die angebotene Anlage (beispielsweise durch Einräumung eines Anspruchs auf Rückerwerb und/oder laufende Pachtzahlungen) im Austausch für die zeitweise Überlassung von Geld einen vermögenswerten, auf Barausgleich ­gerichteten Anspruch vermittelt. Dies gilt nicht für die Tätigkeit sogenannter „Crowdlending“-Plattformen.

Weitere Änderungen betreffen die Mindestlaufzeit von Vermögensanlagen (24 Monate), die Beschränkung der Gültigkeit des Verkaufsprospekts auf zwölf Monate, die Verpflichtung zur ständigen Aktualisierung des Verkaufsprospektes durch Nachträge, das Verbot von Vermögensanlagen mit Nachschusspflicht, strengere Vorschriften für die Bewerbung von Vermögensanlagen sowie erweiterte Befugnisse der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht zur Untersagung von Werbung für oder des öffentlichen Angebots von ­Vermögensanlagen. Eine inhaltliche und wirtschaftliche Prüfung der Produkte selbst durch die BaFin ist aber offensichtlich nach wie vor nicht geplant. Es hat wohl im Vorfeld derartige Überlegungen gegeben. Diese sind aber dem Vernehmen nach am heftigen Widerstand der BaFin gescheitert.

Im Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) wird klargestellt, dass sich der Anwendungsbereich künftig auch auf die Vermarktung, den Vertrieb und den Verkauf von Finanzinstrumenten und strukturierten Einlagen bezieht. Die Legaldefinition einer strukturierten Einlage ­erfolgt in dem neuen § 2 Abs. 11 WpHG. Neu eingefügt in das WpHG werden auch Regelungen zur sogenannten Produktintervention. Danach kann die Bundesanstalt die Vermarktung, den Vertrieb oder den Verkauf von bestimmten Finanzinstrumenten oder strukturierten Einlagen beschränken oder ganz verbieten.

In der Gewerbeordnung (GewO) finden sich nur geringfügige Änderungen zur Verordnungsermächtigung des § 34g GewO und zur Übergangsregelung in § 157 GewO. Infolge der Erweiterung des ­Vermögensanlagenbegriffs im Vermögensanlagengesetz um partiarische ­Darlehen, Nachrangdarlehen sowie ­vergleichbare Vermögensanlagen wird § 34f GewO, der auf das Vermögensanlagengesetz Bezug nimmt, indirekt erweitert. Vermittler von partiarischen Darlehen oder Nachrangdarlehen benötigen zukünftig anstelle einer – bisher ausreichenden – ­Genehmigung nach 34c GewO eine Genehmigung nach § 34f GewO. Im Rahmen des § 34g GewO werden die Voraussetzungen für eine Änderung der durch die Erweiterung der ­Vermögensanlagen ­notwendig gewordenen Prüfungsvoraussetzungen geschaffen.

Trippelschritte und mehr Komplexität statt ­Vereinfachung

Der Gesetzgeber bleibt bei seiner Politik der Trippelschritte. Wieder einmal steht hinter einem gewaltigen Versprechen (Kleinanlegerschutzgesetz) nur eine weitere Facette einer ­fortschreitenden und sich immer weiter von Anlegern und Vermittlern entfernenden Gesetzgebung im Finanzdienstleistungsrecht. Nach dem Anlegerschutzgesetz nun das Kleinanlegerschutzgesetz. Welcher Kunde und – ohne jede Häme – welcher Finanzanlagenvermittler kennt den Unterschied ­zwischen Genussrechten und Nachrangdarlehen? Es ist ­Aufgabe des Gesetzgebers, den Anleger vor nachhaltigen ­Verlusten zu schützen. Ohne Zweifel hat die aktionistische Gesetzgebungskaskade zur Schaffung eines „konsistenten ­Finanzdienstleistungsrechts“ Fortschritte zum Anlegerschutz gebracht. Aber sie schafft auch neue Komplexität. Wenn die Anlegerskandale eines gezeigt haben, dann die dunkle Seite der Komplexität. Anleger haben die mit den schön verpackten Produkten verbundenen Risiken nicht erkannt. Der Kauf von Finanzprodukten funktioniert auf verschiedenen rationalen und emotionalen Ebenen. Was wir benötigen, sind klare und einfache Bezeichnungen für Produkte und Risiken, klarere Regeln für Vermittler und mehr Verantwortung für Produkt­anbieter und Aufsicht. Der Gesetzgeber ist gut beraten, dies bei dem erneuten Versuch zu bedenken, den grauen Kapitalmarkt zu regulieren. Andernfalls bleibt es Stückwerk, das wir beim nächsten Skandal erkennen werden.

Den Text lesen Sie auch in AssCompact 01/2015, Seite 90f.

 
Ein Artikel von
Hans-Ludger Sandkühler