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06/2015
16. Juni 2015
LVRG in der Umsetzung

LVRG in der Umsetzung

Im vergangenen Jahr hat der Gesetzgeber das Gesetz zur Absicherung stabiler und fairer Leistungen für Lebensversicherte (Lebensversicherungsreformgesetz – LVRG) ­verabschiedet. Inzwischen haben einige Versicherer die Vorgaben umgesetzt. Andere stehen in den Startlöchern. Eine erste Studie hat Vermittler nach den Folgen befragt. Eine ­Momentaufnahme.

Mit dem LVRG hat der Gesetzgeber vor allem die nach ­seiner Einschätzung zu hohen Abschlusskosten in der ­Lebensversicherung ins Visier genommen und die gesetzlichen Vorgaben für Lebensversicherungen insgesamt neu justiert. Eine der Stellschrauben: Der Höchstzillmersatz für die ­bilanzielle Anrechnung von Abschlusskosten ist von ­bisher 40‰ auf 25‰ abgesenkt worden. Dadurch soll Druck auf die Versicherer ausgeübt werden, die Abschlusskosten bei Lebensversicherungen zu senken.

Maßnahmen der Versicherungsunternehmen

Versicherungsunternehmen haben keine Wahl. Sie müssen die neuen gesetzlichen Vorgaben umsetzen. Allerdings ist das Tempo der operativen Umsetzung bemerkenswert unterschiedlich. Ganz offensichtlich greifen wieder einmal die typischen Branchenmechanismen. Einige preschen vor. Andere warten ab. Viele Unternehmen verfolgen eigens entwickelte Lösungsstrategien, die den vermeintlich größten Erfolg gewährleisten. Dabei sind die Einschätzungen der Erfolgsfaktoren durchaus unterschiedlich und zum Teil widersprüchlich.

Die Absenkung des Höchstzillmersatzes von 40‰ auf 25‰ bedeutet zunächst nur, dass die neu zu kalkulierenden Tarife früher höhere Rückkaufswerte ausweisen müssen. Die Versicherer sind aber nicht verpflichtet, die Provisionen um 15 Promillepunkte zu senken – auch wenn dies vom Gesetzgeber intendiert wird. Das Problem: Das Geschäft mit Lebensversicherungsprodukten ist ohnehin eingebrochen. Hohe Kosten und niedrige Überschüsse haben das Produkt zunehmend ­unattraktiv werden lassen. Der Wettbewerb bei der Suche hat die Provisionssätze nach oben getrieben. Die Sorge ­vieler Versicherer: Wenn jetzt auch noch die Abschlussprovisionen gesenkt ­werden, läuft der Vertrieb davon – bzw. woanders hin.

Scheinbarer Königsweg: Pflichtgemäße Senkung des Höchstzillmersatzes bei gleichzeitiger Beibehaltung des derzeitigen Provisionsniveaus. Denn: Wer Provisionen senkt, bekommt weniger Geschäft – der Vertrieb stimmt mit den Füßen ab. ­Also werden die Provisionen entweder aus anderen Mitteln zulasten des Unternehmensergebnisses oder durch aktuarische Rechenkünste (degressive Kosten) zulasten des Kunden „gestützt“. Fraglich ist allerdings, ob und wie lange Versicherer – insbesondere solche mit hohem ­Privatkundenanteil und unrabattierten Tarifen/voller Courtage – dies ­bilanziell durchhalten werden. Außerdem ist zu bedenken, dass Rechentricks zulasten des eigenen Unternehmensertrags am Ende auch die Überschussbeteiligung des Kunden (§ 153 Abs. 1 VVG) beeinträchtigen. Bleibt noch die Verlängerung der Stornohaftung auf bis zu acht Jahre. Ein lästiger Rucksack für Vermittler als ­Ausgleich für die Beibehaltung des ­derzeitigen Provisionsniveaus.

Aktuelle Studie über die Vergütung der Vermittler nach LVRG

Eine aktuelle Studie aus April 2015 weist einen Trend aus: Die Vergütungen für Makler sind weitgehend gleich geblieben. Die Abschlussprovisionen sind in der Lebensversicherung nur leicht gesunken. Die Stornohaftung ist geringfügig (auf 5,1 Jahre) gestiegen. Das LVRG hat demnach bisher noch nicht zu einer nachhaltigen Änderung der Vergütungssätze geführt.

Vieles spricht aber dafür, dass die mit der Studie gewonnenen Erkenntnisse nur das Ergebnis einer Momentaufnahme sind. Denn nur ein sehr geringer Teil der befragten Makler hatte überhaupt Kenntnisse über konkrete Umsetzungsmaßnahmen einzelner Versicherer. Ein ebenfalls nur geringer weiterer Teil der befragten Makler hatte bereits Informationen über geplante Veränderungen. Diese deuten aber eher darauf hin, dass es perspektivisch auch zu Senkungen der Abschlussprovisionen kommen wird. Es wäre aber verfrüht und auch ambitioniert, aus diesen dürftigen und wenig repräsentativen Erkenntnissen eine Strategie der Versicherer abzuleiten, die darauf abzielt, die Abschlussprovisionen der Vermittler ohne jeden Ausgleich nachhaltig senken zu wollen.

Die Studie kommt aufgrund des der Branche eigenen Trägheitsmoments schlicht zu früh, um valide Informationen liefern und Trends ableiten zu ­können. Für eine Momentaufnahme spricht auch, dass alle Lösungen des ­beschriebenen Königswegs eines ­gemeinsam haben: Die tatsächlich anfallenden Abschlusskosten werden nicht nachhaltig gesenkt. Und wenn dies nicht geschieht, ist damit zu rechnen, dass der Gesetzgeber erneut aktiv wird und die Rahmenbedingungen nachschärft, um das erklärte Ziel doch noch zu erreichen. Den Versicherern ist ­bekannt, dass sie deshalb nicht an einer nachhaltigen Senkung der Abschlussprovisionen vorbeikommen.

Folgerungen für die Entwicklung der Vergütung

Das bedeutet perspektivisch aber nicht, dass schlicht nur die Abschlussprovisionen der Vermittler gesenkt werden. Es ist vielmehr damit zu rechnen und auch politisch zumindest zurzeit opportun, dass Vermittlern als Ausgleich für niedrigere Abschlussprovisionen höhere ­laufende Provisionen gezahlt werden. ­Alternativ denkbar wären eine höhere laufende Abschlussprovision oder eine höhere laufende „Betreuungsprovision“, wobei bis heute noch nicht abschließend geklärt ist, was überhaupt unter „Betreuung“ zu verstehen ist und ob der Makler seinen Kunden für sich oder für den Versicherer „betreut“. Je nach ­Fallgestaltung käme es bei Vermittlerwechseln zu Konflikten.

Eines muss den Vermittlern jedoch klar sein: Wenn Vermittler durch eine ­Absenkung der Abschlussprovision ­zugunsten einer höheren laufenden ­Provision keine wirtschaftlichen Einbußen erleiden sollen, würde ein 100%-Ausgleich aufgrund finanzmathematischer Effekte zu so hohen laufenden Provisionen (das heißt im Zweifel größer 10%) führen, dass diese gegenüber Kunden und Verbraucherschutz nicht mehr vertretbar wären.

Es ist also damit zu rechnen, dass das Provisionsniveau insgesamt – sukzessive und moderat – abgesenkt wird. Neue Mischmodelle mit weniger Abschlussprovision und höheren laufenden Vergütungen werden versucht werden. Die Branche steht mit der Umsetzung des LVRG erst am Anfang. Am Ende des Jahres sehen wir klarer.

Folgen und Chancen für ­Vermittler

Die Absenkung des Höchstzillmersatzes verbessert die ­Rückkaufswerte und führt idealiter zu einer signifikant ­geringeren Kostenbelastung.

Insgesamt wird dadurch die Qualität der Produkte deutlich verbessert. Den Vermittlern bleibt so möglicherweise ein ­attraktives Produkt erhalten, mit dem sie weiterhin nachhaltige Umsätze erzielen können – auch wenn die Margen sinken. Andernfalls verschwindet das Produkt vom Markt.

Geringere Provisionssätze bei marktgängigen Produkten sind wirtschaftlich allemal interessanter als hohe Provisionen für Produkte, die vom Markt verschwinden (angewandte Arithmetik). Vermittler müssen sich also insgesamt auf Änderungen in der Vergütung einstellen (weniger und über die Zeit verteilt) und ihre Geschäftsmodelle betriebswirtschaftlich hinterfragen und gegebenenfalls ändern.

Fazit

Die Umsetzung ist noch längst nicht abgeschlossen. Vermittler müssen jetzt ihre Zukunft planen. „Die beste Zeit, einen Baum zu pflanzen, war vor zwanzig Jahren. Die nächstbeste Zeit ist jetzt.“ (Konfuzius)

Den Artikel lesen Sie auch in AssCompact 06/2015, Seite 90f.