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29. August 2018
MiFID II: Umfrage legt erstmals Folgen für die Beratung offen

MiFID II: Umfrage legt erstmals Folgen für die Beratung offen

Vor Einführung von MiFID II warnten Banken und Finanzberater vor hohen Kosten. Nun gibt es erstmals auch belastbare Aussagen zu den tatsächlichen Kosten. Demnach übertreffen sie die Schätzung der Bundesregierung um ein Vielfaches. Zudem werden Beratungsleistungen eingeschränkt. Und auch bei den Kunden sorgt MiFID II für Ärger.

Seit Jahresbeginn ist die EU-Finanzmarktrichtlinie MiFID II mittlerweile in Kraft. Welche Folgen sie für die Finanzberatung in Deutschland hat, hat der deutsche Sparkassenverbund (DSGV) in einer aktuellen Umfrage unter 140 Instituten der Bankengruppe untersucht. Das Ergebnis: MiFID II hat für hohe Kosten, Frust bei den Kunden und eine Einschränkung der Anlageberatung bei zahlreichen Instituten gesorgt.

Leistungen werden eingeschränkt

Mehr als jede fünfte Sparkasse, die an der Umfrage teilgenommen hat, hat ihr Produktangebot in der Anlageberatung aufgrund von MiFID II verringert. Vor allem bei einfachen Anleihen und Inhaberschuldverschreibungen sowie bei Misch- und Aktienfonds wurde das Angebot reduziert. Daneben schrumpfte auch das Angebot an Zertifikaten und strukturierten Produkten. 43 Institute haben zudem einzelne Finanzinstrumente komplett aus dem Vertrieb genommen. Gleiches gilt bei 13 Sparkassen für die telefonische Beratung zu Wertpapieren. Bei mehr als der Hälfte der teilnehmenden Sparkassen wurde sie zumindest eingeschränkt.

Kosten überschreiten Regierungsschätzung deutlich

Wie von einigen Experten im Vorfeld befürchtet, übersteigen die Kosten die von der Bundesregierung prognostizierten gesamtwirtschaftlichen Kosten von 61,6 Mio. Euro deutlich. Allein bei zwei Zentralinstituten der Sparkassen-Gruppe schlug MiFID II mit rund 75 Mio. Euro zu Buche. Weitere 61 der teilnehmenden Sparkassen bezifferten ihre Einmalkosten auf rund 26 Mio. Euro. Dabei stehen sie für nicht einmal ein Sechstel der insgesamt 385 Sparkassen in Deutschland.

Tatsächliche Kosten von weit über 1 Mrd. Euro

Darüber hinaus hatte die einjährige Verschiebung von MiFID II und der PRIIPs-Verordnung bei rund einem Fünftel der Sparkassen Budgeterhöhungen zur Folge. Die Zahlen legen dem DSGV zufolge nahe, dass die Kosten für den gesamten deutschen Markt bei weit über 1 Mrd. Euro liegen - und damit bei einem Vielfachen der Regierungsprognose. Die deutschen Privatbanken hatten bereits im Oktober 2017 die Kosten für die Umstellung sowie die laufenden Kosten für die deutsche Finanzwirtschaft auf rund 1 Mrd. Euro geschätzt.

Kunden äußern Unmut

Führen die Mehrkosten wenigstens zu einer höheren Kundenzufriedenheit? Im Gegenteil. So gab es laut der DSGV-Umfrage zahlreiche Kundenbeschwerden, unter anderem über eine Verlängerung der Orderprozesse. Rund die Hälfte der Kunden wünscht sich zudem die Möglichkeit, auf Informationsblätter, Sprachaufzeichnungen oder den Ex-ante-Kostenausweis verzichten zu können. Unterm Strich wünschen sich Kunden vor allem flexiblere Lösungen.

Wahlfreiheit der Kunden respektieren

Die Umfrage zeigt die Probleme der neuen Vorgaben deutlich auf. Bei der Revision von MiFID II und PRIIPs fordert der DSGV daher, die Pflicht zur Sprachaufzeichnung auf den Prüfstand zu stellen. Die Verzögerung der Orderprozesse könnten Kunden zudem vermeiden, wenn sie durch ein Recht auf Opt-out auf Informationen verzichten dürften.

Basisinformationsblätter reformieren

Zu guter Letzt fordert der DSGV eine Überarbeitung der Basisinformationsblätter. In der aktuellen Form bilden sie dem Sparkassenverband zufolge keine belastbare Entscheidungsgrundlage für die Kunden. Hier müsse der europäische Gesetzgeber unbedingt kurzfristig nachbessern. Die Haltung der Europäischen Kommission, die Probleme im anstehenden Review der PRIIPs-VO nicht anzugehen, sei daher nicht akzeptabel. (mh)

 

Leserkommentare

Comments

Gespeichert von Wilfried Strassnig am 29. August 2018 - 09:34

Die wenigsten Kunden haben Zeit noch Lust zig Fragen zusätzlich zu beantworten. Zumal Sie im Netz im Jahre 2018, Beamte leben ja noch im 19. Jahrhundert, mit 2 Häkchen in Sekunden dieses Thema erledigen. Kontrollwut, natürlich geschürt von Verbraucherschützern und Medien, für die der Bürger ein Volltrottel ist der vor sich selbst geschützt werden muss, führt dazu, dass viele sich erst gar nicht beraten lassen und deswegen ein hoher Prozentsatz sich gegen zusätzliche Altersvorsorge entscheidet. Ein sehr großer Volkswirtschaftlicher Schaden! Einsicht ist allerdings eher nicht zu erwarten, da diese "Denke" (oder Blindheit) in den Genen der Entscheider vorhanden ist. Der Staat bei allerbesten Wirtschaftsbedingungen nicht einmal in der Lage für seine Beamten die Rückstellungen (aktuelles Defizit 1,7 Billionen Euro) zu bilden, wir diese Lücke nicht schließen können. Wenn man für dieses Manko von Beginn an Videoaufzeichnungen, Beratungsprotokolle und vor allem in der Haftung wäre gäbe es diese unsinnige Protokollwut definitiv nicht.

Gespeichert von Arnim Teusch am 29. August 2018 - 12:22

Ja, der Pflegenotstand ist größer als ich dachte. Der mündige Bürget ist ein entweder aussterbendes Wesen oder wie der "Eckrentner" eine theoretische Gestalt. Dieses virtuelle Wesen gilt es lt. EU, nationaler Bürokratie und vielen Verbraucherschutzorganisationen zu schützen, ob der Bürger es will oder nicht. Leider stellt sich der geistige Notstand bei vielen Bürokraten ein, da mangels finanzieller Allgemeinbildung (egal wo man hinschaut) hier noch nachgeholfen wird und der
finanzielle Beratungsprozess torpediert wird. In der Folge wird der Bürger noch schlechter oder gar nicht beraten (es lohnt
ja nicht, da man kein Geld verdient oder Aufwand zu größ wird) und gibt sein Geld noch hemmungloser für "Bonbons" also Konsum aus, denn sparen lohnt ja nicht mehr und es gibt auch keine Zinsen mehr (so tönt es Land auf und ab). Anstatt Bürger zum investieren anzuregen spart man sich durch bürokratische Vorgaben die finanzielle Freiheit der Bürger ein und macht aus ihm ein museumsreifes Wesen. Diese Fabelwesen leben dann in der realen Welt und nicht im Märchen. Dies führt zu noch mehr EU-Verdrossenheit und Altersarmut.