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6. März 2012
MiFID umsetzen und Chancen erkennen

MiFID umsetzen und Chancen erkennen

Deutsche Erstversicherer stehen vor der Herausforderung, die Regelungen des Gesetzes zur Novellierung des Finanzanlagenvermittler- und Vermögensanlagengesetzes (FinAnlVerm- und VermAnlG), die größtenteils am 01.06.2012 in Kraft treten werden, in ihren Ausschließlichkeitsorganisationen prozessual umzusetzen.

(aav) Die neuen gesetzlichen Bestimmungen sind angelehnt an die umfassenden Regelungen der MiFID (Markets in Financial Instruments Directive), deren Umsetzung auch heute, ca. fünf Jahre nach ihrer Einführung, für viele Versicherer und ihre Stammorganisationen eine Herausforderung darstellt. Angesichts der Ausweitung der gesetzlichen Bestimmungen zum Anlegerschutz ist es umso wichtiger, die Regelungen exakt umzusetzen und im täglichen Kundenkontakt zu leben. Wie die auf Unternehmen der Finanzdienstleistungsbranche spezialisierte Managementberatung zeb/ Anfang 2012 im Rahmen einer aktuellen Marktbeobachtung feststellte, werden die Kenntnisse und Erfahrungen der Privatkunden sowie deren Anlageziele in Bezug auf Kapitalanlageprodukte oft immer noch nicht detailliert genug erfasst und Angebote nicht ausreichend individualisiert erstellt. Der Branche gehen dadurch erhebliche Volumen- und Ertragspotenziale verloren.

Beratungsqualität über einen bedarfsorientierten Beratungsansatz zu verbessern

Um den formalen Ansprüchen an den Beratungsprozess vollständig zu entsprechen, sind komplett ausgefüllte Beratungsprotokolle und vor Vertragsabschluss an den Verbraucher vollumfänglich ausgehändigte Unterlagen unerlässlich. Intern stehen die Stammorganisationen der Versicherer aktuell vor der Herausforderung, die auf Grund Gesetzes vorgeschrieben Kriterien für den Einsatz ihrer Handelsvertreter im Anlagegeschäft (§ 34d WpHG) nachhaltig zu erfüllen. Insbesondere gilt es, ab November 2012 die nach WpHGMaAnzV§1 geforderte Sachkunde nachzuweisen. Diese müssen die gebundenen Vermittler durch Abschluss- und Arbeitszeugnisse, gegebenenfalls in Verbindung mit Stellenbeschreibungen oder durch Schulungsnachweise belegen. Weiterhin müssen interne Prozesse aufgearbeitet und so strukturiert werden, dass eine Dokumentation der WpHG-konformen Beratung jederzeit sichergestellt ist. Hintergrund der umfangreichen Regularien für den Vertrieb von Anlageprodukten ist die Forderung des Gesetzgebers, die Beratungsqualität über einen bedarfsorientierten Beratungsansatz zu verbessern. Auf diese Weise sollen die Interessen der Verbraucher im Beratungsprozess gewahrt und irrtümliche Vertragsabschlüsse weitgehend vermieden werden. Was nach der MiFID nur für Finanzinstrumente galt, wird ab Mitte des Jahres auch für Vermögensanlagen gelten, worunter z. B. geschlossene Fonds, Genussrechte und Treuhandvermögen fallen.

Vertrauen der deutschen Verbraucher nach wie vor ungebrochen

Dr. Rüdiger Frischmuth, Partner des zeb/ und für die Betreuung von Versicherungen und Finanzvertrieben verantwortlich, erläuterte: „Versicherungskonzerne haben die Chance, sich durch die Umsetzung der MiFID, FinAnlVerm- und VermAnlG-Bestimmungen bei der Anlageberatung Wettbewerbsvorteile zu sichern und zusätzliche Potenziale aus einem konsequent anlage- und anlegergerechten Beratungsprozess zu heben. Unabhängig von Diskussionen über das Image der Branche ist das grundsätzliche Vertrauen der deutschen Verbraucher in Ihren Versicherer und dessen Vertreter vor Ort nämlich nach wie vor ungebrochen hoch.“ Ausschließlichkeitsorganisationen der Versicherer, die den ganzheitlichen Beratungsansatz erfolgreich umsetzen, zeigen, wie die MiFID – und damit letztlich auch das FinAnlVerm- und VermAnlG – nachhaltig implementiert werden können. Nötig ist vor allem eine sichere und effizient arbeitende Beratungssoftware, die sich auf einen strikt strukturierten Beratungsprozess stützt. Viele Beratungsfehler resultieren zudem aus der unzureichenden Befragung nach Kenntnissen, Erfahrungen und den tatsächlichen Anlagezielen des Kunden. Versicherungskonzerne müssen intensiver daran arbeiten, das Verständnis der mit der Anlageberatung befassten Vermittler für die Notwendigkeit einer umfassenden Kundenkenntnis zu schärfen. Dies beinhaltet eine aktive Begrenzung des Produktangebots. Anlageberater sollten die eigenen Produkte beherrschen und zudem in der Lage sein, das Leistungsangebot für ihre Kunden anhand ausgewogener Empfehlungen zu erstellen. Ein zentrales Research, das den Einsatz einheitlicher, unterstützender Argumentarien für den Vertrieb gewährleistet, ist elementar.

Künftig Unterscheidung zwischen abhängiger und unabhängiger Beratung geplant

Die für Ende 2014 geplante Umsetzung von MiFID 2 wird zusätzliche Anforderungen an den Beratungsprozess stellen. Die erweiterte Richtlinie zielt im Wesentlichen auf eine nochmalige Ausweitung des Anlegerschutzes sowie auf die Steigerung der Stabilität und Transparenz im Finanzsystem ab. Zur Stärkung des Anlegerschutzes wird die Transparenz und Vergleichbarkeit in der Anlageberatung weiter vorangetrieben. Künftig soll zwischen abhängiger und unabhängiger Beratung unterschieden werden, was erhebliche Auswirkungen auf das Geschäftsmodell von Banken und Versicherungen haben kann. Im Rahmen einer unabhängigen Beratung ist nicht nur eine hinreichend große Zahl von Finanzinstrumenten zu analysieren und in ein diversifiziertes Portfolio zu integrieren, sondern es sollen künftig auch jegliche monetäre Zuwendungen von Dritten, etwa von Produktgebern, untersagt werden. Im Rahmen der aktuellen Diskussion zu PRIPs (Packaged Retail Investment Products) werden möglicherweise auch die Beratung und der Vertrieb fondsgebundener Lebensversicherungen unter die regulatorischen Anforderungen von MiFID 2 fallen.