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28. September 2016
Nahles-Fonds, Schäuble-Zuschuss und Deutschland-Rente: Rürup zu den Reformideen

Nahles-Fonds, Schäuble-Zuschuss und Deutschland-Rente: Rürup zu den Reformideen

Das Thema Altersvorsorge steht in dieser Woche weit oben auf der politischen Agenda. Unter anderem wird die Zukunft der gesetzlichen Rente im Bundestagsausschuss Arbeit und Soziales diskutiert und Ministerin Nahles will eine Entscheidung zur weiteren Ausgestaltung der betrieblichen Altersversorgung treffen. Der Altersvorsorge-Experte Prof. Dr. Bert Rürup nimmt an den Gesprächen in Berlin aktiv teil. Seine Einschätzungen dürften Maklern nicht gerade Hoffnung machen.

Künftige Altersarmut verhindern – das ist das Ziel der aktuell anstehenden Reformideen. Auch für den Ökonomen und Altersvorsorge-Experten Prof. Dr. Bert Rürup ist dies das zentrale Anliegen. Auf dem AssCompact Wissen Forum „betriebliche Vorsorge“ hat er erklärt, was seiner Meinung nach nottut, um dieses Ziel zu erreichen, und was vermutlich aus Berlin kommen wird.

So bezweifelt Rürup etwa, dass eine Erhöhung des Rentenniveaus erreicht werden kann, wie es Gewerkschaften und linke Politiker fordern: „In unserer postindustriellen Gesellschaft wird es zunehmend schwierig, die Armutsfestigkeit eines Rentensystems am Rentenniveau zu messen. Die Erhöhung ist ein süffiger Vorschlag, aber jemand mit durchbrochener Erwerbsbiografie wird dadurch nicht reicher.“ Rürup geht davon aus, dass die Risiken durch eine Destandardisierung von Erwerbsbiografien und Langzeitarbeitslosigkeit in Zukunft noch steigen werden. Denn die 22% der künftigen Rentner, die dauerhaft im Niedriglohnsektor gearbeitet haben, kämen erst noch. „Diese müssten 54 Jahre lang Vollzeit arbeiten, um Rentenzahlungen auf dem Niveau von Sozialhilfe zu erhalten“, sagt Rürup.

Ansparphase vom Verrentungsprozess abkoppeln

Das Problem sieht er im deutschen Äquivalenzprinzip, wonach sich die Rente strikt nach der Dauer der Erwerbstätigkeit und dem mit Beiträgen belegten Lohn berechnet. Er spricht sich dafür aus, die Rente für Geringverdiener nach dem Vorbild der meisten anderen OECD-Staaten anders festzusetzen, als die für Durchschnitts- und Hochverdiener. Eine Lösung sieht er zum Beispiel in einem obligatorischen, kapitalgedeckten System nach dem Vorbild Schwedens. Dort werden Rentenprämien automatisch mit den sozialversicherungspflichtigen Beiträgen in bis zu 800 verschiedene Fonds, die man selbst wählen kann, eingezahlt. Dies ermöglicht eine lebenszyklusabhängige Ansparphase, die vom Verrentungsprozess abgekoppelt ist.

Die Pläne aus Berlin

In Deutschland zielt die Politik momentan vor allem darauf ab, die bAV zu stärken und damit gleichzeitig Vertriebskosten einzusparen. Bundessozialministerin Nahles möchte die bAV in kleineren und mittleren Unternehmen ausweiten, Finanzminister Schäuble einen verpflichtenden Zuschuss der Arbeitgeber zur Entgeltumwandlung einführen und die Deutschland-Rente soll ein günstiges Rentenstandardprodukt für alle werden.

„Entgeltumwandlung reduziert das Rentenniveau“

Rürup sieht alle drei Reformmodelle kritisch. Durch die seit 2008 entfristete Entgeltumwandlung werden die gesetzlichen Rentenansprüche der Umwandler, aber auch der Nichtumwandler reduziert und das Rentenniveau geht zurück. „Das kann man hinnehmen, wenn die Rendite des kapitalgedeckten Systems größer ist, als die Rendite des zurückgebauten Systems“, sagt Rürup. Und das sei mit Neuverträgen gegenwärtig nicht mehr zu schaffen. Dies ist vermutlich auch ein Grund für Schäuble, Arbeitgeber verpflichten zu wollen, einen Zuschuss zur Entgeltumwandlung zu zahlen. Er erhofft sich, dadurch den Rückgang der Rentenansprüche aus der gesetzlichen Rente teilweise zu kompensieren. Für den Altersvorsorge-Experten Rürup führt kein Weg an staatlichen Förderinstrumenten vorbei. Er ist sich sicher, dass es künftig neben der Entgeltumwandlung eine gewisse „Riester-Förderung“ in der bAV geben wird. Allerdings unter Streichung der dann potenziell möglichen Doppelverbeitragung im Alter, um das Risiko der Geringverdiener mitzutragen.

Die geplante Standardisierung der Riester-Produkte hält er für richtig. „Es war ein Fehler, zu sagen, die Riester-Rente sei eine ersetzende Rente. Ein kapitalgedecktes System kann ein rückgebautes Umlagesystem nur dann ersetzen, wenn der Kreis der Versicherten der gleiche ist. Das heißt, es hätte obligatorisch sein müssen, ansonsten haben Sie eine deutliche Entmischung der Risiken.“ Rürup plädiert also klar für obligatorische Elemente in der Rentenversicherung.

Nahles-Fonds: Kritik an „Pay-and-forget“

Der sogenannte Nahles-Fonds sieht die Einrichtung von Betriebsfonds auf der Basis von allgemeinverbindlichen Tarifabschlüssen vor. Rürup kritisiert die damit verbundenen „Pay-and-Forget-Prämien“, die einmalig eingezahlt werden und durch die der Arbeitgeber anschließend aus der Haftung ist. Laut Rürup wird dadurch aus der betrieblichen „Altersversorgung“ durch den Arbeitgeber eine betriebliche „Altersvorsorge“ durch den Arbeitnehmer. Er befürchtet einen Infektionseffekt auf etablierte Systeme.

Die Deutschland-Rente würde nach Meinung Rürups der Destandardisierung der Arbeitswelt nicht Rechnung tragen, weil nur Arbeitnehmer einzahlen können. Ein neues Rentensystem dürfe nicht auf eine spezifische Erwerbsform zugeschnitten sein, sondern müsse universal für alle gelten. Und: „Wenn man kapitalgedeckte Altersvorsorge macht, muss gewährleistet sein, dass die Anlage ausschließlich im Interesse der Sparer erfolgt und keine – seien sie noch so hochwertig – gesamtpolitischen Ziele zu erfüllen hat.“ Damit erklärt der Professor die Deutschland-Rente für tot.

Wenig Hoffnung für Makler

Rürup geht davon aus, dass es spätestens bis zur NRW-Wahl im Mai 2017 eine Rentenreform geben wird, wenn auch keine große. Er nimmt an, dass es trotz Widerstand von Finanzminister Schäuble, eine Angleichung der unterschiedlich festgesetzten Renten in Ost- und Westdeutschland geben wird. Für die bAV erwartet er die Einführung einer Prämienförderung. Dass es zum „De-Risking“ kommen wird, bezweifelt er. Im Zentrum würde neben der Armutsvermeidung weiter der Ausbau der Kapitaldeckung stehen, allerdings mit „obligatorischen Elementen“. Für diejenigen, die von der Vermittlung leben, „seien verpflichtende Systeme allerdings nicht geschäftsfördernd“. Das machte Rürup auf dem Forum jedenfalls deutlich. Eine Alternative dazu gibt es für den Ökonomen unter den gegebenen Rahmenbedingungen jedoch nicht. (tos)

 

Leserkommentare

Comments

Gespeichert von Frank Brönjes am 28. September 2016 - 10:24

Viele, viele Politiker haben sich in der Vergangenheit mit dem Thema "Altersversorgung" auseinandergesetzt und für die betroffenen Bürger keine wirklichen Lösungen gefunden. Wie denn auch? Sie selbst sind und waren nie betroffen und sind häufig völlig ahnungslos. Solange der Staar - also wir - nicht von der Förderung zur echten Subventionierung kommen, gibt es nur einen Gewinner und das sind wir - also der Staat - und die gesetzlichen Versicherungen. Solange die geförderten Durchführungswege, einschließlich "Rürup" und "Riester" später wieder voll versteuert werden müssen und dann auch noch - im Regelfall - Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung bezahlt werden müssen, kann der Vorsorgende keine Gewinne machen. Ganz im Gegenteil, er macht häufig Verluste. Wenn dann Frau Nahles auf die Idee gekommen ist, einen neuen Durchführungsweg in der betrieblichen Altersversorgung - den sechsten, die "Nahles-Rente" - einzuführen, dann führt das nur dazu, dass Herr Schäuble auf Einkommenssteuern aus der Vermittlung dieser Produkte verzichten muss. Das macht übrigens den kleinsten Teil aus den zu erwartenden Gewinnen (Steuern) für den Staat aus! Denn das die "Nahles-Rente" nur wieder gefördert und nicht subventioniert wird ist jetzt schon offensichtlich. Dann wird die Rechnung des "kleinen" Mannes der "kleinen" Frau wieder und richtiger Weise wie folgt aussehen: Kapitalabfindung oder Rente aus der betrieblichen Altersversorgung minus Steuern und Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung (zurzeit ca. 16 %, in 20 Jahren X%?) und Anrechnung auf die Mindestrente verbunden mit einer geringeren Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung (es wurden ja auch weniger Beträge gezahlt) gleich: Das lohnt nicht, dann lieber nur die Mindestrente! Leute, Leute, Leute! Klasse, dass man doch jetzt auf die Idee kommt, dem Arbeitgeber mit einer Pflichtförderung die Verluste ausgleichen zu lassen. Nur: wir leben im 21 Jahrhundert und richtig, es sind nicht alle Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst und verbeamtet. Der ein oder andere Arbeitnehmer könnten auf die Idee kommen sich selbstständig zu machen oder ins Ausland zu gehen und, und, und..........