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25. März 2015
Nahles-Rente: „Fundamentalopposition macht wenig Sinn“

Nahles-Rente: „Fundamentalopposition macht wenig Sinn“

Die „Nahles-Rente“ erhitzt die Gemüter in der Versicherungswirtschaft. In den vergangenen Tagen hat AssCompact bereits Gespräche mit Branchenvertretern geführt und hat nun nachgefragt bei Heribert Karch, Vorsitzender der aba Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung e.V. und Geschäftsführer der MetallRente GmbH.

Herr Karch, der Koalitionsvertrag der aktuellen Regierung stimmte Sie hinsichtlich der Passagen zur Stärkung der bAV optimistisch. Wie viel ist davon übrig geblieben?

Sie glauben es nicht – mehr als zu Beginn. Denn der Koalitionsvertrag ließ ja deutlich erkennen, dass man uns Akteure der bAV nur zum Nulltarif unterstützen wollte. Aber nun hat die Debatte darum Eigendynamik bekommen. Beide Sozialpartner – und die Gemeinde der bAV-Praktiker ohnehin – sind sich darin einig, dass ohne durchgreifende steuerpolitische, sozialrechtliche Maßnahmen die eigentlichen Ziele der Riester-Reform nachhaltig nicht mehr zu erreichen sind. So viel Klarheit und Konsens war darin noch nie.

Bei der nun geplanten Reform geht es insbesondere um die Verbreitung der bAV in kleineren Unternehmen. Der Vorschlag der Bundesarbeitsministerin zielt darauf ab, tarifliche Vorsorgeeinrichtungen zu forcieren. Wie beurteilen Sie die Pläne?

Das Paradoxe ist, dass die Adressaten so privilegiert nun auch wieder nicht sein wollen. Beide Tarifparteien lehnen es ab, dass betriebliche Systeme ausgeschlossen werden. Und mit der Fokussierung auf gemeinsame Einrichtungen wollte man offenbar die Möglichkeit der Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen hebeln. Damit greift man aber in völlig unterschiedliche Kulturen, die nicht glatt gebügelt werden können. Aber der Gedanke, den Arbeitgebern eine volle Enthaftung und den Arbeitnehmern gleichzeitig die gewohnte Sicherheit durch einen großen Kollektivmechanismus anzubieten, ist wertvoll. Unser Wissen, dass die Haftung sich auch jetzt schon begrenzen lässt, ist bei vielen Arbeitgebern nicht so eindeutig verbreitet. Das ist der Preis der immer noch nicht reduzierten aber bei gutem Willen reduzierbaren Kompliziertheit unseres Systems.

Die privaten Versicherer lehnen die Pläne ebenfalls ab. Gleichzeitig sind diese aber auch heute schon in Versorgungseinrichtungen engagiert – zum Teil sehr erfolgreich. Verstehen Sie den Ärger der Versicherer?

Natürlich! Wenn man nicht die Sorgen sämtlicher Debattenteilnehmer versteht, findet man auch keine Lösungen. Fundamentalopposition macht aber wenig Sinn. Das BMAS will diesen Vorschlag und die Ministerin hat sich erkennbar dahinter gestellt. Immerhin muss man den dortigen Ministerialbeamten zugestehen, dass sie sich um eine Innovation bemühen, um Bremsen zu lösen. Nun wird es schwer fallen, ansonsten nur eine Politik der zugenähten Taschen zu betreiben.

Als Hürde in der bAV beklagen Sie, dass Arbeitnehmer in der Rentenphase die vollen Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung bezahlen müssen. Gibt es hier Bewegung? Und welche Hürden sehen Sie noch?

Drei Jahre nach Anlauf der Reform hat man uns hier kurzsichtig eine böse Überraschung beschert, um eine Finanzierungslücke der GKV zu decken. Schwierig auch die Anrechnung auf die Grundsicherung, weil eine Problemlösung das Verhältnis Bund und Länder berührt. Aber ich sehe in aller Vorsicht zumindest guten Willen für Freibeträge. Und dann die steuerliche Gretchenfrage. Inzwischen hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass es nicht die Vielfalt der Durchführungswege ist, die unser System verkompliziert, sondern der Zwang, mehrere Wege zu administrieren, um alle Bedarfe im Unternehmen abzudecken. So kann man ein auf Freiwilligkeit basierendes System nicht gestalten. Der Finanzaufwand resultiert ja gar nicht etwa aus einer Neuordnung des Dotierungsrahmens nach 3.63 EStG sondern aus der gewünschten stärkeren Verbreitung selbst. Es geht nicht um Mitnahmen, sondern um strukturelle Vereinfachungseffekte. Man schaue sich dazu so unterschiedliche Sozialsysteme wie Holland und Großbritannien an. Ich denke, man wird um Adjustierungen nicht mehr herumkommen. Sonst würden die politischen Entscheider die Glaubwürdigkeit der gesamten Reform aufs Spiel setzen. Zu viele Akteure haben inzwischen die Fehlanreize in der Praxis selbst erlebt und verstanden.

Bisher galt die bAV eigentlich immer als Erfolgsmodell. Warum jetzt eigentlich die Aufregung?

Weil hier noch nicht hinreichend ganzheitlich gedacht worden ist. In der aktuellen Fassung und ohne das Drehen entscheidender Stellschrauben der Rahmenbedingungen würde der Vorschlag alles nur noch komplexer machen und damit eher Verbreitungshürden aufbauen. Aber ich bin sicher, man wird hier auch zu Kompromissen bereit sein, weil man das Projekt zum Erfolg bringen will. Wenn die toxischen Elemente entfernt werden, geht das auch. Und vor allem: Falls Entscheider im Steuer- und Sozialversicherungsrecht keine Bereitschaft zeigen diesen Vorschlag effektiv zu flankieren bekommen sie zu Recht ein Legitimationsproblem. Dann bliebe es ein Papiertiger, der uns wertvolle Zeit kosten würde. Und die läuft nun seit fast 15 Jahren gegen die junge und mittlere Generation. (ad)

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