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5. März 2019
Neue Typen in der Assekuranz: Weniger Krawatten, mehr Sneakers

Neue Typen in der Assekuranz: Weniger Krawatten, mehr Sneakers

Gerade auch in der Versicherungsbranche mangelt es an Nachwuchskräften. Doch mit alten Methoden und Krawatten von früher lassen sich junge Leute nicht für das eigene Unternehmen begeistern. Personalverantwortliche müssen umdenken und können sich dabei ein Beispiel an InsurTechs nehmen, meint der Karrierespezialist Hans Steup. Ein Kommentar

Wenn Sie Mitarbeiter suchen und sich dabei sehr viel mehr anstrengen müssen, als noch vor Jahren, kann das einen einfachen Grund haben: Sie hängen an der Vergangenheit. Sie blicken zurück auf goldene Zeiten und sind gefangen in der Endlosschleife ihrer schönen Erinnerungen. Sie nehmen die alten Methoden und Krawatten von früher und versuchen, neue Leute von heute zu begeistern. Junge Leute, denen ein Regal voller Sneakers (so nennt man heute die Turnschuhe) wichtiger ist als ein Stapel Krawatten. Und Jeans statt Anzug. Wachen Sie auf. In den letzten dreißig Jahren hat sich unsere Welt drastisch verändert. Für Menschen unter dreißig und knapp darüber ist die Welt ein Dorf. Preiswerte Reisen, Fremdsprachen, Eindrücke sammeln von überall auf der Welt. Computer, Internet und Smartphones waren für diese Leute schon immer da. Technologie, Social Media und komplette Vernetzung. Mit der ganzen Welt chatten und einkaufen, während man auf dem Klo sitzt.

Und dann kommen Sie mit einem vierseitigen Antragsformular aus Papier um die Ecke? Sie können entweder weiterhin versuchen, mit Ihrer Postkutsche schneller zu sein als die Eisenbahn. Oder Sie bringen Ihre Kutsche ins Museum, Ihre Pferde auf einen Gnadenhof und kaufen sich ein Ticket für die Eisenbahn. Wie sieht ein Ticket für die Eisenbahn aus? Was müssen Sie heute anders machen, um junge Leute für Ihr Unternehmen zu begeistern? Nehmen Sie sich ein Beispiel an den InsurTechs. Das sind junge Unternehmen in der Versicherungsbranche mit frischen Ideen, einem hohen Maß an Energie (und Testosteron) und dem unbedingten Willen, etwas zu verändern. Wie funktioniert so ein InsurTech? Schauen wir doch mal, wie Sie ticken müssen, wenn Sie bei einem InsurTech arbeiten wollen.

Die Grundhaltung. Neudeutsch: Das Mindset

Die Grundhaltung bei einem InsurTech ist die Denkweise eines Start-ups. Sie unterscheidet sich erheblich von der Denkweise bei etablierten Versicherungen und Vermittlerbüros. Es geht um Leistung, nicht um Hierarchie. Es geht darum, gemeinsam etwas zu schaffen und dabei gut zu sein. Es geht nicht darum, woher Sie kommen oder was Sie vorher gemacht haben. Es geht nur darum, wohin Sie wollen. Im Start-up-Denken geht es weniger um Zuständigkeiten und etablierte Rollen. Es geht darum, dass jemand tut, was nötig ist, um die Dinge zu erledigen, die gerade anstehen. Bitte lieber einmal um Entschuldigung, als hundert mal um Erlaubnis. Seien Sie kreativ. Fehler sind erlaubt. Das ist der Auftrag. Nicht ständig den Chef fragen (manche Chefs brauchen das, schnell weg da). Es geht nicht nur darum, Geld zu verdienen. Es geht darum, gemeinsam an einer Idee zu arbeiten und diese Idee Realität werden zu lassen.

Denken wie ein Eigentümer

Die meisten Unternehmen verlassen sich bei der Anstellung von Mitarbeitern auf deren Kenntnisse und Fähigkeiten aus der Vergangenheit. Sie bestehen auf Zeugnisse und einem Lebenslauf, den sie dann mit ihrem Anforderungskatalog abgleichen. So kann sich der Personaler gut rausreden, wenn er jemanden einstellt, der zwar nichts gebacken kriegt, dessen Lebenslauf aber fehlerfrei und mit in fett geschriebenen Überschriften daher kam und perfekt auf die Aufgaben passte, für die er zuständig ist. Ein Start-up versteht sich als ein Team, das ständig alles verbessert. Produkte, Dienstleistungen, Kundendienst, Webseite und vieles mehr.

Vielleicht ist jemand für eine bestimmte Aufgabe zuständig: Technik, Verkauf oder Marketing. Aber letztendlich muss jeder im Team diese Funktionen wahrnehmen können und dazu beitragen, dass die Arbeit erledigt wird. Von einem Mitarbeiter in einem Start-up wird erwartet, dass er wie ein Eigentümer denkt. Wenn er feststellt, dass etwas nicht stimmt oder nicht funktioniert, sagt er das oder korrigiert es. Niemand sagt: „Ich bin nur ein Angestellter. Mein Job ist es X zu machen, und nicht Y oder Z.“ Mit dieser Haltung kommen Sie in einem Start-up nicht weit.

Seien Sie Ihres Glückes Schmied

Es ist wichtig, dass Sie erkennen, dass es trotz der jahrelangen Erfahrung, die Sie in das Unternehmen einbringen, noch viel zu lernen gibt. Außerdem können Sie nicht Wochen mit Einarbeitung und Training verbringen, bevor Sie richtig loslegen. Das ist nicht der Weg eines Start-ups. Das Team in einem Start-up besteht aus zupackenden Mitarbeitern, die die Probleme lösen wollen, die vor ihnen liegen. Bei einem Start-up wird von Ihnen erwartet, dass Sie schnell voran kommen, Dinge ausprobieren und ständig ein Stückchen verbessern. Dabei liegt es in der Natur der Sache, dass Fehler passieren und Dinge in die Hose gehen. So ist das eben. Wenn Sie früher für ein großes Unternehmen gearbeitet haben, ist ein Startup für Sie eine ganz andere Welt. Genießen Sie die Freiheit, Dinge so zu machen, wie Sie es zuvor noch nie tun konnten. Und durften.

Anpassung an den Wandel

Bei einem Start-up ändern sich Dinge oft schneller, als allen lieb ist. Es gibt keinen Fünfjahresplan, den Sie abarbeiten und fertig. Sie müssen für neue Gelegenheiten offen sein. Wenn plötzlich ein Kunde vor der Tür steht, wenn neue Technologien kommen oder eine potenzielle Partnerschaft mit einem großen Unternehmen entsteht, müssen Sie zugreifen. Wenn Dinge sich schnell ändern oder plötzlich mehr zu tun ist, als sie bewältigen können, müssen Sie nicht alles alleine machen. Geben Sie etwas ab an Dienstleister, lassen Sie sich von anderen helfen. Oder sagen Sie manchmal auch einfach nein. Wenn das Chaos nach außen tritt, leben sie mit der Häme der etablierten Unternehmen. Einige von denen machen Ihnen, wenn es später läuft, ein großzügiges Angebot. Was diese jungen Teams zusammenhält, ist das Verständnis dafür, dass mit schnellem Wachstum auch Veränderungen kommen. Passen Sie sich an, lernen Sie, und arbeiten Sie gemeinsam daran, pragmatische Lösung zu finden.

Krawatten UND Sneakers

Wenn wir ehrlich sind, brauchen Sie in einem Start-up eine hohe Frustrationstoleranz. Resilienz. Die Dinge entwickeln sich nicht immer so, wie sie sich das ausgemalt haben. Manche Mitstreiter halten die Geschwindigkeit und den steten Wandel nicht aus. Von außen kommt Kritik von Leuten, die alles besser wissen. Vor allem, dass das, was Sie tun, nicht funktionieren kann. Was wir in den großen und etablierten Unternehmen brauchen, sind Senioren, die Bock haben auf Neues. Die wohlwollend auf die jungen Wilden zu gehen, und ehrlich Unterstützung anbieten. Wir brauchen Senioren, die wollen, dass die jungen Leute erfolgreich sind und bleiben. Senioren, die keine Angst davor haben, sich selbst langsam zu verabschieden. Wenn wir es schaffen, mehr mit einander zu arbeiten, anstatt gegen einander, finden wir auch wieder junge Leute, die sich für unsere Branche begeistern können. Los geht’s...