AssCompact suche
Home
02/2015
4. Februar 2015
Neuer Beratungsalltag mit dem LVRG

Neuer Beratungsalltag mit dem LVRG

Interview mit Thomas Leithoff, Rechtsanwalt und Versicherungskaufmann, Kanzlei Johannsen.

Das Lebensversicherungsreformgesetz (LVRG) hat den Markt in Bewegung gesetzt. Versicherer und Vermittler sind gleichermaßen betroffen. Letztere sollten insbesondere ihre Beratungsprozesse anpassen. Denn das LVRG hat neben den spürbaren monetären Auswirkungen auch Folgen für die Haftung. Aufklärung und Dokumentation sind wie immer das A und O.

Herr Leithoff, seit dem 01.01.2015 ist das LVRG Realität. Nach anfänglicher Zurückhaltung haben viele Versicherer reagiert und ihre Vergütungsmodelle geändert. Müssen Makler dies ohne Wenn und Aber akzeptieren?

Im Geschäftsleben gibt es immer „Wenn …, dann …“. Versicherer werden die Vermittlung eines neuen Tarifs zu alten Konditionen ablehnen. Ein Versicherer ist nicht verpflichtet, das vom Makler angebotene Geschäft zu akzeptieren. Als Vertreter des Versicherungsnehmers kann er einen Versicherer nicht zwingen, einen Antrag anzunehmen. Der Makler wird akzeptieren müssen, dass für Tarife, die nach den Regeln des LVRG kalkuliert wurden, neue Vergütungen angeboten werden. Wenn der Makler die Vergütung für einen neuen Tarif nicht akzeptieren will, bleibt ihm die Antwort: „Dann vermittle ich diesen Tarif nicht mehr.“

Müssen die Kunden über die Provisionspolitik der Versicherer aufgeklärt werden?

Einerseits wird der Versicherungsnehmer durch die Informationen nach § 2 Abs. 1 Ziffer 1 VVG-InfoV über die Höhe der Abschlusskosten informiert. So weit so gut. Andererseits gilt aber auch, dass der Gesetzgeber erkannt hat, dass wegen der Senkung des Rechnungszinses und dem daraus folgenden Anstieg des Prämienniveaus bei gleich bleibendem Versorgungsbedarf die Abschlusskosten gestiegen sind. Mit der Anpassung des Höchstzillmersatzes will der Gesetzgeber das Niveau der Abschlusskosten entsprechend senken.

Will ein Makler nun einen Tarif anbieten, der die Absichten des Gesetzgebers ignoriert, ist er meines Erachtens gut beraten, seinen Versicherungsnehmer auf diese Tatsache zum Selbstschutz protokolliert hinzuweisen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn im Marktvergleich festzustellen ist, dass gleichwertige Tarife nach den geänderten Vorgaben mit niedrigeren Abschlusskosten kalkuliert sind. Er wird seinem Versicherungsnehmer erläutern müssen, aus welchem Grund er ihm aus einer Marktauswahl den Tarif anbietet, der dem Willen des Gesetzgebers nicht entspricht und mit höheren Vertriebskosten kalkuliert. Vielleicht findet er gute Gründe.

In Umfragen – unter anderem ­AssCompact Trends IV/2014 – ­ wurde festgestellt, dass Makler durchaus mit einer Änderung der Vergütungsstruktur einverstanden sind. Im Fokus steht hier insbesondere die Bestandsprovision. Hat dies Auswirkung auf die Betreuungspflicht der Makler?

Auch ich habe in verschiedenen Gesprächen festgestellt, dass in der Vermittlerschaft Einsicht darin besteht, dass die Vergütungsstruktur in der Lebensversicherung geändert werden muss. Allerdings ist eine Verschiebung von Abschlusskosten in die Kategorie „Bestandspflege“ nicht ganz ohne Probleme.

In der Lebensversicherung werden die Bemühungen des Vermittlers um die Beratung und die Vermittlung im Zusammenhang mit dem Abschluss einer Versicherung mit der Abschlussprovision entgolten. Die sogenannte Bestandsprovision wird für die laufende Betreuung des Versicherungsnehmers gezahlt. In diesem Zusammenhang spielen die im Rahmen der VVG-Reform in das Gesetz aufgenommenen Beratungspflichten des Versicherers nach § 6 VVG eine Rolle. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass der Versicherungsnehmer auch nach Abschluss des Vertrages bei Bedarf beraten wird (§ 6 Abs. 4 S. 1 VVG). Die entsprechende Verpflichtung des Versicherers ist nur dann ausgeschlossen, wenn der Vertrag mit dem Versicherungsnehmer von einem Versicherungsmakler vermittelt wurde (§ 6 Abs. 6 VVG).

Daraus lässt sich schließen, dass der Gesetzgeber davon ausgeht, dass der Versicherungsnehmer – soweit er Verbraucher ist – nach Abschluss des Vertrages bei Bedarf entweder vom Versicherer oder von einem Versicherungsmakler beraten wird. Ich stehe auf dem Standpunkt, dass ein Versicherungsmakler, der die Zahlung der Bestandscourtage verlangt, den Versicherungsnehmer auch betreuen muss.

Kann die Betreuungspflicht eingeschränkt werden?

Zwar kann der Versicherungsmakler die laufende Betreuung vertraglich ausschließen. Dann endet der sich auf diesen Vertrag beziehende Maklervertrag mit dem Vermittlungserfolg. In einem solchen Fall ist der Makler verpflichtet, dem Versicherer mitzuteilen, dass der Maklervertrag mit dem Abschluss des Versicherungsvertrages beendet ist. Nur so erhält der Versicherer die Möglichkeit, die ihn treffende Beratungspflicht nach § 6 VVG zur Kenntnis zu nehmen und entsprechende Vorkehrungen zu treffen.

Wie wird sich Ihrer Ansicht nach der Markt im Bereich der Lebensversicherungen verändern?

 

Neuer Beratungsalltag mit dem Lebensversicherungsreformgesetz

Eine Reihe von Einflüssen führt meines Erachtens schon heute dazu, dass Bewegung sichtbar ist. Die klassische Lebensversicherung wird kaum verkauft. Große Versicherer kommen mit besonderen, sehr komplexen Tarifen auf den Markt, um langfristige Garantien zu vermeiden. Das Angebot von Garantien, die über sehr lange Zeiträume gegeben werden, wird nicht nur wegen der gegenwärtig niedrigen Zinsen immer schwieriger, sondern – das ist das wesentliche – wegen der Regeln von Solvency II teuer.

Und wie sieht es mit den Vermittlern aus?

Die feste Absicht des Gesetzgebers ist es, die Senkung der Abschlusskosten durchzusetzen. Das wird zur Folge haben, dass der „Kuchen“ für den Vertrieb von Versicherungen kleiner wird. Es werden viele Vermittler aus dem Markt gedrängt werden. Nach meiner Ansicht werden Strukturvertriebe unter den ersten Opfern der Veränderung sein. Gute Kandidaten für ein frühes Ausscheiden werden auch die Vermittler sein, die sich ausschließlich der Vermittlung von Lebensversicherungen gewidmet haben. Diese sind hohe Erträge – durch hohe Provisionen – gewöhnt und werden es nicht selten schwierig finden, ihr Geschäftsmodell den niedrigeren Ertragsströmen anzupassen. Auch werden zins- oder sogar haftungsfreie „Darlehen“ oder „Vorauszahlungen“ für viele Versicherer schwerer zu finanzieren sein.

Das ausführliche Interview lesen Sie in AssCompact 02/2015, Seite 100ff.

 
Ein Artikel von
Thomas Leithoff