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9. August 2016
PKV-Tarifwechsel: Versicherungsmakler contra Versicherer

PKV-Tarifwechsel: Versicherungsmakler contra Versicherer

Ein Versicherer darf im Rahmen des PKV-Tarifwechsels gegenüber dem Kunden darauf hinweisen, dass er diese Beratung kostenfrei erbringt, während Vermittler in der Regel gegen ein Honorar tätig sind. Dies hat der Bundesgerichtshof entschieden und mit seinem Urteil viele weitere Fragen aufgeworfen.

Mit der Einführung des § 204 VVG wurde die Möglichkeit des Tarifwechsels in der Krankenvollversicherung ins Leben gerufen. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollte dem Versicherungsnehmer die Möglichkeit gegeben werden, wenn sein Tarif vom Versicherer geschlossen und damit im Alter immer teurer wird, unter Mitnahme seiner bereits erworbenen Rechte und ohne Verlust der Altersrückstellungen in einen anderen vergleichbaren kostengünstigeren Tarif zu wechseln. Dabei ist er nicht an den Versicherer gebunden, sondern kann vielmehr auch in einen vergleichbaren Tarif eines anderen Versicherers wechseln. Unter dieser Prämisse verwundert ein Anfang des Jahres erlassenes Urteil (21.01.2016, Az.: I ZR 274/14) des BGH. Dem Urteil lag folgender Fall zugrunde:

Ein Versicherungsmakler mit Spezialisierung auf Tarifoptimierung für Versicherungsnehmer privater Krankenversicherungen hatte gegen einen privaten Krankenversicherer geklagt. Der Versicherungsmakler hatte den Versicherer aufgefordert, ein Angebot für die Tarifumstellung abzugeben. Der gesamte im Rahmen des Tarifumstellungswunsches erforderliche Schriftwechsel sollte ausnahmslos mit dem Versicherungsmakler geführt werden, wobei dieser eine umfassende Empfangsvollmacht für die gesamte zur Tarifumstellung erforderliche Antrags- und Vertragskorrespondenz hatte. Die Vollmacht sollte mit Abschluss und Policierung des Tarifwechsels enden.

Daraufhin wandte sich der Krankenversicherer direkt an seine Kunden und teilte diesen mit, dass Versicherungsmakler und Versicherungsberater für ihre Beratungsleistung in der Regel ein Honorar verlangten, während er selbst eine Tarifberatung kostenlos erbringen würde. Es wurde dort eine Telefonnummer benannt, unter der die Versicherungsnehmer sich direkt an den Versicherer wenden und über das Thema Tarifwechsel informieren könnten. Für den Fall, dass der Versicherungsnehmer sich nicht in den nächsten Tagen an den Versicherer wenden würde, werde die gewünschte Auskunftserteilung gegenüber dem Versicherungsmakler oder Versicherungsberater erfolgen. Der Versicherungsmakler hielt diese Kontaktaufnahme für wettbewerbswidrig sowie rechtswidrig. Er forderte den Versicherer auf, die direkte Kontaktaufnahme zum Versicherungsnehmer zu unterlassen. Dies lehnte der Ver­sicherer ab, sodass der Fall schließlich vor dem BGH landete.

Die Korrespondenzpflicht sowie die Auskunftspflicht sind, wie der BGH bereits in seinem Urteil vom 29.05.2013 (Az.: IV ZR 165/12) festgestellt hat, vertragliche Nebenpflichten aus dem Versicherungsvertrag. Eine Begrenzung hatte der BGH in dem damaligen Urteil für zulässig erachtet, wenn die Erfüllung der Korrespondenzpflicht im Einzelfall unzumutbar ist – beispielsweise wegen eines entsprechenden Mehraufwands. Dieser könnte beispielsweise vorliegen, wenn eine begrenzte Vollmacht erteilt wird. Da es sich bei Versicherungsverträgen um Massengeschäfte handele, wäre dem Versicherer eine Prüfung des Umfangs der begrenzten Vollmacht im Einzelfall nicht zumutbar.

Unzumutbarer Mehraufwand für Versicherer

Mit der Begründung, dass sich für den Versicherer im Einzelfall Abgrenzungsschwierigkeiten hinsichtlich seiner Korrespondenzverpflichtung ergeben könnten, ist der BGH im Streitfall von einer zu starken Begrenzung der Vollmacht ausgegangen und hat den unzumutbaren Mehraufwand bejaht. Denn die Vollmacht des Versicherungsmaklers erstreckte sich im Streitfall auf den „Tarifumstellungswunsch“. Diese Formulierung war dem BGH laut der Urteilsbegründung zu pauschal.

Konkrete Ausführungen, um welche Art von Abgrenzungsschwierigkeiten es sich handeln könnte, sind dem insgesamt in der Begründung ungewöhnlich knapp gehaltenen Urteil des BGH allerdings nicht zu entnehmen. Die Vorinstanz hatte insoweit die Abgrenzungsschwierigkeiten etwas mehr konkretisiert und sich insoweit auf das Urteil des BGH aus dem Jahr 2013 berufen, wonach der Versicherungsnehmer insbesondere nicht verlangen könne, dass der Versicherer teilweise mit ihm und teilweise mit dem Vertreter korrespondieren und beiden unterschiedlich Auskunft erteilen solle. Laut Berufungsgericht beschränkten sich die Vollmachten der Versicherungsnehmer auf den Schriftwechsel im Rahmen des Tarifumstellungswunsches. „Sie betrafen daher nicht umfassend das gesamte Versicherungsverhältnis, sondern waren thematisch beschränkt; hinzu kam die jeweils nach dem Inhalt des betreffenden Schreibens zu beantwortende Frage, ob die in den Vollmachten genannte Erforderlichkeit vorliege. Diese Beschränkungen machten bei jedem Schreiben eine einzelfallbezogene Prüfung notwendig, die der Beklagten nicht zugemutet werden kann. Eine Verpflichtung der Beklagten, insoweit mit der Klägerin zu korrespondieren, besteht schon deshalb nicht“ (OLG München, Urteil vom 20.02.2014, Az.: 29 U 2652/1).

BGH wirft auch Makler wett­bewerbswidriges Verhalten vor

Auch einen Wettbewerbsverstoß sah der BGH im Streitfall nicht. Ausdrücklich gab der BGH dazu an, dass über die weiteren gerügten Verhaltensweisen insoweit nicht zu entscheiden gewesen wäre. Gleichwohl hat er auch den weiteren Argumenten des Versicherungsmaklers relativ lapidar eine Absage erteilt. So hatte der Makler weiter gerügt und als unlauter angesehen, dass der Versicherer die Anfragen zum Anlass nehme, seinerseits den Versicherungsnehmern eine Beratung anzubieten, zudem die Antworten verzögere und damit die direkte Kontaktaufnahme des Versicherungsnehmers zum Versicherer veranlasse, den Maklerlohnanspruch vereitle und insbesondere auch auf eine bestehende Interessenkollision des Versicherers nicht hinweise. Letztere entstehe dadurch, dass der Versicherer gar kein Interesse an einem Tarifwechsel in einen Zieltarif mit geringeren Beiträgen hat. Der BGH hält dieses Verhalten des Ver­sicherers insoweit nicht für rechtswidrig, da dieses wettbewerbsimmanent sei und demgegenüber ein ebenfalls unlauteres Verhalten des Versicherungsmaklers stünde, der nach Ansicht des BGH dem Versicherer mit unzumutbarem und damit unzulässigem Korrespondenzverlangen seinerseits die Kunden abwerbe.

Dazu muss man sich wohl an dieser Stelle einmal vor Augen halten, dass das Korrespondenzverhalten des Versicherungsmaklers im vorliegenden Fall nur deshalb unzumutbar sein sollte, weil die Vollmacht zur Korrespondenz nur begrenzt auf den für die Tarifumstellung erforderlichen Schriftwechsel erfolgen sollte, nicht aber bezogen auf jeglichen Schriftwechsel. Eine solche Beschränkung der Vollmacht würde nach dem BGH immer zu einer individuellen Prüfungspflicht des Versicherers führen, welches diesem nicht zuzumuten sei. Daraus dürfte sich ergeben, dass eine unbegrenzte Vollmacht ohne Prüfungsverpflichtung im Einklang mit der BGH-Entscheidung aus 2013 zumutbar und somit rechtmäßig wäre.

Es sind in diesem Urteil des BGH viele Fragen offengeblieben. Der Versicherungsnehmer soll frei entscheiden dürfen, von wem er beraten werden will – aber weiß der Versicherungsnehmer überhaupt, was für eine Leistung er von wem zu erwarten hat? Ziel des § 204 VVG ist es, den Wechsel zwischen Versicherern zu erleichtern, um den Wettbewerb auch auf den Versicherungs­bestand auszudehnen. Der Versicherer muss den Kunden nur zu seinen eigenen Tarifen beraten. Ein Versicherungsmakler muss hingegen auch die Produkte und Tarife anderer Versicherer in seine Beratung einbeziehen. Muss der Versicherer über diese eingeschränkte Beratung – insbesondere seinen Interessens­konflikt – aufklären und auf explizit darauf hinweisen? Dazu äußert sich der BGH leider nicht. Entsprechende Argumente des Versicherungsmaklers wurden übergangen. Das Urteil ist nur im Kontext mit der Entscheidung der Vorinstanz verständlich. Letztlich ist das Urteil des BGH wohl von dem Willen getragen, der Praxis der Tarifoptimierer, dem Versicherer die Korrespondenz mit dem Versicherten abzuschneiden, einen Riegel vor­zuschieben, ohne dass dies konkret zum Ausdruck kommt.

Den Artikel lesen Sie auch in AssCompact 08/2016, Seite 108 f.

 
Ein Artikel von
Von Rechtsanwältin Kathrin Pagel

Leserkommentare

Comments

Gespeichert von Wolfgang Will am 09. August 2016 - 11:49

In der Einleitung zu diesem verwundern zwei Aussagen sehr:
Die Möglichkeit eines Tarifwechselrechts bestand natürlich schon immer. Man war dabei aber auf den guten Willen des Versicherers angewiesen. Mit dem § 204 VVG neu(genauer: schon mit seinem Vorgänger)wurde die Verpflichtung des Versicherers dazu festgeschrieben.
Schlimmer ist diese Aussage: "Dabei ist er nicht an den Versicherer gebunden, sondern kann vielmehr auch in einen vergleichbaren Tarif eines anderen Versicherers wechseln." Das kann er weiterhin nur über einen Antrag mit Gesundheitsprüfung unter Verlust der Alterungsrückstellung (Ausnahme hierzu: Verträge ab 2009 mit einem Teil der Rückstellungen). Das gehört also nicht zur Thematik § 204 VVG.

Gespeichert von Andrea marxand… am 11. August 2016 - 12:44

Der §204 VVG ist lediglich der Nachfolger vom 178f. Also nichts wirklich Neues. "Alter Wein in neuen Schläuchen" In den Tarif anderer Krankenversicherer, kann der Kunde nur mit erneuter Gesundheitsprüfung, neuem Eintrittsalter und ggfs. unter Verlust der erworbenen Alterungsrückstellungen wechseln. Es sei denn der Vertrag wurde nach 01.01.2009 abgeschlossen. Dann können Teile der AR mitgenommen werden. Hier sollten interessierte PKV Kunden sich an Spezialisten wenden und nicht den im Artikel getätigten Aussagen folgen. Das könnte böse Folgen haben.