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10. Juni 2011
So viel Provisionen und Courtagen erhalten die Vermittler

So viel Provisionen und Courtagen erhalten die Vermittler

Vergütungen wirken Anreizwirkungen aus – diese banale Erkenntnis ist mit der Finanzkrise ins öffentliche Bewusstsein gerückt. Seitdem überschlagen sich regulierungswü-tige Verbraucherschützer und Politiker in Vorschlägen, wie diese begrenzt werden sollen. Damit treffen sie aber überwiegend die Falschen, so eine Erkenntnis aus einer Vermittlerbefragung. AssCompact Beitrag von Professor Dr. Matthias Beenken, Professor für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Versicherungswirtschaft an der FH Dortmund, sowie freiberuflicher Chefredakteur von VersicherungsJournal.de. Er hat eine Vermittlerbefragung zu den Vergütungen durchgeführt.

Seit der Finanzkrise wird intensiv darüber diskutiert, ob das Versagen der Märkte auch damit zu tun hat, dass in der Finanzdienstleistung von den Anbietern gezahlte, erfolgs- und umsatzabhängige Vergütungen und ähnliche Anreize eine außerordentlich hohe Rolle spielen. So hatte beispielsweise die Studie des Bundesverbraucherschutzministeriums „Anforderungen an Finanzvermittler – mehr Qualität, bessere Entscheidungen“ aus dem Jahr 2008 genau hierauf die These gestützt, dass es ein Marktversagen gibt und die Politik regulierend eingreifen müsse. Das Ziel sollte sein, dass Beratung und Verkauf getrennt werden und die Beratung vom Kunden bezahlt wird, damit sie nicht mehr den Interessen einzelner Anbieter unterworfen ist. Aus Sicht des Verbraucherschutzes rechnet sich das für den Kunden, weil der nach einer unabhängigen Beratung Druck auf die Vermittler ausüben kann, nur Produkte mit geringen Abschlusskosten anzubieten.

Vermittler protestieren gegen Offenlegung

Für Vermittler sind das unakzeptable Szenarien, denn in der Mehrheit gehören Vertreter wie Makler eher zu den Geringverdienern und haben keine Polster, aus ihrer Vergütung Anteile abzugeben. Das würde sich auch nicht verbessern, wenn eine „Marktbereinigung“ erzwungen und die Zahl der Vermittler drastisch reduziert würde. Denn die Wettbewerbsintensität ist Untersuchungen zufolge im Versicherungsvermittlermarkt insgesamt gar nicht sehr hoch. Versicherungsvermittlung ist offenbar immer noch ein persönliches Vertrauensgeschäft. Fällt der Vermittler des Vertrauens weg, wird der Kunde im Zweifel keine ausreichende Beratung und keinen entsprechenden Versicherungsschutz mehr nachfragen.

Der häufigste Einwand von Vermittlern lautet, dass andere Branchen auch nicht ihr Einkommen offenlegen müssten. Das Argument hinkt allerdings. Denn verlangt wird beispielsweise von der VVG-Informationspflichtenverordnung nur eine Angabe, wie hoch die gesamten Abschlusskosten einer Lebens- oder Krankenversicherung sind. Möglicherweise wird dies in der kommenden Zweitauflage der EU-Versicherungsvermittlerrichtlinie für alle Sparten gefordert werden, entweder nur auf Nachfrage des Kunden („soft disclosure“) oder – wie jetzt schon bei uns in Leben und Kranken – ungefragt als „hard disclosure“. Der Kunde soll verstehen können, was das eigentliche Versicherungsprodukt kostet – und was die zusätzliche Beratungs- und Vermittlungsleistung kostet. Denn dabei handelt es sich durchaus um zwei verschiedene Produkte, die mit der Versicherungsprämie gemeinsam bezahlt werden. Historisch war das übrigens nicht immer so.

Provisionsexzesse auf schiefen Wettbewerb in der PKV zurückzuführen

Geprägt wird das öffentliche Bild des Versicherungsvertriebs auch durch einige Provisionsexzesse, die vor allem in der privaten Krankenversicherung (PKV) bekannt geworden sind. Abnorm hohe Vergütungen für Großvertriebe und Pools sind allerdings nur ein Spiegel des in der PKV völlig verzerrten Wettbewerbs. Denn durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz ist seit 2007 der Zufluss an zahlungskräftigen und -willigen Neukunden abgeschnürt worden. Dagegen mussten die Versicherer kaum versicherungsfähige und nicht zahlungswillige Kunden aufnehmen. Krankenversicherer brauchen aber einen steten Zustrom jüngerer und vor allem gesunder Kunden, damit das ursprünglich kalkulierte Tarifkollektiv erhalten bleibt und Tarife nicht „vergreisen“. Aus diesem Grund steigt der Anreiz für die Versicherer, vermehrt in den Beständen der Wettbewerber zu wildern und durch Umdeckungen den eigenen Bestand zu verjüngen. Das erklärt, warum aggressiv auftretende Spezialvertriebe in der Krankenversicherung außerordentlich hohe Provisionen/Courtagen erzielen und Vorstände Millionen-Vorschüsse auszahlen, obwohl beispielsweise im Fall der gescheiterten Kasseler MEG AG jedem vernünftig denkenden Vorstand hätte auffallen müssen, dass ein so junges Unternehmen wohl kaum mit seriösen Methoden Führungskräfte mit Luxussportwagen ausstatten und einen pompösen Außenauftritt inszenieren kann.

Im Dezember ermahnte die Versicherungsaufsicht BaFin die Krankenversicherer öffentlich zum Maßhalten, wohl wissend, dass die Versicherer schon allein aus kartellrechtlichen Gründen keine Branchenabsprachen über Maximalhöhen bei Vergütungen oder Mindestanforderungen an die Stornohaftung treffen können. Nun sollen es wieder Gesetze richten. Erste Vorschläge sprechen von einer Begrenzung der Provision auf zum Beispiel zehn bis zwölf Monatsbeiträge. Das allerdings würde keinen Ausschließlichkeitsvertreter und auch nur die wenigsten Makler und Mehrfachvertreter treffen, wie eine Umfrage unter 647 Vermittlern zeigt. Ganze 2% der Makler gaben an, mindestens zehn Monatsbeiträge zu erhalten.

Schwere Zeiten für Pools in Sicht

Treffen würde eine Provisions-/Courtagebeschränkung in erster Linie die Großvertriebe und die Maklerpools, die sich an der Umfrage nicht beteiligt haben dürften. Vor allem für die Pools wird die Luft dünner werden, wenn ihnen die Marge beschnitten wird.

Ein bedeutender Ansatzpunkt ist die Stornohaftung, die dazu beitragen kann, den Anreiz zur provisionsgetriebenen Umdeckung zu reduzieren. Hier zeigt schon der Vergleich der Vertriebswege untereinander, dass Makler/Mehrfachvertreter durch ihre Verhandlungsstärke bei den Krankenversicherern nicht nur mehr Vergütung, sondern auch eine geringere Stornohaftung durchsetzen können. Das gilt auch innerhalb der Maklerschaft: Je höher die Courtage, desto geringer ist im Durchschnitt die Stornohaftung. Das ist sicher kein sinnvoller und haltbarer Zustand.

Die Umfrage zu Provisionen und Courtagen der Vermittler zeigt, dass die Vermittler in der absoluten Mehrheit keine exorbitant hohen Vergütungen erhalten. Ausschließlichkeitsvertreter erhalten signifikant weniger. Allerdings sind bei ihnen erfolgsabhängige Sondervergütungen weiter verbreitet, wenn auch diese in der Regel nicht ausreichen, um den Vergütungsabstand zu Maklern und Mehrfachvertretern aufzuheben.

Hier finden Sie eine Tabelle zur Veranschaulichung. Den Artikel von Prof. Dr. Matthias Beenken lesen Sie auch in der AssCompact Juniausgabe auf Seite 38f. Das Buch „Provisionen und Courtagen - was die Versicherer ihren Vermittlern zahlen“, in dem die Ergebnisse der Leserbefragung des VersicherungsJournal vom März/April 2011 zum Thema Provisionen und Courtagen im Versicherungsbereich vorgestellt werden, hat 81 Seiten und kostet 29,90 Euro (als E-Book; Versand per E-Mail), ISBN 978-3-938226-23-0